„Das Leben ist wie eine Schachtel Pralinen, man weiß nie, was man kriegt.
(Forrest Gump)
Placebo- und Noceboeffekte
Die Placebowirkungen und ihr Gegenspieler die Nocebowirkungen, sind Wirkungen die psychisch bedingt sind. Die Placebowirkungen und Nocebowirkungen beruhen nicht auf chemisch-physikalischen Wechselwirkungen im Organismus sondern auf Wahrnehmung von subjektiv bedeutsamen Erlebnissen und Umständen. Dies können Worte, Zeichen, Gesten, Farben, Formen, Erzählungen, gutes Zureden etc. sein. Praktisch alles, was wir an uns oder der Umgebung bewusst und unbewusst wahrnehmen, kann entsprechend erwarteter positiver oder negativer Eigenschaften zu realen körperlichen und psychischen Veränderungen führen. Das ist nicht auf die „Medizin“ beschränkt. Wichtig ist nur, dass es für die Betroffenen von Bedeutung ist. Das ist natürlich höchst subjektiv und unspezifisch.
Unter Placebos versteht man heute scheinmedizinische Leerpräparate – Scheinmedikamente – mit harmlosen Inhaltsstoffen (zum Beispiel Milchzucker, Stärke oder Kochsalz). Sie entsprechen aber in Aussehen, Geruch, Geschmack und Farbe einem echten Medikament. Auch Scheininterventionen – wie beispielsweise Scheinoperationen und Scheinakupunktur – werden im erweiterten Sinn als Placebo bezeichnet. Placebos können therapeutisch angewendet werden. In der medizinischen Forschung wird die spezifische Wirksamkeit von Medikamenten und Therapien gegenüber Placebos verglichen. Ein Medikament gilt dann als wirksam, wenn es über den Placeboeffekt hinaus wirksam ist.
Placeboeffekte nach Gabe eines Scheinmedikaments sind positive, oftmals auch objektiv nachweisbare Veränderungen des subjektiven Wohlbefindens eines Patienten, dem nicht bewusst ist, dass er nur eine Scheinmedikation erhalten hat. Die oftmals positive Wirkung eines Placebos, selbst bei Kindern und Tieren, ist längst unumstritten und wurde in verschiedensten Studien belegt. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass äußere Merkmale bei der Verordnung von Placebos eine große Rolle spielen. So erzielen sehr kleine und sehr große Tabletten bessere Effekte als mittelgroße. Rote Tabletten wirken oft besser als weiße, und ein gespritztes Placebo wirkt stärker als eine verabreichte Kapsel oder Tablette, besonders dann, wenn die Injektion von einem Arzt im weißen Mantel verabreicht wird. Kapseln haben außerdem einen besseren Einfluss auf Symptome als Tabletten oder Tropfen. Auch der Preis des Placebos hat einen Einfluss auf die Wirksamkeit. Je teurerer das Placebo, desto stärker seine Wirkung. Der unspezifische Therapieeffekt eines Placebos kann sogar noch verstärkt werden, wenn der Heiler selbst an die Heilwirkung glaubt und sich so dementsprechend suggestiv verhält. Placebos erzielten in verschiedenen klassischen Studien bei Leiden aller Art wie Migräne, Schlafstörungen, Angina pectoris und Asthmaanfällen Beschwerdefreiheit in durchschnittlich 30Prozent der Fälle.
Mit anderen Worten: Placebo ist nicht gleich Placebo. Das zeigte sich auch deutlich bei einer Schmerzstudie, veröffentlicht im „The Lancet“ 2006, wobei sowohl eine Scheinakupunktur an Nichtakupunkturpunkten (also ein Placebo, das mit einem eindrucksvollen Ritual verbunden ist), wie auch eine klassische chinesische Akupunktur etwas bessere Wirkung zeigten als gegen Schmerzen verabreichte Placebo-Tabletten.
Es gibt heute keinen Zweifel mehr über die Existenz dieser Effekte. Dem entsprechend wird heute versucht, die Wirkungsweise des klassischen Placeboeffektes auf neuronaler Ebene aufzuklären. Wie und wo kommt z.B. der Effekt einer nachweislichen Schmerzstillung bei Einnahme eines Placebos zustande. Was passiert im Gehirn? Placeboeffekte sind nicht eingebildete, subjektive Empfindungen, sondern haben ganz reale, nachweisbare neurophysiologische Korrelate. Es handelt sich dabei um Therapieeffekte, die nicht durch einen speziellen Wirkstoff ausgelöst werden, sondern durch Wirkung auf die Psyche – hier spielen Zuwendung, medizinische Rituale, Hoffnung und Vertrauen wesentliche Rollen – und die darauf folgende Freisetzung von körpereigenen Peptiden mit morphinähnlicher Wirkung und von Neuromodulatoren (Botenstoffen, die Informationen von einer Nervenzelle zur anderen über Kontaktstellen der Nervenzelle weitergeben) beziehungsweise Neurotransmittern, also chemische Substanzen, die die Arbeitsweise des Nervensystems

beeinflussen. Trotzdem muss klar gesagt werden, dass Krankheiten nicht kausal geheilt werden können. Placebo-Gaben können auch die Symptome von gefährlichen und lebensbedrohenden Erkrankungen derart mindern, dass eine Heilung vorgetäuscht wird. Das beruhigt Patienten und deren Angehörige, aber die Krankheit schreitet fort mit oftmals fatalen Folgen.
Placebos sind auch unerlässlich bei wissenschaftlichen Doppelblindstudien, bei denen echte Medikamente mit dem Scheinmedikament verglichen werden. Auch in der Homöopathieforschung wird immer wieder versucht, die Wirksamkeit unter Berücksichtigung dieses Effektes nachzuweisen. Der Placeboeffekt täuscht eine kausale Wirksamkeit vor. Ein Arzneimittel ist nur dann kein Placebo, wenn es imstande ist, eine pharmakologisch spezifische, in seriösen wissenschaftlichen Studien nachweisbare und beabsichtigte Heilwirkung zu erzielen. Scheinbehandlungen – und hier benötigt man nicht unbedingt überteuerte homöopathische Globuli – wirken nachweislich auch bei Kleinkindern und Tieren, denn beide reagieren intuitiv auf Zuwendung, Aufmerksamkeit und auf das erwartungsvolle Vertrauen der Bezugspersonen. Dass Kinder sogar stärker auf Placebos reagieren als Erwachsene, haben Forscher bereits in den 1980er-Jahren herausgefunden.
