Mit erschreckender Regelmäßigkeit passiert es immer wieder: Der tragische Tod eines Kindes im Verlauf einer Narkosebehandlung beim Zahnarzt. Laut Bundeszahnärztekammer kam es in den vergangenen 10 Jahren in diesem Zusammenhang zu fünf schweren Zwischenfällen - vier davon mit tödlichem Ausgang.
Mir drängen sich bei diesem Thema zwei elementare Fragen auf:
- Warum nur gehen ZahnärztInnen das Risiko einer Narkosebehandlung bei Kindern ein, obwohl ihnen bekannt ist, dass für eine ambulante Narkose noch immer keine verbindlichen Mindest-Standards definiert sind?
- Warum nur gehen AnästhesistInnen das Risiko einer Narkosebehandlung bei Kindern ein, solange keine verbindliche Mindest-Standards definiert sind?
In meiner Zeit an der Uni-Klinik Aachen wurden regelmäßig Dentalsanierungen von PatientInnen im Kindesalter durchgeführt. Diese fanden stets im Operationsbereich statt. Im selben Bereich, der auch für alle anderen – weitaus komplizierteren Eingriffe – zur Verfügung stand. Operationsbereiche sind in jeder Klinik stets in direkter räumlicher Nähe zu den Intensivstationen (ICU) verortet. Etwaige Komplikationen, die nach einem Eingriff auftreten, können somit – ohne zeitliche Verzögerung – direkt behandelt und auch beherrscht werden.
Der Zeitbedarf bei der Behandlung von Kindern ist sehr unterschiedlich
Der Zeitbedarf einer Füllungstherapie kariöser Zähne bei Kindern ist enorm unterschiedlich und hängt ab von verschiedenen Faktoren ab, wie z.B. individueller Behandlungsbereitschaft („Compliance“) des Kindes, Vorhandensein von Ängsten usw. Eine Füllung im Kindesalter kann 5 Minuten dauern oder auch mal 30 Minuten. Der individuelle Zeitbedarf ist in den allermeisten Fällen für BehandlerInnen sehr gut zu kalkulieren, wenn ein Vertrauensverhältnis zwischen dem Kind und der BehandlerIn besteht. Bei einem größeren Sanierungsbedarf ist die Situation völlig anders. Hier sollte stets schrittweise vorgegangen werden, damit auch im Falle der Beteiligung des Zahnnervs („Pulpa“) eventuell auftretende Schmerzen nur punktuell – und nicht an mehreren Stellen des Kiefers gleichzeitig (!) auftreten können.
Die Verlockung - „in Narkose“ - alle kariösen Bereiche im kindlichen Gebiss „in einem Rutsch“ zu behandeln ist groß, aber leider aus zahnmedizinischer Sicht, im Sinne einer Schmerzprophylaxe, für die von hoher Kariesanfälligkeit betroffenen Kinder oftmals die schlechteste Lösung!
Hierzu auch mein Interview via Spiegel-online.
Narkosebehandlungen dürfen nur in Kliniken durchgeführt werden
Ich fordere daher ein sofortiges Verbot von Zahnsanierungen unter Narkose von Kindern in zahnärztlichen Praxen. Das Risiko von Komplikationen für die Kinder ist viel zu groß und steht in keinem vernünftigen Verhältnis zur Indikation! Im Falle einer Komplikationen droht Lebensgefahr!
Bei Zahnsanierungen unterscheidet man zwei Typen:
Die konservierende Dentalsanierung – hierbei erfolgt eine Füllungstherapie der von Karies befallenen Zähne.
Die chirurgische Dentalsanierung – hierbei erfolgt die Entfernung nicht erhaltungsfähiger oder auch nicht erhaltungswürdiger Zähne.
Bei Kindern im Milch- oder frühen Wechselgebiss wird auf Extraktionen auch stark zerstörter Milchzähne i.d.R. verzichtet, weil durch den Verzicht auf Extraktionen ein Eng- oder Fehlstand der nachfolgenden, bleibenden Zähne verhindert wird.