In der Weihnachtszeit ist es selbstverständlich, die eigenen Kinder anzulügen - in dem Wissen, dass sie die Lüge irgendwann durchschauen werden. Warum ist das normal? Und geht es auch anders?

Sollte man seinem Kind erzählen, dass es den Weihnachtsmann gibt - das Kind also bewusst anlügen - und dann abwarten, bis es von alleine herausfindet, dass es angelogen wurde?

Wenn ja: Warum?

Wenn nein: Warum nicht?

Mit dieser Fragestellung ringe ich, seit mein Kinderwunsch mit Mitte 20 wach wurde.


Jetzt, mit Beginn der Weihnachtszeit und mit einem zweijährigen Sohn, wird das Dilemma ziemlich konkret: In der Kita, auf dem Weihnachtsmarkt, in Kinderliedern und Bilderbüchern - von überall prasselt der Weihnachtsmann-Unsinn auf einen ein. Nächste Woche “besucht der Weihnachtsmann die Kita”, steht auf einem Aushang.

Unser Kleiner kennt das Wort “Weihnachtsmann” bereits. Aber er beherrscht noch nicht genug andere Worte, um ihm zu erklären, dass das nur eine Geschichte ist, die zu dieser Jahreszeit erzählt wird und die viele Kinder um ihn herum für wahr halten.

Eine derart differenzierte Einordnung wäre mir am liebsten. So ähnlich werden wir irgendwann über religiösen Erzählungen sprechen, mit denen der Knirps in Kontakt kommen dürfte. Oder über Esoterik. Oder über den Umstand, dass er in der Kita Fleisch zu essen bekommt, zu Hause aber nicht.

Bis diese Gespräche möglich werden, wird es noch ein paar Jahre dauern, und das ist in Ordnung. Das Kind soll Kind sein dürfen.

Beim Weihnachtsmann scheine ich diesen Freiraum nicht zu bekommen. Es gibt keine Chance, zu verhindern, dass mein Nachwuchs mit einer eindrücklichen Erinnerung an seine Begegnung mit “dem Weihnachtsmann” aus der Kita nach Hause kommt - einschließlich Wunschzettel, “Warst du auch artig?” und Gaben-Sack. Nur die Rute ist inzwischen kulturell aus der Mode gekommen. Immerhin.


Ist das nun schlimm? Vermutlich nicht. All die Kinder, die irgendwann von allein darauf gekommen sind, dass ihr Opa oder Papa oder Nachbar in dem Kostüm steckt - mich eingeschlossen - haben nicht aufgehört, ihren Eltern zu vertrauen.

Aber es bleibt ein ekliges Gefühl von Übergriffigkeit, wenn mir als Elternteil die Entscheidung abgenommen wird, ob und wie mein Kind diesen als Märchen getarnten Kommerz-Blödsinn präsentiert bekommt.

Am Ende ist eine pragmatische Lösung wahrscheinlich das einzig Vernünftige: Ähnlich wie bei dem Fleisch-Thema pochen wir nicht auf eine Sonderbehandlung unseres Kindes, sondern haben zu Hause einfach unsere Regeln.

Unser Kind wird an keinem 24. Dezember Geschenke von jemandem im Weihnachtsmann-Kostüm entgegen nehmen.

Und was immer der Sohnemann an Herausforderungen aus der Kita mitbringt - ob nun den Wunsch nach einem Schnitzel oder einen Brief für den Weihnachtsmann - besprechen wir so gut es geht mit ihm, sobald es zu klären ist.


PS: Es kann gut sein, dass mein Kind in ein paar Jahren das einzige in seiner Kita-Gruppe ist, das nicht an den Weihnachtsmann glaubt. Und es kann gut sein, dass es das gegenüber anderen Kindern laut sagt. Genauso, wie der Kleine irgendwann unsere Gründe mit in die Kita oder Schule bringen wird, weshalb wir kein Fleisch essen.

Kinder sind extrem tolerant, um die Einbindung des Kleinen in seine Gruppe mache ich mir daher keine Sorgen. Aber ich habe gehört, manche Eltern können ein bisschen empfindlich reagieren, wenn ihnen auf eine Art, die sie als übergriffig wahrnehmen, Erziehungsentscheidungen abgenommen werden.

Mal sehen, was passiert.


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