Placebos dürfen selbstverständlich nie eingesetzt werden, wenn der Patient an einer ernsten Erkrankung leidet beziehungsweise dann, wenn für ernsthafte Krankheiten bereits genügend erprobte Standardtherapien zur Verfügung stehen. Placebos werden jedoch manchmal von Ärzten bewusst und gezielt eingesetzt, wenn der Arzt davon überzeugt ist, dass der Patient – das gilt besonders für ängstliche Patienten und deren Angehörige – in Hinblick auf seine Beschwerden kein echtes Medikament benötigt. Eine derartige Handlung ist im Einzelfall ethisch vertretbar, wenn auch nicht ganz unproblematisch. Denn Placebos – wie etwa homöopathische Globuli – wirken dann am besten, wenn beide Teile, sowohl der Arzt als auch der Patient, an Homöopathie glauben. Sie sind aber bei skeptischen Personen weit weniger wirksam. An dieser Stelle darf außerdem die Frage gestellt werden, ob es denn überhaupt für Ärzte zulässig ist, Placebos zu verschreiben. Die Antwort lautet: Unter der Voraussetzung, dass Mediziner Scheinmedikamente ganz bewusst nur für harmlose und selbstlimitierende Erkrankungen verschreiben und es keine anderen Therapieoptionen außer einer Scheinbehandlung gibt.
Vorsicht ist deshalb geboten, weil Placebos in zwei Richtungen funktionieren. Sie erzeugen nicht nur erwünschte Reaktionen, sondern auch unerwünschte Nebeneffekte wie Magen-Darm-Beschwerden, Kopfschmerzen, Müdigkeit, Depression oder Erregung auslösen können. Es ist seit Langem bekannt und ebenfalls experimentell bewiesen, dass negative Erwartungen eines Patienten unerwünschte Nebenwirkungen auslösen können. Wenn Erwartungen zu Schmerzen oder anderen Symptomen führen, spricht man von einem Nocebo-Effekt. Er ist quasi der „böse Bruder“ des Placebo-Effekts
Die Entdeckung der Placebowirkung
Die Placebowirkung im heutigen medizinischen Sinn war bis Ende des 18. bzw. Beginn des 19. Jahrhundert als eigenes Phänomen noch unbekannt und als solche noch nicht definiert. Placebowirkungen hat es immer schon gegeben, aber die beobachteten Wirkungen wurden anderen vermeintlichen Ursachen je nach Situation zugeschrieben. Erst die moderne Medizin hat den Placeboeffekt an sich entdeckt, beschrieben und nachgewiesen. Die „Wirkungen“ dieses Effektes sind, und das muss betont werden, keine Einbildungen sondern real und nachweisbar.
Die ältesten geschichtlichen Aufzeichnungen über Medizin und Pharmazie sind an die 5000 Jahre alt und stammen aus Ägypten und Mesopotamien. Aus diesen und zahlreichen schriftlichen Belegen bis ins 20. Jahrhundert ist ersichtlich, dass die meisten in der Vergangenheit angewendeten Mittel und Methoden inklusive der Heilpflanzen nach heutigem Wissen wirkungslos waren. Praktisch gab es fast nur Placebos. Vieles davon war nicht nur schlicht wirkungslos sondern auch noch gesundheitsschädlich.
Der Begriff „Placebo“ ist religiösen Ursprungs und geht auf eine lateinische Bibelübersetzung zurück. Das lateinische Zeitwort „placere“ steht für „gefallen“, „gefällig sein“ und „Beifall finden“. Im Psalm 116, Vers 9 ist zu lesen: „Placebo Domino in regione

vivorum“. Wortwörtlich übersetzt: „Ich werde gefallen in Lande der Lebenden.“ Heute lautet die deutsche Übersetzung: „So gehe ich meinen Weg vor dem Herrn / im Land der Lebenden“. Dieser Psalm wurde zu Beginn von Totenvespern von den Trauernden gesungen. Seinerzeit sprach man vom „Placebosingen “ Dafür wurden auch „Placebosänger“ eigens engagiert, die nicht zu den Trauernden gehörten. Sie trauerten nur scheinbar mit dem „Placebosingen“. Sie wurden für „Placebo“ entlohnt. „Placebosingen“, bedeutete profan jemandem nach dem Munde reden. Als „Placebo“ wurden im Mittelalter Schmeichler, Schmarotzer Intriganten bezeichnet.
Im „Shorter Oxford Dictionary“ steht der Begriff 1811 erstmals für eine Medizin, die den Menschen mehr gefällt als nützt. Der bislang negativ konnotierte Ausdruck wurde nun zunehmend positiv gesehen. Placebo bedeutete ein Fortschritt gegenüber den abenteuerlichen Arzneitherapien früherer Jahrtausende. In Zeiten, in denen echte und unechte Arzneimittel nicht zu differenzieren waren, in denen Zauber und Magie selbstverständliche Ursachen für Heilung und Krankheit waren, war für Placebos und Nocebos gedanklich kein Platz. Erst schrittweise mit der Aufklärung verloren Götter, Geister und Dämonen ihre Bedeutung. Bis dahin gab es keine Notwendigkeit an Placebo- und Nocebowirkungen zu denken. Erst etwa zum Ende des 19. Jahrhundert entspricht der Begriff „Placebo“ unserem heutigen Verständnis.
Im 16. Jahrhundert zu Zeiten der Gegenreformation wurde versucht zwischen echter und unechter Besessenheit mit Hilfe von „Placebos“ zu unterscheiden. Exorzismus wurde auf Marktplätzen gleich einem Schauspiel öffentlich vollzogen. Man darf annehmen, dass auf diese Weise versucht wurde, die Existenz des „Teufels“ und die Macht Gottes bzw. seines Sohns Jesus zu beweisen. Die Besessenen wurden mit Reliquien, geweihten Hostien und lateinischen Bibeltexten von ihren Teufeln und Dämonen befreit. Es sollte sich zeigen, dass der Teufel bzw. die Besessenen auch auf unechte Reliquien und ungeweihtes Wasser also auf Placebos reagierten. Hier wurde die Wirkung von „Placebo“ im heutigem Sinn sichtbar.
Die Entdeckung der Placebowirkung ist mit Franz Anton Mesmer (1734-1815) verbunden. Mesmer war ausgebildeter Mediziner und praktizierte in Wien. Seine spektakulären Behandlungserfolge mit Magneten erklärte er mit dem von ihm postulierten „animalischen Magnetismus“. Darunter war, wie auch im Vitalismus eine Art allgegenwärtiger Lebenskraft, ein „Fluidum“, zu verstehen, das unsichtbar wie die Magnetkraft oder die Schwerkraft die Körper durchströmte. Krankheiten stellte man sich als eine Störung der Durchflutung mit dieser Lebenskraft vor. Mit Magneten und speziellen Berührungen könne man dieses „Fluidum“ wieder aktivieren.
Der Mesmerismus boomte wie auch andere nach heutigem Verständnis magische Methoden. Mesmer war aber keine Einzelerscheinung. Im Grunde „kopierte“ Mesmer die damals noch bestens bekannten öffentlich inszenierten Teufelsaustreibungen erfolgreich. Seine Behandlungen waren inszenierte Schauspiele. Obwohl seine Ansichten schon damals von Gelehrten als wissenschaftlich unhaltbar gebrandmarkt wurden, erfreuten sich seine Behandlungen und Séancen großer Beliebtheit. Franz Anton Mesmer polarisierte die Öffentlichkeit und die Ärzteschaft in Wien. Das dürfte der Grund gewesen sein, sich in Paris niederzulassen.
