"Komm, nimm meine Hand. Ich will dir etwas zeigen."
Überrascht schaust du mich an, dann wandert dein Blick langsam zu meiner ausgestreckten Hand. "Bist du dir sicher?", fragst du mich. Ich nicke - zaghaft, aber mit einem Lächeln in den Augen.
Und so machen wir uns auf den Weg - deine warmen Finger sanft um meine geschlungen, um ihnen die Kälte zu nehmen.

Wir bleiben vor einer Statue stehen - mitten am Meer. Du hältst den Atem an. "Ja", sage ich, "das bist du. Sie ist noch nicht ganz fertig und doch bereits perfekt. Und siehst du die Bank davor? Das ist mein Lieblingsplatz." Du hebst meine Hand an deinen Mund und obwohl deine Lippen ein wenig zittern an meiner Haut, ist der Kuss warm und fest und schenkt mir Kraft.

Der Sand unter unseren Füßen wird steinig und schmerzhaft. "Oh, schau nur", sagst du erstaunt und zeigst auf einen kleinen Turm aus flachen, seidig glatten Steinen, "ein Kunstwerk." Und ich erzähle dir von all den unermüdlichen Versuchen, sie aufeinander zu stapeln und von dem Frust und den Enttäuschungen, die sie immer wieder zum Einsturz brachten.
Schweigend wühlst du in deiner Tasche und ziehst eine Glasglocke hervor und stülpst sie darüber. Einfach so.

Plötzlich siehst du auf unsere Füße hinab. "Wie sind wir denn hier gelandet?", fragst du ängstlich. Und wir stehen an einem dunklen Abgrund auf einem morschen, toten Stamm. Die Luft riecht modrig und es ist kalt. "Dunkle Zeiten waren das. Gefährliche Zeiten. Zeiten voller Angst und Schrecken.", erkläre ich dir und zeige in die schwarze Tiefe. "Da wurde ich einst hinein gestoßen." Und ich male dir ein Bild aus Schatten, mit dem Blut meiner Nägel, die ich mir dabei ausgerissen hatte und meinen Tränen, die ein Meer füllen könnten. Ein Bild von einem Kampf, den ich mit mir selbst austragen musste.

Wir laufen schweigend nebeneinander her. Ich folge deinen Augen und sehe, wie du all die Kreuzungen bemerkst, wie du den Blick in die Ferne schweifen lässt und langsam verstehst, warum ich von dort nach hier gekommen bin. Auch die kleinen, aus Moos gebauten Nester am Wegesrand bemerkst du und zählst still die leeren Batterien darin.
Wir spazieren an Feldern mit Sonnenblumen vorbei, laufen durch Wälder mit lebendigen und toten Bäumen, kommen durch die Schatten ins Licht und wieder zurück.
Wir setzen uns auf feuchtes Laub, in hohes Gras, in den kalten harten Schnee, auf Schaukeln und Wippen und wir tanzen und wir springen, wir wandern und wir stehen still.
Und kein einziges Mal löst du deine Hand von meiner.

Am Ende stehen wir am Anfang, blicken hinauf in einen Baum und wir beide wissen instinktiv, dass ich von dort oben herunter gefallen bin. Du wünschst dir, du wärst schon damals hier gewesen, um mich aufzufangen. Und ich erzähle dir von meinen Flügeln, die ich damals noch hatte, den Träumen, die mich weich fallen ließen, von der Liebe meiner Eltern, die mich beschützten, dem Lachen, der Unschuld und der Hoffnung. "Es ist nicht schlimm, dass du damals noch nicht hier warst", versichere ich dir, "denn der Weg bis zu dir hat mich geformt, genährt und zu der Person gemacht, die ich heute bin."
"Zu der Frau, die ich liebe", berichtigst du mich und schließt mich in deine Arme. Und gemeinsam fliegen wir zurück in Mein Dein Zuhause.