Ich sehe gerne Krimis.

Es geht Gut gegen Böse, und am Ende wird der Mörder geschnappt.

In die Welt der Krimis versetzt, fühlt man sich vor Mördern geschützt. Es gibt ja die Polizei.

Die Guten im Krimi geben sich redlich Mühe, den Mörder, und zwar den wahren Täter, sauber zu überführen. Sie befragen viele und lassen von eventuellen Verdächtigen ab, wenn diese eben nicht Täter sind. Sie konzentrieren sich, sie lassen Persönliches so gut sie können beiseite, sie arbeiten gewissenhaft. Der Fall ist erst dann abgeschlossen, wenn sie nach bestem Wissen und Gewissen den Täter und sämtliche Komplizen gefasst haben. Es gibt sogar Krimis, in denen hochgestellte Persönlichkeiten zu Fall gebracht werden - weil sie die Täter sind.

Dies, obwohl die Guten dafür jede Menge persönliche Opfer auf sich nehmen. Sie WOLLEN ihren Job RICHTIG machen, und sie tun es. Und in den besonders märchenhaften Krimis werden sie für gute, gründliche Arbeit sogar belobigt oder gar befördert.

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Dass das schon vor 2020 meilenweit von der durchschnittlichen Realität entfernt war, ist jedem, der mal SERPICO gesehen hat, sonnenklar.

Cops, die so engagiert ihrer Aufgabe nachgehen, waren und sind wie in jeder Berufsgruppe die Ausnahme. Gängig hingegen ist der Gruppendruck, der auf jedem lastet, dessen Arbeit auch nur ein wenig über „Dienst nach Vorschrift“ hinausgeht.

Dies besonders seitdem Statistiker den Polizeirevieren zu erfüllende Quoten auferlegen, bei deren Nichterfüllung einem der ganze Laden geschlossen werden kann. Da deklariert man doch gerne mal einen zu zeitaufwendigen Fall zum Unfall und bleibt überall sonst gleich beim ersten Verdächtigen; für den Aufklärungsrekord. Schnelligkeit zählt mehr als Gründlichkeit, und da es die Jurisprudenz ebenso hält, merkt’s am Ende nur der zu Unrecht Eingesperrte. Aber auf den hört niemand. Die Alibiübung hat die echte Detektivarbeit verdrängt.

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Und seit 2020 haben wir ein lange vergessen geglaubtes Hindernis dazubekommen: Die Gesinnungskomponente.

Es dreht sich nicht mehr lediglich darum, wer was getan hat: Es dreht sich darum, wer was tun KÖNNTE oder vielleicht in Gedanken HÄTTE TUN WOLLEN. So wird aus einem, der sich auf einen Angriff vorbereitet, ein potentieller Angreifer. Und dann dreht es sich neuerdings auch noch darum, welchem Geschlecht, welcher Ethnie, welcher politischen Gruppierung der Verdächtige angehört oder nahesteht. Ganz zu schweigen vom Glauben.

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Wen interessieren in diesem Dschungel noch solche Bagatellen wie etwa Tatbestandsmerkmale? Wie soll Ordnung aufrecht erhalten werden, wenn gewisse Gruppen gar keine Täter genannt werden DÜRFEN, andere hingegen bereits per Gesetz unter Generalverdacht stehen?  Beweislastumkehr macht Polizeiarbeit zur Farce. Die Polizei verkommt zur Privatarmee der Mächtigen. Saubere Arbeit ist jetzt die Garantie dafür, selbst aus Gesinnungsgründen verhaftet zu werden.

Was ist aus meinen Helden geworden?

Kriminal-Polizeiarbeit macht selten glücklich. Man sieht immer die schlechtesten Seiten der Menschen, und das schlägt einem auf Dauer aufs Gemüt. Aber wenn man den Täter erwischt hat, hatte man ehedem doch noch eine gewisse persönliche Befriedigung.

Das ist vorbei. Heute wird nicht ermittelt, sondern laviert - immer im Bestreben, den unzähligen, immer mehr werdenden politischen und ideologischen Fallstricken zu entgehen, damit man auch morgen noch einen Job hat. Und dabei befolgt man Befehle, die im krassen Gegensatz zu allem stehen, worauf man (vor 2020) seinen Diensteid geleistet hat. Befehle, die unschuldige Familien treffen - der eigenen Familie sehr ähnlich. Mit katastrophalen Folgen. Tag für Tag für Tag… Ganz ohne jene persönliche Befriedigung, die einem nur saubere Arbeit gewährt. Dafür immer mit einem Bein in politischer bzw. Gesinnungshaft.

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Welcher fühlende Mensch würde unter solchen Umständen nicht langsam aber sicher daran zu zweifeln beginnen, WER da die Guten und wer die Kriminellen sind?

Darum sehe ich so gerne Krimis. Immer noch. Mehr denn je.

Ob es solche Verhältnisse je wirklich gab oder ob sie im Krimi schon immer heillos idealisiert dargestellt wurden, dem Krimi zu folgen gewährt einem ein kleines Fenster zurück in eine Vergangenheit, in der die Guten noch die Guten waren - meistens jedenfalls.

Die Diskrepanz zwischen Krimi und Wirklichkeit war noch nicht so unüberbrückbar wie heute.

Krimis hätten bis vor kurzem beinahe wahr sein können.

Darin lag damals ihre Kraft , darin liegt heute ihr nostalgischer Trost.