Auch in Paris war Mesmer bzw. seine Methode nicht unumstritten. So wurde im Jahre 1784 eine königliche Untersuchungskommission eingesetzt. Benjamin Franklin war einer der Vorsitzenden dieser Kommission. Es konnte demonstriert werden, dass die spektakulären Reaktionen auf die Behandlung mit den Magneten dann und nur dann auftraten, wenn die Versuchspersonen überzeugt waren, tatsächlich „mesmerisiert“ zu werden. Wurde das Schauspiel mit den Magneten versteckt, also verblindet, durchgeführt bzw. unterlassen, war es mit den sensationellen Wirkungen des postulierten „animalischen Magnetismus“ vorbei. Die Versuchspersonen reagierten immer nur dann, wenn sie fest überzeugt waren, dass Mesmer sie mit seinen Magneten „behandelte“
Fazit der Untersuchung war, dass die spektakulären „Reaktionen“ auf das „Mesmerisieren“ nicht auf irgendwelchen noch unbekannten Kräften und Wirkungen eines „animalischen Magnetismus“ beruhten. Ursache der spektakulären Wirkungen waren nur das Charisma von Mesmer, der Glauben an die Wirksamkeit seiner Heilmagnete und die beindruckende Inszenierung der Behandlung. Die Wirkung wurde – in damaligen Worten – lediglich durch „Imagination“ erzeugt. Das war ein erster dokumentierter Nachweis einer „Placebowirkung“.
Ziel der Untersuchung war in erster Linie herauszufinden, ob der „animalische Magnetismus“, der als Ursache für die spektakulären Wirkungen propagiert wurde, überhaupt

existiert. Seit damals wird zwischen „physischen“ und „psychischen“ Wirkursachen getrennt. Bis dahin stellte sich die Frage nach einer kausalen Wirkung nicht. Man sah, dass es wirkte und das genügte. Von nun an entwickelte sich die wissenschaftliche Medizin. Mittel oder Therapien wurden erst dann als „richtig“ wirksam angesehen, wenn nachgewiesen werden konnte, dass ihre Wirkung unabhängig von den Erwartungen und dem Glauben der Erkrankten und Ärzte eintrat. Durch bloße „Imagination“, nach heutiger Terminologie mit „Placebo“, zu wirken bzw. heilen, war damals schon suspekt. Es sollte aber noch ca. 150 Jahre dauern, bis die Tragweite der Placebowirkung vollständig in der medizinischen Forschung, Lehre und der Berufsausübung erkannt und berücksichtigt wurde.
Franz Anton Mesmer behauptete nicht, übersinnliche Fähigkeiten zu besitzen, aber seine Inszenierung des „animalischen Magnetismus“ war gleich wirksam bzw. unwirksam wie das Schauspiel Exorzismus. Das Charisma, das Gehabe von Wunderheilern, Gurus aber auch Priestern etc. und die Ausstattung, das Flair der Räumlichkeiten und der Umgebung etc., muss für die jeweilige Anhängerschaft entsprechend beeindruckend sein. Aus diese Weise heilen wunderkräftige Reliquien in Wallfahrtsorten und der Blick von Braco. Diese Enttarnung eines Schauspiels bzw. des Schauspielers Arzt als wirksame Komponente, der damals als Hysterie bezeichneten Erscheinung, war aber auch eine Bestätigung für die Nichtexistenz einer Wirkung „jenseitiger“ Heilkräfte in der Medizin. Mit diesem ersten Nachweis einer Placebowirkung wurde auch die Selbsttäuschung des Therapeuten bewiesen. Mesmer war, wie alle Heiler auch heute, von seiner Methode absolut überzeugt. Die Enttarnung stoppte seine Kariere nicht.
Mit dieser Untersuchung wurde auch nachgewiesen, dass der Erfolg ärztlicher Handlungen praktisch immer auf zwei Ursachenketten beruht. Die Wirkung kann im Glauben an den Therapeuten bzw. sein „therapeutisches Schauspiel“, seiner Methode und seinem Mittel liegen. Das ist die Placebowirkung. Wenn die Wirkungen stofflich kausal bedingt sind, also von der Methode und dem Mittel abhängig sind, ist die Wirkung spezifisch. Placebowirkungen und Nocebowirkungen sind immer gegeben und können die spezifische kausale stofflich bedingte Wirkung von Mitteln und Methoden steigern oder mindern.
Franz Anton Mesmer behauptete nicht, übersinnliche Fähigkeiten zu besitzen. Seine Inszenierungen waren gleich wirksam bzw. unwirksam wie religiöse oder abergläubische Rituale. Als wirksame Komponenten einer medizinischen Behandlung“ wurden das „therapeutische“ Schauspiel und das Charisma des Arzt erkannt. Damit wurden auch die Wirkungslosigkeit bzw. Wirkung „jenseitiger“ Heilkräfte in der Medizin erklärt. Das Charisma und die „therapeutischen“ Inszenierungen der Heiler und Wundertäter mussten nur gleich beeindruckend sein wie z.B. die Anrufung von Heiligen und die Präsentationen wunderkräftiger Reliquien in Gnadenorten. Mit diesem ersten Nachweis einer scheinbaren Wirkung, der Placebowirkung, wurde auch die Selbsttäuschung des Therapeuten bewiesen. Mesmer war, wie alle Heiler auch heute, von seiner Methode absolut überzeugt. Die Enttarnung stoppte seine Kariere nicht.
Diese Erkenntnis veränderte die Entwicklung der Medizin mit der Zeit nachhaltig. Heute wird in der Medizin zwischen Wirkungen unterschieden, die auf einer objektivierbaren medizin- bzw. naturwissenschaftlich nachgewiesenen Evidenz beruhen. Und im Unterschied dazu sind andrerseits die Wirkungen, die nur mit Anekdoten, Anwendungsberichten und dergleichen mehr belegt werden können. Die Erfahrung hat gezeigt, dass persönliche Beobachtungen, Erlebnisse und Anekdoten, egal wie prominent Behandler und Behandelte sind, nicht als Beweise genügen, um einen ursächlichen Zusammenhang, eine spezifische Wirkung beweisen zu können. Mittlerweile gibt es eine umfangreiche Placeboforschung. Auch die beobachten Effekte bzw. die scheinbare Wirkung der Homöopathie können mit unserem naturwissenschaftlich abgesicherten, erprobten und objektivierbaren Erkenntnissen in Medizin und Biologie bestens und hinreichend erklärt werden.
Seit damals wird zwischen „physischen“ und „psychischen“ Wirkursachen getrennt. Bis dahin stellte sich die Frage nach einer kausalen Wirkung nicht. Man sah nur, dass es wirkte und das genügte. Von nun an wurden in der wissenschaftlichen Medizin Mittel oder Therapien erst dann als „richtig“ wirksam angesehen, wenn nachgewiesen werden konnte, dass ihre Wirkung unabhängig von Erwartungen und Glauben von Erkrankten und Ärzten eintrat. Durch bloße „Imagination“ zu wirken bzw. heilen, war damals schon suspekt.
