Kaum, dass ich lesen gelernt hatte, war ich ein Bücherwurm. ‌‌Ich liebte es, wenn mein Großvater uns Kindern Geschichten erzählte und mein Vater uns die Märchen der Gebrüder Grimm vorlas. ‌‌Ich genoss es auch, meiner jüngeren Schwester, aus Büchern vorzulesen. ‌‌
Schon als Kind sammelte ich Zitate und Weisheitssprüche, die ich handschriftlich in eine Reihe von Schmuckbüchlein eintrug.
Mit dreizehn gab ich mir ein Jahr Zeit, um die ganze Bibel von der Genesis bis zur Offenbarung zu lesen. Es gelang mir, das Bibelleseprojekt erfolgreich durchzuführen, indem ich täglich zwei Seiten las oder auch mal 4, 6 oder auch 8 Seiten, wenn ich im Rückstand war. So erfuhr ich, wie blutrünstig das Alte Testament ist und wie langweilig es ist, seitenweise Genealogien zu lesen.
Es gelang mir nicht, ein Lexikon von A-Z durchzulesen. Spätestens beim Buchstaben B habe ich aufgegeben. Mein erstes Leseabonnement war die Zeitschrift Reader's Digest. ‌
Als ich meinen ersten Schreibcomputer besaß, begann ich meine Zitatesammlung auf mehrere Word-Dokumente zu übertragen.‌‌‌‌
Seit 2006 – seit nunmehr über zwei Jahrsiebten – transkribiere, übersetze und veröffentliche ich unter anderem Zitate online – in meiner zweisprachigen gemeinnützigen Datenkollektion Spiritualwiki.org, deren Inhalt inzwischen auf das Äquivalent von etwa 16 Büchern à 350 Seiten angewachsen ist. ‌‌‌‌
Aus der gesättigten Vielleserin wurde eine passionierte Schreiberin, die nur noch online (Artikel) liest, am liebsten Audios hört, und Videos hört-schaut, Gedanken und Konzepte kompiliert, kombiniert und in lesbare Sprache gießt oder in grafisch in Übersichten darstellt.                

Foto von Markus Sandhofer / Unsplash

Die Vorteile des Lesens

  • Lesen dient der Allgemeinbildung.
  • Lesen stärkt die Aufmerksamkeit und die Konzentration.
  • Lesen hält das Gehirn jung und leistungsfähig.
  • Lesen verbessert das Gedächtnis.
  • Lesen fördert die eigenen analytischen Fähigkeiten.
  • Lesen schützt vor Demenz.
  • Lesen erweitert den eigenen Wortschatz.
  • Lesen erweitert den eigenen Horizont.
  • Lesen fördert die Kreativität.
  • Lesen entspannt und reduziert Stress.
  • Lesen regt die Phantasie und das Vorstellungsvermögen an.
  • Lesen fördert das Empathievermögen und die soziale Kompetenz.
  • Vielleser können besser schreiben.
  • Lesen bietet eine kostengünstige Unterhaltung.
  • Leser können ohne äußeren Aufwand im Geist verreisen.
  • Lesen ist mitunter eine Einschlafhilfe.
  • Lesende Männer kommen bei Frauen besser an.  ‌

Statistik – Die Anzahl der sich bildenden Lesenden wächst ständig.

  • Aus historischer Sicht ist der Alphabetisierungsgrad der Weltbevölkerung in den letzten Jahrhunderten drastisch gestiegen. Während 1820 nur 12% der Menschen auf der Welt lesen und schreiben konnten, hat sich der Anteil heute umgekehrt: Nur 13% der Weltbevölkerung sind noch Analphabeten. In den letzten Jahrzehnten ist die weltweite Alphabetisierungsrate alle 5 Jahre um etwa 4 Prozentpunkte gestiegen – von 42% im Jahr 1960 auf 86% im Jahr 2015.‌‌
    In Deutschland waren 2011 nach einer Studie der Universität Hamburg ca. 4% bzw. 2 Millionen der Erwachsenen totale sowie mehr als 14% bzw. 7,5 Millionen funktionale Analphabeten.‌‌
    Quelle: Analphabetismus – Wikipedia
  • 750 Millionen Menschen können nicht lesen und schreiben.‌‌
    Noch immer sind 750 Millionen Menschen weltweit Analphabeten. ‌‌
    Quelle: Tag der Alphabetisierung am 8. September: 750 Millionen Menschen können nicht lesen und schreiben | BR.de, 2015

