Aktuell scheint es in Deutschland nichts mehr zu geben, was es eigentlich nicht geben könnte. Ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Kassel (VGH) konnte einem regelrecht in die Schockstarre versetzen. Um was geht es?
Gegen eine Entscheidung der dem Innenministerium nachgeordneten und somit nicht unabhängigen Verwaltungsbehörde – es handelte sich um den parteigelenkten Inlandsgeheimdienst in Hessen – wonach die AfD in Hessen als mögliche verfassungsfeindliche Partei von der Regierungspartei beobachtet werden darf, klagte die AfD. Die Entscheidung des parteigesteuerten Geheimdienstes datiert vom September 2022. Um es deutlich zu machen: Da beobachtet die Regierung (Exekutive) eine von Bürgern gewählte Partei (Legislative), die vom Bundesverfassungsgericht nicht verboten worden ist, weil die Regierung ihr unterstellt, sie sei verfassungsfeindlich. Gegen diesen Verwaltungsakt einer staatlichen Behörde – also keinem Gericht – legt die Partei Rechtsmittel beim zuständigen Verwaltungsgericht in Wiesbaden ein. Dieses entscheidet, dass die Regierung mit ihrem Inlandsgeheimdienst berechtigt sei, eine politisch zugelassene Partei zu beobachten, weil nach Auffassung der Verwaltungsrichter Gründe vorliegen, wonach die Partei als „Verdachtsfall“ beobachtet werden dürfe. Gegen dieses Urteil klagt die AfD erneut und sieht in dem Vorgehen des Gerichts eine politische Entscheidung. Ca. zwei Jahre später – zwischenzeitlich fanden eine Bundestagswahl und einige Kommunalwahlen statt – entschied nun der hessische Verwaltungsgerichthof in Kassel und bestätigte die Vorentscheidung des Verwaltungsgerichts.
Die Begründung des VGH ist so ungeheuerlich, dass man sich als Bürger dieses Staates, der sich noch einen Rest einer Achtung gegenüber staatlichen Institutionen bewahrt hat, obwohl man immer mehr wahrnehmen muss, dass die Demokratie bald ein Fremdwort in Deutschland sein wird, nur noch wundern kann und jegliches Vertrauen an diesen Staat verlieren muss.
Man kann nur jedem Bürger empfehlen, sich die Begründung des VGH gründlich anzusehen. Der AfD wird vorgeworfen, dass sie eine ethnische Sichtweise vertreten würde, weil sie meint, dass in Deutschland aktuell viele Personen unterschiedlicher ethnischem Hintergrund leben würden. Es wird der AfD weiter unterstellt, dass sie zwischen Deutschen ohne Migrationshintergrund und Deutschen mit Migrationshintergrund unterscheiden würde und hier menschenverachtend diskriminieren würde. Dem Verfasser dieser Zeilen ist es neu, dass solche Gedanken nicht mehr öffentlich formuliert werden dürfen und dass dies eine grundgesetzwidrige Handlung sei. Man könnte den Eindruck gewinnen, die Inlandsgeheimdienste in Deutschland legen fest, was demokratisch ist und vom Grundgesetz geduldet wird, während die Verwaltungsgerichte dann die Auffassungen dieser Inlandsgeheimdienste bestätigen und ihnen damit den juristischen Segen erteilen.
Noch unverständlicher wird der Vorwurf des VGH Hessen gegenüber der AfD. Das Gericht formulierte: „Es spräche auch einiges dafür, dass die AfD das Vertrauen der Bevölkerung in die Repräsentanten der Bundesrepublik Deutschland von Grund auf erschüttern und damit sogleich die freiheitlich demokratische Grundordnung in ihrer Ausprägung als Demokratie und Rechtsstaatsprinzip fragwürdig erschüttern lässt“. Wenn dies eine Begründung dafür ist, dass die AfD verfassungsfeindlich sein könnte, so kann man nur noch Angst vor solchen Gerichten haben, die nichts anderes machen, als grundgesetzwidrig die Meinungsfreiheit zu beenden. Wenn die Bürger nicht mehr kritisch Regierungshandeln bewerten dürfen, weil sie damit eine Delegitimierung des Staates vornehmen, dann sind wir wieder in einer konkreten Diktatur angekommen, jetzt allerdings mit dem Segen eines Gerichts. Es zeigt sich, dass dieser Staat offensichtlich tatsächlich jegliches Maß verliert, was meinungsmäßig zulässig sei oder auch nicht. Bei einer solchen Entscheidung eines Gerichts kann man als Bürger diesen Staat nicht mehr ernst nehmen, weil er sich offensichtlich bereits so angegriffen fühlt, dass jegliche Kritik als Staatsverbrechen angesehen wird. Der VGH Hessen sollte doch bitte einmal erklären, wie sich ein solcher Beschluss mit der im Grundgesetz verbrieften Meinungsfreiheit in Übereinstimmung bringen lässt. An dieser Überspitzung einer staatsgefährdenden Haltung von Bürgern wird nur noch deutlich, dass im Hinblick auf das Bestehen einer Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland einiges aus dem Ruder gelaufen ist. Und das macht Angst und führt weiter dazu, dass das Misstrauen einem solchen Staat und seiner Institutionen, zu denen auch Gerichte gehören, immer größer wird.
Letztlich hätte der jetzt vorliegende Beschluss die Konsequenz: Keine Kritik, sondern nur Zustimmung zum Staat, sonst werden Sie als Verfassungsfeind angesehen. Hatten wir nicht schon einmal eine solche Situation vor der sogenannten Wende und davor nach dem Ende der Weimarer Republik?
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