Nachweis von Placebo- und Noceboeffekten
Placeboeffekte nachzuweisen ist ein Kapitel für sich. Nur mit zum Teil rigorosen Vorkehrungen wie einer absolut sicheren Verblindung und einer wirklich zufälligen

Gruppenildung der Teilnehmer, die sicherstellt, dass nicht in einer der beiden Gruppen irgendwelche Merkmale wie z.B. Vorerkrankungen, Durchschnittsalter, Milieu oder bestimmte Belastungen usw., die für die Behandlung von Bedeutung sein können, versteckt vorhanden sind, lässt sich dieser Effekt bestimmen. Und auch die Beurteilung des Therapieeffektes muss verblindet sein, denn die Erwartungshaltung der Prüfer und der Ärzte, die einen Therapieerfolg beurteilen, kann neben dem Placeboeffekt zu erheblichen Verzerrungen führen.
Was ist ein wirksames Mittel?
Als wirksam werden Therapien und Mittel bezeichnet, für die der Nachweis einer spezifischen bzw. kausalen Wirkung erbracht werden kann. Dieser Nachweis gilt als erbracht, wenn eine Wirksamkeit über die Placebowirkung hinaus nachweisbar ist. Dieser Nachweis ist jedoch nicht so einfach, wie es scheint, und es hat sehr lange gedauert, bis man die zahlreichen Faktoren erkannte, die eine objektive Beurteilung der Wirksamkeit behindern.
Es hat sich gezeigt, dass offenkundig eindeutige Beobachtungen oder Wahrnehmungen also Anekdoten, sei es an sich selbst oder anderen, durchaus zu grob falschen Schlüssen führen können. Im Kern geht es darum, dass wir grundsätzlich jede Abfolge von Ereignissen bzw. Beobachtungen kausal verknüpfen. Verknüpft werden kann aber nur das Offensichtliche, das uns in irgendeiner Art und Weise beindruckt. Vorrangig für unser Urteil ist, was wir selbst unmittelbar persönlich sehen und spüren. Hier wird über die Kausalität spontan und fix entschieden. Es ist auch klar, dass es auch sehr von der Person dessen Bildung, Ausbildung und Erfahrung abhängt, welche diesbezüglichen Faktoren bekannt sind. Und nur irgendwie Bekanntes kann beeindrucken und damit ins Kalkül gezogen werden. Was als kausale Ursache einer Beobachtung angenommen oder empfunden wird, ist so gesehen sehr relativ.
Gerade in der Medizin können viele Faktoren zu einer Heilung beitragen, die teils nicht bekannt sind, nicht immer offensichtlich sind, nur manchmal zum Tragen kommen und dergleichen mehr. Der Verlauf einer Krankheit und die Heilung können daher nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit vorhergesagt werden. Der Bogen reicht von sehr sicheren Prognosen für ein vollständiges Ausheilen bis hin zu Prognosen, nach denen eine Heilung erfahrungsgemäß nicht mehr zu erwarten ist. Zufällige Heilungen, also Heilungen für die es keine plausiblen Erklärungen gibt, gibt es immer.
Wenn nun beispielsweise ein „Therapeut“ behauptet, durch Tragen eines speziellen chemisch und physikalischen vollkommen inerten Plastikanhängers um den Hals herum Depressionen heilen zu können, so scheint es eindeutig zu sein, dass diese Methode nicht wirksam sein kann. Wie sollte das auch möglich sein, wenn nach allen uns zur Verfügung stehenden Erkenntnissen, und das sind ja nicht wenige, dieses Stückchen Plastik nichts enthält, nichts abgibt oder ausstrahlt, das mit dem Organismus des Trägers in irgend einer Art und Weise in Wechselwirkung treten kann. Und wie soll ohne chemisch-physikalische Wechselwirkung irgendein Effekt zustande kommen?
Dennoch wird es aber so sein, dass es immer einige Behandelte geben wird, die absolut überzeugt sind, dass ihnen genau diese Behandlung sehr geholfen hat. Diese werden das nicht nur berichten, sondern es entspricht auch den Tatsachen. Das heißt, im Rahmen einer Wirksamkeitsuntersuchung ist feststellbar, dass es tatsächlich bei einer bestimmten Anzahl von Personen zur Besserung kommt. Aber was hat geholfen? Wie soll man sich diese Hilfe erklären?
Jetzt gibt es mehrere Möglichkeiten diesen Umstand zu erklären. Die konventionelle Medizin wird anführen, dass hier eine Placebowirkung vorliegt und auch Depressionen von selbst und auch noch durch viele andere Umstände heilen oder wieder vergehen können. Faktum ist, dass in unserem Fall ein Teil der Erkrankten mit Amulett gesundet.
Es ist ganz egal, mit welcher an sich harmlosen Prozedur oder welchem völlig wirkungslosen Mittel behandelt wird, es gibt immer je nach Krankheit eine gewisse Erfolgsrate. Diese Erfolgsrate kann je nach Umständen und Krankheit mehr oder weniger groß sein. Zur Erzielung dieser Rate ist es aber egal, welche unwirksame Prozedur stattfindet.
Wichtig ist, dass die Methode oder das Mittel ein anerkannt positives Image bei den Behandelten haben. Andernfalls könnte auch der gegenteilige Effekt auftreten und die Beschwerden nehmen zu. Erst dann, wenn der Erfolg eines Mittels oder einer Methode über dieser immer zu erwartenden Erfolgsrate einer Placebowirkung liegt, kann von einer

spezifischen bzw. kausalen Wirksamkeit ausgegangen werden.
Die Anhänger dieses Therapeuten und seines Plastikanhängers jedoch werden diese komplexen Erklärungen nicht gelten lassen. Je nach persönlicher Bildung und Überzeugung wird völlig anders argumentiert werden. Gründe ohne Zahl werden genannt werden, die eine spezifische bzw. kausale Wirkung des Plastikanhängers nahelegen. Es wird versucht, der Heilung eine einfache ins jeweilige Weltbild passende Logik zu verpassen.
Das Feindbild dieser einfachen höchst subjektiven ad hoc Kausalisierungen ist der Placeboeffekt in allen seinen Facetten. Der Placeboeffekt lässt sich aber nicht mit der einfachen „nachher ist gleich weil“ Logik beobachten. Es bedarf dazu wissenschaftlicher Werkzeuge. Unser Empfinden und unsere Wahrnehmung ist von der Evolution her trainiert, immer eine einfache und direkte Beziehung zwischen Ursache und Wirkung zu sehen, auch dann, wenn es keine unmittelbar fassbare Ursache gibt. Der Placeboeffekt im weitesten Sinn und mit ihm verbunden die Selbstheilung, das ist auch so ein schwammiger Begriff, der so gerne zitiert wird, sind das Resultat von vielen möglichen Einflüssen, aber er kann nicht auf einer kausalen Wechselwirkung des Placebos beruhen.