Leseempfehlungen

Der Biograph Israel Chalfen befragte einst den rumänischstämmigen deutschsprachigen Dichter und Lyriker Paul Celan (1920-1970), wie man bestenfalls eines der Gedichte interpretieren könne. Celan gab ihm die mündliche Antwort:
"Lesen Sie nur, lesen Sie immerzu, das Verständnis kommt dann von selbst!"

‌In einem Interview mit der Frauenzeitschrift Brigitte (Wo fangen Wir an?, S. 178, 1. Ausgabe 2005) gab die deutsche Kabarettistin, Moderatorin, Literaturkritikerin, Opern-Librettistin, Journalistin und Schriftstellerin Elke Heidenreich (*1943) zum Besten:
"Lesen, selber denken, das macht uns zum Individuum, und Individuen sind gefährlicher als die mitschleifende Masse."

Der deutsch-schweizerische Dichter und Schriftsteller Hermann Hesse (1877-1962) bekannte in Mein Umgang mit dem I Ging Folgendes:

  • Es gibt Bücher, die man nicht lesen kann, Bücher des Heiligen und der Weisheit, in deren Begleitung und Atmosphäre man jahrelang leben kann, ohne sie je so zu lesen wie man andere Bücher liest. Teile der Bibel gehören zu diesen Büchern, und das Tao-te-king. Aus diesen Büchern genügt ein Satz, um sich für lange zu füllen, für lange zu beschäftigen, für lange zu durchdringen. Diese Bücher hat man leicht erreichbar liegen, oder trägt sie in der Tasche mit, wenn man in den Wald geht, und liest niemals halbe oder ganze Stunden darin, sondern nimmt nur jedesmal einen Spruch, eine Zeile heraus, um darüber zu meditieren, um neben all dem Kram des Tages, auch dem der übrigen Lektüre, immer wieder den Maßstab des Großen und Heiligen aufzurichten.‌‌
    Quelle: Erfahrungen mit dem I Ging. Vom kreativen Umgang mit dem Buch der Wandlungen, Diederichs, Köln, 1984, Taschenbuchausgabe 1. Januar 1996

Der Erleuchtete Ramana Maharshi wurde gefragt, ob es dem nach Befreiung Strebenden nützt, Bücher zu lesen. Der indische Weise gab zur Antwort:

  • Alle Texte in Büchern sagen, dass man zur Befreiung den Verstand ruhig stellen solle. Zur Beruhigung des Verstands muss man lediglich in sich selbst erforschen, was dieses Selbst ist. Bücher sind außerhalb von den fünf Ummantelungen, von denen das Selbst umgeben ist. Das Selbst wird erkannt, indem man diese fünf Ummantelungen ablegt. Es ist fruchtlos, in Büchern danach zu suchen. Die Zeit wird kommen, in der man all das vergessen wird, was man zuvor gelernt hat.
    Zitiert in: Dr. T. M. P. Mahadevan, Professor für Philosophie, Universität von Madras, Self Enquiry, Prahlad Chandra Brahmachari, Juni 1982

Das Alte Testament gilt als das erste Buch im Patriarchat.‌‌‌‌
Es ist die erste "Heilige Schrift" von drei monotheistischen Religionen, deren Zentrum der Vatergott ist.

