"Ich darf keinen Knoblauch essen - ich habe morgen einen Termin beim Zahnarzt!". Immer wieder höre ich diesen Satz. Regelmäßig kommen PatientInnen auf den Behandlungsstuhl, die sich entschuldigen, weil sie am Vortag lecker gekocht und knoblauchig gewürzt gegessen hatten. Immer wieder sind die Menschen verdutzt, wenn ich Ihnen sage, dass Knoblauchduft überhaupt kein Problem für uns sei und wir selber auch ab und an gerne Knoblauch äßen. Nein - es gibt viel schlimmere Gerüche, mit denen ich mich in meinem Beruf auseinandersetzen muss. Zum Beispiel Zigarettengestank. Es gibt tatsächlich noch RaucherInnen, die sich, kurz vor ihrem Termin eine toxische Inhalationspackung geben müssen und mir und meinen Mitarbeiterinnen den Arbeitstag verderben. Niemand kann euch von dieser ekeligen Sucht befreien - nur ihr selbst könnt dies. Es stinkt wirklich erbärmlich, wenn man in einem Mund arbeiten muss, der kurz vorher noch eine polytoxische Teeranwendung bekommen musste. Jeder Noch-immer-Raucher bekommt von uns ein Buch empfohlen (Allen Carr). Viele haben sich bedankt und haben mit Hilfe dieses Buches diese törichte Qualmerei aufgegeben. Manche bedanken sich noch nach Jahren für den Tip - wir lachen dann gemeinsam und freuen uns über gelungene Präventionsarbeit...

Zu den weiteren, wirklich unangenehmen Gerüchen in der zahnärztlichen Praxis zählen wir auch die Alkoholfahne. Es ist traurig, wenn Menschen in die Sucht abgleiten und meinen, niemand würde ihre Krankheit bemerken. Ich schweige nicht, sondern konfrontiere die PatientIn mit ihrer Alkoholfahne in der Hoffnung, einen wirksamen Anstoss zur Veränderung geben zu können.

Riecht es nicht knoblauchig, verqualmt oder alkoholisch, sondern faulig, so sind es stets schwefelhaltige Abgase. Abgase von Mitbewohnern, also unseren einzelligen Untermietern, die es sich überall dort gemütlich machen, wo es warm und feucht ist. Der Mund bietet paradiesische Voraussetzungen für possierliche, einzellige Vielfalt. Auch denjenigen unter den vielen Einzellern, die sich lieber im sauerstoffarmen Dunkel aufhalten (den biologieaffinen LeserInnen auch als "Anaerobier" bekannt) und durch schwefelhaltige und damit besonders gestanksintensive Abgase auffallen, müssen im Mund nicht um Obdach fürchten, weil es immer wieder Menschen gibt, die ein breites Angebot an geeigneten Schlupfwinkeln im Angebot haben.

Der Gewebeschlupfwinkel - die Zahnfleischtasche

Eine Tasche ist ein praktisches Behältnis mit zwei Henkeln, in der sich etwas transportieren lässt. Fallen die Henkel weg und ist diese Tasche im Munde lokalisiert, so spricht man von einer Zahnfleischtasche. Eine Zahnfleischtasche, ausreichende Tiefe sei vorrausgesetzt, eignet sich nicht nur zum Transport von Speiseresten, sondern bietet auch den bereits genannten Anaerobiern ausreichend Unterschlupf. Hierbei gilt die einfache Devise: Je tiefer die Tasche, desto besser, desto gemütlicher, desto stink. Anaerobe Luxusdomizile bieten in der Tiefe 5 Millimeter und auch gerne mehr. Wobei ab 8 Millimetern die für Einzeller so gemütliche Taschenwohnung in Gefahr gerät, die Kündigung droht, weil der Taschenanbieter, auch "Zahn" genannt, selbst in Existenznot gerät. Der Zahn gerät in Gefahr, weil er sich, mangels knöchernem Halt, sowohl spürbar, als auch sichtbar lockert. Die Zange, als natürlicher Feind des lockeren Zahnes avanciert damit auch zum Erzfeind vieler possierlicher Taschenbewohner, weil mit dem Zahn auch die stinkende Tasche verschwindet. Die Zunge als Spielwiese für faulgasproduzierende Einzeller nimmt sich im Vergleich gegen tiefe Zahnfleischtaschen geradezu unbequemer Campingplatz aus, bietet sie in ihren Furchen lediglich flache Taschen, deren Tiefe unterhalb eines Milimeters betragen. Stinkende Einzeller kuscheln sich viel lieber in tiefen, feuchtwarmen  Zahnfleischtaschen...

Taschenprävention - geht das überhaupt?

Nun könnte man meinen, so eine Tasche am Zahn muss doch nicht sein, wenn der Mensch nur ausreichend harte Kost zu sich nähme, damit dieser seinen Kieferknochen stärkt. Dazu muss aber zunächst eine Aufklärung geschehen, darüber, dass jeder Zahn trampolinähnlich an Fasern aufgehängt im Knochenfach auf Beschäftigung wartet und die beteiligten Kieferknochenzellen hartnäckige Zugkräfte mit Genuss registrieren, um damit immer neuen, noch stärkeren Knochen zu bilden. Parodontitis muss wirklich nicht sein - sie ist in den allermeisten Fällen vermeidbar, wenn harte und gerne auch faserige Kost die Regel wäre. Aber es scheint vielen Menschen überhaupt nicht bewusst zu sein, denn sonst gäbe es sie nicht, diese hohe Nachfrage nach schlabberigen Hackfleischklumpenbrötchen, mit viel Zucker in der roten Soße. Weiche Kost ist gleichbedeutend mit verordneter Arbeitslosigkeit für unsere wichtigen knochensubstanzbildende Zellen im Kiefer (für die biologieaffinen sei der Name dieser wichtigen Mitarbeiter genannt -"Osteoblasten"). Wenn keine Zugkräfte am Zahntrampolin eintrudeln, stellen die knochensubstanzbildenden Mitarbeiter ihre Arbeit ganz einfach frustriert ein und überlassen anschließend der Fraktion der stinkenden Taschenbildnern das Feld.

Jahrelanges Schlabberessen mag bequem sein in der taktilen lingualen Anmutung, chronischer Gebrauch wird aber stets mit tiefen Zahnfleischtaschen bestraft. Aber alles hat zwei Seiten. Aus der Sicht schwefelproduzierenden Einzeller hat Schlabberessen durchaus Vorteile: Es bietet einer exponentiell wachsenden Garnitur schwefelig furzender Einzeller nicht nur Logis, sondern auch Kost. Bekennende Bakterienfeinde, die sich nicht nur durch lebenslang festes Zahnwerk, sondern auch um Taschenarmut und Mundgeruchsfreiheit kennzeichnen, erkennt man an ihrer Vorliebe für hartes Schwarzbrot mit betonähnlicher Kruste. Harte Kost, als das Trainingsgerät für festes Zahnwerk - sie ist einer der Schlüssel für harten Kieferknochen ohne überflüssige, stinkende Zahnfleischtaschen.

Beißen Sie sich durch!