Nun gibt es schon seit jeher Amulette, die durch Zauberei oder hilfreiche Geister wirken sollen. Geister und Zauberei haben den Vorteil, dass nicht mühsam eine naturwissenschaftliche Kausalität zusammen konstruiert werden muss. Aller Aufklärung zum Trotz wird heute auch wieder mit Geistern und Dämonen argumentiert. Es wird schlicht wieder wie in alten Zeiten an die Wirksamkeit jenseitiger und übersinnlicher Wesen und transrealer Kräfte geglaubt. Dafür steht, und das ist wirklich nicht mehr zu übersehen, ein breites Spektrum von religiösen bis parareligiösen Überzeugungen zur Verfügung. Wenn jemand z.B. an die Wirkung einer Phantasiegöttin oder eines Fantasieengels mit dem soeben erfundenen Namen „Astralixa“ glaubt, dann ist es mit Aufklärung vorbei.
Für die weniger spirituell veranlagten Anhänger, darf es aber kein Amulett sein, das im klassischen Sinn durch jenseitige Kräfte wirkt. Es ist daher notwendig, dass die Erklärungen zur Wirkung irgendwie in unser heutiges in unseren Breiten (noch) vorherrschendes von Naturwissenschaft und Aufklärung geprägtes Weltbild passen müssen. Also werden entsprechende Argumentationen unter Zuhilfenahme der modernen Naturwissenschaften aufgebaut, denn andernfalls würde man Gefahr laufen, für geistergläubig gehalten zu werden. Die Naturwissenschaften einschließlich Biologie und die Medizin erklären das „Leben“ heute ohne Geister besser denn je. Um nun doch überzeugend zu sein, wird mit Begriffen argumentiert, die wissenschaftlich klingen. Mit Geistern ist wissenschaftlich nichts zu erklären. Die wissenschaftliche Argumentation der Homöopathen ist somit zwangsläufig pseudowissenschaftlich.
Placebo und Nocebo im Alltag
Placebo- u. Noceboeffekte sind nicht auf Arzneimittel beschränkt. Gesundheitlich positive bzw. negative Auswirkungen haben auch Warnhinweise und Gesundheitsversprechen auf Lebensmitteln. Auch Matratzen, Wandfarben und dergleichen mehr können positive und negative Wirkungen haben, wenn negative oder positive gesundheitliche Effekte entsprechend eindrucksvoll medial verkündet werden. Auch die Angst vor Giftstoffen kann krank machen. Jede Diskussion über Anpassungen von erlaubten Grenzwerten für z.B. Schwermalle oder Formaldehyd etc. kann zu Beschwerden führen.
Nichtallergiker zeigen allergische Reaktionen, wenn z.B. ein erhöhter Gehalt an Histamin deklariert wird und es werden vermehrt Beschwerden im Magen und Darmbereich berichtet, wenn z.B. auf Gluten oder Laktose hingewiesen wird. Bei Aktionen gegen Mobilfunkmasten werden zahlreich Beschwerden gemeldet und das auch dann, wenn der Betrieb noch gar nicht aufgenommen wurde. Ein entsprechender Wetterbericht erhöht signifikant rheumatische Beschwerden. Selbstverständlich haben Ergänzungsnahrungsmittel auch weitgehende Placebowirkungen. Es gibt hier auch Überschneidungen mit Arzneimitteln. So zeigt ein Ergänzungsnahrungsmittel mit entsprechendem Gehalt an Magnesium die gleichen arzneilichen Wirkungen eines entsprechenden arzneilichen Magnesiumpräparates.
Heute sind Beschwerden durch Elektrosmog oder Handystrahlen gang und gäbe. Auch hier ist das gleiche Bild zu beobachten. Es gibt zahlreiche Betroffene, die nicht nur Angst haben, erkranken zu können sondern auch ein wiederkehrendes Spektrum von mehr oder weniger ähnlichen und bestätigten Beschwerden haben. Die Betroffenen leiden real. Und auch hier ist es bis dato nicht gelungen, die z.B. Elektrosensibilität zu beweisen. Unter

kontrollierten, doppelt verblindeten Versuchsreihen gewinnt der Zufall. Aber trotz augenscheinlichen Misserfolgen im Nachweisen von „Elektrosmog“ hat noch kein Pendler seinen Beruf aufgegeben. Am nächsten Tag wird die nächste Wohnung ausgependelt. Das Umstellen der Betten ist noch mit keinen Kosten verbunden aber die skurrilen Gerätschaften, die vor den vermeintlich schädlichen Auswirkungen des Elektrosmog schützen sollen, kosten Geld.
Die Geschichte des „China-Restaurant-Syndroms“ ist typisch für Nocebowirkungen. In Jahre 1968 (!) schrieb der chinesisch stämmige amerikanische Arzt Robert Ho Man Kwok einen Brief an das „New England Medical Journal“. Er beschrieb darin wiederkehrende Beschwerden wie Taubheit im Nacken oder Herzrasen, Schwächegefühle nach dem Besuch von Chinarestaurants. Eine neue Erkrankung, Chinarestaurantsyndrom genannt, entwickelte sich zum Renner. Und es dauerte nicht lange, bis man die vermeintliche Ursache fand. Das Glutamat wurde als Ursache für die Beschwerden auserkoren. Bis heute ist es aber nicht gelungen nachzuweisen, dass Glutamat der eigentliche Auslöser ist. Es wird verdrängt, dass Glutamat, eine nicht essentielle Aminosäure, ein natürlicher Bestandteil in Lebensmitteln ist. Betroffene sind in zahlreichen Selbsthilfegruppen organisiert und haben nachgewiesene Beschwerden. Fakt ist, dass die Betroffenen dann und nur dann Beschwerden haben, wenn sie überzeugt sind, dass Glutamat zugesetzt wurde. Die Wirkung, eine klassische Nocebowirkung, kann mit Glutamatplacebos ausgelöst werden.
Mit allen Beschwerden und den zahlreich verbreiteten Ängsten kann man auch Geld verdienen. Die Angstgewinnler haben sich breit gemacht. Scharlatane und Wunderheiler haben es immer schon perfekt verstanden, Ängste gewinnbringend aufzugreifen. Neu ist, dass ganze Industriezweige das auch betreiben. Subtil wird Angst vor allem, was als unnatürlich, unbiologisch, chemisch und dergleichen mehr bezeichnet werden kann, gesät und mit „sanft“, „nebenwirkungsfrei, „bio“ und „natürlich“ etc. wird geerntet. Diese Kunst beherrschen die Homöopathen perfekt.
Rational begründbar sind diese Ängste angesichts der gestiegenen immer noch steigenden Lebenserwartung und des allgemeinen Gesundheitszustandes nicht, wenn man von zahlreichen Beschwerden durch Bewegungsarmut und Überernährung einmal absieht.
Eine durchaus notwendige und verschärfte Lebensmittelkennzeichnung führt zu mehr Angst und zu einer Steigerung von entsprechenden Beschwerden. Mit der Angst vor z.B. Lebensmittelzusatzstoffen kann man Geld verdienen. Ich frage mich immer, wie Gluten und Laktose in den Schinken kommen sollen, denn üblicherweise enthält Schinken weder Mehl noch Milch, kann also Gluten und Laktose nicht enthalten. Hinweise darauf sollen doch diesbezüglich empfindliche Konsumenten vor bestimmten Inhaltstoffen aufmerksam machen? Der Warnhinweis wurde zum Qualitätsmerkmal umfunktioniert. Lebensmittel sind nur dann bekömmlich, wenn sie gluten- und laktosefrei sind. Man könnte mit diesem Warnhinweis auch die Qualität von Kaffeebohnen steigern.