Der US-amerikanische Chirurg, Forscher, Erfinder und Autor Dr. med. Leonard Shlain, (1937-2009) ging in seinem Buch The Alphabet Versus the Goddess. The Conflict Between Word and Image (Penguin, 1. September 1999) auf den Konflikt zwischen Schrift (Wort) und (laufenden) Bildern ein:

  • Wort und Bild sind komplementäre Gegensätze, ebenso wie das Männliche und das Weibliche.
    Wann immer eine Kultur das geschriebene Wort zulasten des Bildes überhöht, dominiert das Patriarchat.
    Wenn die Bedeutsamkeit des Bildes das geschriebene Wort überflügelt, gedeihen weibliche Werte und die Gleichberechtigung.
  • Das Alte Testament war das erste alphabetische Schriftwerk, das die nachfolgenden Zeitalter beeinflusst hat. Überzeugt von seiner Wichtigkeit lesen es noch viele Menschen – dreitausend Jahre nach seiner Entstehung. Die darin enthaltenen Worte verankern die drei mächtigen Religionen Judentum, Christentum und Islam, die allesamt das Patriarchat bekräftigen. Jede monotheistische Religion vertritt einen bildlosen Vatergott, dessen Autorität Sein offenbartes Wort überstrahlt, das in der Heiligen Schrift niedergeschrieben wurde. Die Vorstellung einer Gottheit, die kein konkretes Bild hat, ebnet den Weg für die Art des abstrakten Denkens, die unweigerlich die charakteristische Triade der westlichen Kultur hervorbringt:
    ‌‌   ➤ Gesetzbücher,
    ‌‌   ➤ dualistische Philosophie und‌‌
       ➤ objektive Wissenschaft. ‌‌
    Die nachhaltige Stoßwirkung, welche diese alten Schriften auf die Entwicklung des Westens ausgeübt haben, war zum Einen dem Alphabet geschuldet, in dem sie geschrieben worden sind, und zum Anderen den darin verbrieften moralischen Lehren.

Slains Fazit lautet:

  • Die Verehrung des Vatergottes, der männlichen Werte und der männlichen Vorherrschaft gegenüber den Frauen ist auf das geschriebene Wort angewiesen.
    Schriftsprache nährt die linke Gehirnhälfte.
  • Die Verehrung der Göttin, der weiblichen Werte und der weiblichen Wirkmacht sind auf die Allgegenwärtigkeit der Bilder angewiesen. Bilder und Filme sprechen vorwiegend die rechte Gehirnhälfte an.                                                    
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Der langsam wachsende Wald, der den Stoff liefert, aus dem die Bücherseiten gemacht sind, steht still und dauerhaft.
Eine Weisheit der Tibeter besagt: Ein Baum, der fällt, macht mehr Krach als ein Wald, der wächst.

In einem Video-Konferenzvortrag in Bonn am 16. September 2010 wies der deutsche Quantenphysiker und "passionierter Grenzgänger" Prof. Dr. Hans-Peter Dürr (1929-2014) auf folgenden Zusammenhang hin:

  • Was wir in den Geschichtsbüchern lesen, ist die Geschichte der fallenden Bäume. Das ist alles, was destruktiv war. ‌‌
    Wer ist der wachsende Wald? Das sind unsere Frauen. ‌‌
    Wir müssen genau auf die Gruppen gucken, die wissen, dass in der Kooperation die Rettung ist. Aber es geht langsam. Der wachsende Wald ist immer eine Art Heilungsprozess. Es heißt auch, dass wir auf ein höheres Niveau kommen.

Die Nachteile des digitalen Lesens
Der deutsche Psychologe und Professor für Psychiatrie und Neurodidaktik an der Psychiatrischen Universitätsklinik in Ulm Prof. Dr. Manfred Spitzer (*1958) kam zu dem Schluss, dass digitale Medien in Schulen nichts zu suchen haben, weil der digitale Medienkonsum zum Daddeln verführe, die Sprachentwicklung von Kindergartenkindern verlangsame und bei Grundschülern zu Aufmerksamkeitsstörungen führe.

Der Hirnforscher und Psychologe Prof. Dr. Peter Gerjets wies darauf hin, dass digitales Lesen zugleich multimediales und "tendenziell oberflächlicheres" Lesen ist. Hyperlinks, Animationen und interaktive Grafiken sind mitunter anstrengend für das Gehirn. Gerjets plädiert dafür, das Lesen von längeren Texten auf Papier am Leben zu erhalten, weil es die Konzentrationsfähigkeit bildet und das Gehirn erweitert.

Notiere: So wie Aufzüge Treppen nicht zum Verschwinden bringen, wird Kindle das Buch nicht verdrängen können.

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