Selbstverständlich gibt es Unverträglichkeiten und allergische Reaktionen auf bestimmte Nahrungsmittel und Zusatzstoffe, aber so zahlreich, wie es scheint, sind diese Ereignisse nun doch wieder nicht. Es hapert wie bei vielen derartigen Phänomenen beim Nachweis der Kausalität. Mit zunehmender Bekanntheit scheint die Häufigkeit überproportional anzusteigen.
Die Gemeinsamkeiten mit dem Placeboeffekt sind unübersehbar. Diese Phänomene können nicht einfach mit dem Begriff „Einbildung“ oder „Täuschung“ abgetan werden. Selbstverständlich gab und gibt es hier bestätigte Diagnosen, Heilungen und Beschwerden. Und auch hier kommt das ganze Spektrum an Faktoren und Phänomenen zum Tragen, die auch den Placeboeffekt begleiten. Die Leiden der Betroffenen sind nicht eingebildet. Die Menschen haben echte Beschwerden und diese auftretenden Beschwerden sind als solche objektivierbar. Leider kennt unsere Sprache keine Vokabel, mit denen diese Phänomene wertfrei beschrieben werden können, ohne gleichzeitig den Betroffenen nicht irgendwie Einbildung, Hypochondrie, Täuschbarkeit und übertriebene Empfindlichkeit zu unterstellen.
So einfach, wie die Definition des Placeboeffektes ist, so schwierig und diffizil ist der Umgang mit diesem Effekt. Dem Effekt haftet an, dass er vor allem bei anderen zu beobachten ist, und man selbst von diesem Effekt nicht betroffen sein kann. Ich habe es doch selbst so zweifelsfrei beobachtet und gespürt, dass jede Täuschung auszuschließen ist. Es kann keine Scheinwirkung sein. Den Placeboeffekt annehmen, bedeutet zu akzeptieren, dass man selbst auch irgendwie und immer einer unbewussten Manipulation zugänglich ist. Und das – bitte – kann ja nicht sein. Wer will sich schon eingestehen, nicht immer ganz bei Sinnen

zu sein?
Ich erwähne diese Geschichten, um ihnen zu zeigen, dass die Homöopathie kein historischer Einzelfall einer höchst erfolgreichen und obskuren Lehre ist und dass gleich wie bei der Anwendung von Homöopathika viele Verfahren und vermeintliche Wirkstoffe oder Gifte umfangreiche Wirkungen haben. Gemeinsam ist allen diesen Effekten, dass ab einem gewissen Bekanntheitsgrad der möglichen oder vermuteten Wirkungen, diese auch nachweislich auftreten.
Viele Verfahren und Mittel, die als obskur anzusehen sind, wenn man die Messlatte des modernen gesicherten Wissens angelegt, erzielten große Erfolge. Passieren kann das alles nur, weil unsere Wahrnehmung eine Kausalität herstellt, die so nicht gegeben ist. Diese Kausalität begründet sich im Bereich unserer Wahrnehmung. Niemand ist vor dieser Konditionierung gefeit. Die dazu passende scheinbare Kausalität wird in den Medien breitgetreten.
Diese nachkonstruierte Kausalität passt perfekt zur Wahrnehmung und ist daher sehr mächtig. Unter diesen Umständen wird die Homöopathie unwiderlegbar logisch. Warum sollte es nicht so sein, wo doch in wesentlichen klareren und offensichtlicheren Fällen, es nicht gelingt den Glauben an eine bestimmte Wirkung oder an einen bestimmten Zusammenhang zu beenden?
Gestern Massenhysterien – heute Modeerkrankungen u. Modetherapien
Ein Stichwort möchte ich nennen: „Massenhysterie“. Dieser Ausdruck ist aus der Mode gekommen. Heute sprechen wir von einem Boom oder einem Hype. Das klingt auch schon viel besser. Hysterie ist viel zu negativ konnotiert. Moden in der Medizin hat es schon immer gegeben. Bestimmte Diagnosen, Erkrankungen, Mittel und Therapien hatten über längere und kürzere Zeiträume hinweg immer schon großen Erfolg und machten ihre „Erfinder“ reich. Wir befinden uns hier im Reich der Placebowirkungen.
Der Aderlass ist ein gutes Beispiel für eine höchst erfolgreiche aber sehr schädliche Therapie, wie wir heute wissen. 2000 Jahre lang hat er gewirkt. Die ausführliche Geschichte des Aderlasses ist das Einleitungskapitel in „Heilen ohne Pillen“ (Simon Sing u. Edzard Ernst, engl. Originaltitel „Trick or Treatment“). Mit diesem Beispiel sollte gezeigt werden, dass ein Erfolg keineswegs nur mit harmlosen sondern auch mit höchst belastenden und schädigenden Therapien über lange Zeiträume hinweg möglich ist. Hahnemann hat den Aderlass abgelehnt und so, wie wir heute wissen, einen Grundstein für den Erfolg der Homöopathie gelegt.
Die Geschichte der „Metallic Tractors“, auch als „Magnetic Tractors“ bezeichnet, wird von Simon Sing/Edzard Ernst in “Heilen ohne Pillen“ erwähnt sowie von Grete de Francesco in „Die Macht des Scharlatan“ (Basel 1937) ausführlich beschrieben.
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts propagierte Elisha Perkins (1741 – 1799), ein erfolgreicher Arzt und gelegentlicher Maultierhändler aus Connecticut die Anwendung von „Metallic Tractors” zur Behandlung verschiedener Krankheiten von Menschen und Pferden. Diese patentierten „Tractors” (kleine schmale Keulen aus Metalllegierung) wurden bis zu 20 Minuten über die erkrankten Areale geführt, um das schädliche „elektrische Fluidum“ herauszuziehen, das als Ursache von Erkrankungen angesehen wurde. Viele Patienten und Beobachter wurden von spontanen Heilerfolgen überzeugt und veröffentlichten Anekdoten. Perkins wurde sehr reich. „Elektrizitätszaubereien“ waren um die Jahrhundertwende in der Medizin generell große Mode.
Die Manie schwappte auch nach England hinüber. Die Royal Medical Society ging in Knie, gab dem Publikumsdruck nach und erlaubte die Verwendung im vereinigten Königreich. Die Hysterie wurde durch den bescheidenen prakt. Arzt Dr. John Maygarth aus Bath und seinem Freund Dr. Falconer beendet. Sie fälschten die „Metallic Tractors“ aus Holz und verkauften diese Imitationen an etliche bekannte Ärzte. Diese Fälschungen wurden nicht erkannt und waren genauso “wirksam” wie die Originale. Als aber der bewusste Betrug zum Beweis der Wirkungslosigkeit aufdeckt wurde, war es mit dem Boom vorbei.
Nachweis der Placboeffekte

Die Definition des Placeboeffektes kann unterschiedlich weit gefasst sein. Der Placeboeffekt wird nicht durch chemisch-physikalische Eigenschaften hervorgerufen. Auch die Ausstattung und die Umgebung einer Ordination, das Erscheinungsbild des Arztes etc. sind bekannte Faktoren der Placebowirkung. Der weiße Arztkittel ist in diesem Sinne ein klassisches Placebo. Der gegenteilige Effekt ist der Noceboeffekt. Dieser Effekt ist die logische Umkehrung. Negative Erwartungen führen zu negativen Effekten, verzögerten Heilungsverläufen. Faktum ist, das Ängste zu realen Beschwerden führen können. Es muss nur entsprechend bekannt gemacht werden. Nach dem Lesen der Nebenwirkungen im Beipacktext haben die Patienten auch nachweislich vermehrt die dazugehörigen Beschwerden.
Placeboeffekte nachzuweisen ist ein Kapitel für sich. Nur mit zum Teil rigorosen Vorkehrungen wie einer absolut sicheren Verblindung und einer wirklich zufälligen Gruppenildung der Teilnehmer, die sicherstellt, dass nicht in einer der beiden Gruppen irgendwelche Merkmale wie z.B. Vorerkrankungen, Durchschnittsalter, Milieu oder bestimmte Belastungen usw., die für die Behandlung von Bedeutung sein können, versteckt vorhanden sind, lässt sich dieser Effekt bestimmen. Und auch die Beurteilung des Therapieeffektes muss verblindet sein, denn die Erwartungshaltung des Arztes, der einen Therapieerfolg beurteilt, kann neben dem Placeboeffekt zu erheblichen Verzerrungen führen.
Da die Existenz des Placeboeffektes heute nicht mehr in Abrede zu stellen ist, wird auch in der Homöopathieforschung versucht, die Wirksamkeit unter Berücksichtigung dieses Effektes nachzuweisen. So richtig Freude kommt aber dabei nicht auf. Wie man sich denken kann, steht der Placeboeffekt, der als Ursache und Erklärung der Wirkung von Homöopathika sehr wichtig ist, den Untersuchungen, eine kausale Wirksamkeit der Homöopathie zu beweisen, naturgemäß im Wege.
Die beobachten Effekte bzw. die scheinbare Wirkung der Homöopathie können bestens und hinreichend erklärt werden. Heute ist die Evidenz basierte Medizin Standard. Sie beruht auf naturwissenschaftlich abgesicherten und replizierten Erkenntnissen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass persönliche Beobachtungen und Anekdoten nicht als Beweise genügen, um einen ursächlichen Zusammenhang behaupten zu können.
Bereits im Jahre 1835 fand der Nürnberger Kochsalzversuch statt. Auf Betreiben der Homöopathen wurde versucht, die Wirksamkeit der Homöopathie durch Verabreichung einer potenzierten Kochsalzlösung zu beweisen. Dazu wurden die von den Probanden berichteten Symptome ausgewertet. Dieser Versuch entsprach schon damals allen heutigen Standards, um ein aussagekräftiges Ergebnis sicherzustellen. Die Daten halten auch einer modernen statistischen Auswertung stand. Für diesen Versuch wurden umfangreiche Vorkehrungen unternommen, um den Einfluss der „Imagination“ auszuschließen. Heute versteht man darunter die Placebowirkung. Heute erklären Heilpraktiker, Energetiker und Homöopathen die beobachtbaren Wirkungen als „kausale“ Wirkungen von „neuen“ und „unbeweisbaren“ Kräften mit beeindruckenden, wissenschaftlich klingenden, Namen. Um jeder Diskussion aus dem Weg zu gehen und nicht wegen Widersprüchen zu medizinischen und biologischen Fakten belangt zu werden, ist auch zu lesen, dass eben die Wirkung nicht wissenschaftlich belegt und erklärt werden kann.
Was ist ein wirksames Mittel?
Als wirksam werden Therapien und Mittel bezeichnet, für die der Nachweis einer spezifischen bzw. kausalen Wirkung erbracht werden kann. Dieser Nachweis gilt als erbracht, wenn eine Wirksamkeit über die Placebowirkung hinaus nachweisbar ist. Dieser Nachweis ist jedoch nicht so einfach, wie es scheint, und es hat sehr lange gedauert, bis man die zahlreichen Faktoren erkannte, die eine objektive Beurteilung der Wirksamkeit behindern.
Es hat sich gezeigt, dass offenkundig eindeutige Beobachtungen oder Wahrnehmungen, sei es an sich selbst oder anderen, durchaus zu grob falschen Schlüssen führen können. Im Kern geht es darum, dass wir grundsätzlich jede Abfolge von Ereignissen bzw. Beobachtungen kausal verknüpfen. Verknüpft werden kann aber nur das Offensichtliche, das uns in irgendeiner Art und Weise beindruckt. Vorrangig für unser Urteil ist, was wir selbst unmittelbar persönlich sehen und spüren. Hier wird über die Kausalität spontan und fix entschieden. Es ist auch klar, dass es auch sehr von der Person dessen Bildung, Ausbildung und Erfahrung abhängt, welche diesbezüglichen Faktoren bekannt sind. Und nur irgendwie Bekanntes kann beeindrucken und damit ins Kalkül gezogen werden. Was als kausale

Ursache einer Beobachtung angenommen oder empfunden wird, ist so gesehen sehr persönlich und damit relativ.
Nun aber können gerade in der Medizin viele Faktoren zu einer Heilung beitragen, die teils bekannt und unbekannt sind, nicht immer offensichtlich sind, und nur manchmal zum Tragen kommen und dergleichen mehr. Wie sich nun eine Krankheit entwickeln wird, wann und in welchem Umfang es von selbst oder durch Intervention zu einer mehr oder weniger raschen Heilung kommen wird, ist daher nicht exakt vorhersehbar. Der Heilungsverlauf kann nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit vorhergesagt werden. Der Bogen reicht von sehr sicheren Prognosen für ein vollständiges Ausheilen bis hin zu einer Prognose, nach der eine Heilung erfahrungsgemäß nicht mehr zu erwarten ist.
Wenn nun beispielsweise ein „Therapeut“ behauptet, durch Tragen eines speziellen chemisch und physikalischen vollkommen inerten Plastikanhängers um den Hals herum Depressionen heilen zu können, so scheint es eindeutig zu sein, dass diese Methode nicht wirksam sein kann. Wie sollte das auch möglich sein, wenn nach allen uns zur Verfügung stehenden Erkenntnissen, und das sind ja nicht wenige, dieses Stückchen Plastik nichts enthält, nichts abgibt oder ausstrahlt, das mit dem Organismus des Trägers in irgend einer Art und Weise in Wechselwirkung treten kann. Und wie soll ohne chemisch-physikalische Wechselwirkung irgendein Effekt zustande kommen?
Dennoch wird es aber so sein, dass es immer einige Behandelte geben wird, die absolut überzeugt sind, dass ihnen genau diese Behandlung sehr geholfen hat. Diese werden das nicht nur berichten, sondern es entspricht auch den Tatsachen. Das heißt, im Rahmen einer Wirksamkeitsuntersuchung ist feststellbar, dass es tatsächlich bei einer bestimmten Anzahl von Personen zur Besserung kommt. Aber was hat geholfen? Wie soll man sich diese Hilfe erklären?
Jetzt gibt es mehrere Möglichkeiten diesen Umstand zu erklären. Die konventionelle Medizin wird anführen, dass hier eine Placebowirkung vorliegt und auch Depressionen von selbst und auch noch durch viele andere Umstände heilen oder wieder vergehen können. Faktum ist, dass in unserem Fall ein Teil der Erkrankten mit Amulett gesundet.
Es ist ganz egal, mit welcher an sich harmlosen Prozedur oder welchem völlig wirkungslosen Mittel behandelt wird, es gibt immer je nach Krankheit eine gewisse Erfolgsrate. Diese Erfolgsrate kann je nach Umständen und Krankheit mehr oder weniger groß sein. Zur Erzielung dieser Rate ist es aber egal, welche unwirksame Prozedur stattfindet.
Wichtig ist, dass die Methode oder das Mittel ein anerkannt positives Image bei den Behandelten haben. Andernfalls könnte auch der gegenteilige Effekt auftreten und die Beschwerden nehmen zu. Erst dann, wenn der Erfolg eines Mittels oder einer Methode über dieser immer zu erwartenden Erfolgsrate der Placebowirkung liegt, kann von einer spezifischen bzw. kausalen Wirksamkeit ausgegangen werden.
Die Anhänger dieses Therapeuten und seines Plastikanhängers jedoch werden diese komplexen Erklärungen nicht gelten lassen. Je nach persönlicher Bildung und Überzeugung wird völlig anders argumentiert werden. Gründe ohne Zahl werden genannt werden, die eine spezifische bzw. kausale Wirkung des Plastikanhängers nahelegen. Es wird versucht, der Heilung eine einfache ins jeweilige Weltbild passende Logik zu verpassen.
Das Feindbild dieser einfachen höchst subjektiven ad hoc Kausalisierung ist der Placeboeffekt in allen seinen Facetten. Der Placeboeffekt lässt sich aber nicht mit der einfachen „nachher ist gleich weil“ Logik beobachten. Es bedarf dazu wissenschaftlicher Werkzeuge. Unser Empfinden und unsere Wahrnehmung ist von der Evolution her trainiert, immer eine einfache und direkte Beziehung zwischen Ursache und Wirkung zu sehen, auch dann, wenn es keine unmittelbar fassbare Ursache gibt. Der Placeboeffekt im weitesten Sinn und mit ihm verbunden die Selbstheilung, das ist auch so ein schwammiger Begriff, der so gerne zitiert wird, sind das Resultat von vielen möglichen Einflüssen, aber er kann nicht auf einer kausalen Wechselwirkung des Placebos beruhen.
Nun gibt es schon seit jeher Amulette, die durch Zauberei oder hilfreiche Geister wirken sollen. Geister und Zauberei haben den Vorteil, dass nicht mühsam eine naturwissenschaftliche Kausalität zusammen konstruiert werden muss. Aller Aufklärung zum Trotz wird heute auch wieder mit Geistern und Dämonen argumentiert. Es wird schlicht wieder wie in alten Zeiten an die Wirksamkeit jenseitiger und übersinnlicher Wesen und

Kräfte geglaubt. Dafür steht, und das ist wirklich nicht mehr zu übersehen, ein breites Spektrum von religiösen bis parareligiösen Überzeugungen zur Verfügung. Wenn jemand z.B. an die Wirkung einer Phantasiegöttin oder eines Fantasieengels mit dem soeben erfundenen Namen „Astralixa“ glaubt, dann ist es mit Aufklärung vorbei.
Für die weniger spirituell veranlagten Anhänger, darf es aber kein Amulett sein, das im klassischen Sinn durch jenseitige Kräfte wirkt. Es ist daher notwendig, dass die Erklärungen zu Wirkung irgendwie in unser heutiges in unseren Breiten (noch) vorherrschendes von Naturwissenschaft und Aufklärung geprägtes Weltbild passen müssen. Also werden entsprechende Argumentationen unter Zuhilfenahme der modernen Naturwissenschaften aufgebaut, denn andernfalls würde man Gefahr laufen, für geistergläubig gehalten zu werden. Die Naturwissenschaften und auch die Biologie und die Medizin können das Leben heute ohne Geister besser denn je erklären. Um nun doch überzeugend zu sein, wird die Argumentation daher mit Begriffen geführt, die wissenschaftlich klingen. Mit Geistern ist wissenschaftlich nichts zu erklären. Die wissenschaftliche Argumentation der Homöopathen ist somit zwangsläufig pseudowissenschaftlich.
Placebo und Nocebo im Alltag
Placebo- u. Noceboeffekte sind nicht auf Arzneimittel beschränkt. Gesundheitlich positive bzw. negative Auswirkungen haben auch Warnhinweise und Gesundheitsversprechen auf Lebensmitteln. Auch Matratzen, Wandfarben und dergleichen mehr, wenn negative oder positive gesundheitliche Effekte entsprechend eindrucksvoll medial verkündet werden, können positive und negative Wirkungen haben. Auch die Angst vor Giftstoffen kann krank machen. Jede Diskussion über Anpassungen von erlaubten Grenzwerten für z.B. Schwermalle oder Formaldehyd etc. kann zu Beschwerden führen.
Nichtallergiker zeigen allergische Reaktionen, wenn z.B. ein erhöhter Gehalt an Histamin deklariert wird und es werden vermehrt Beschwerden im Magen und Darmbereich berichtet, wenn z.B. auf Gluten oder Laktose hingewiesen wird. Bei Aktionen gegen Mobilfunkmasten werden Beschwerden zahlreich gemeldet und das auch dann, wenn der Betrieb noch gar nicht aufgenommen wurde. Ein entsprechender Wetterbericht erhöht signifikant rheumatische Beschwerden. Selbstverständlich haben Ergänzungsnahrungsmittel auch weitgehende Placebowirkungen. Es gibt hier auch Überschneidungen mit Arzneimitteln. So zeigt ein Ergänzungsnahrungsmittel mit entsprechendem Gehalt an Magnesium die gleichen arzneilichen Wirkungen eines entsprechenden arzneilichen Magnesiumpräparates.
Heute sind Beschwerden durch Elektrosmog oder Handystrahlen gang und gäbe. Auch hier ist das gleiche Bild zu beobachten. Es gibt zahlreiche Betroffene, die nicht nur Angst haben, erkranken zu können sondern auch ein wiederkehrendes Spektrum von mehr oder weniger ähnlichen und bestätigten Beschwerden haben. Die Betroffenen leiden real. Und auch hier konnte bis dato, und das wurde immer und immer wieder versucht, kein stofflich bedingter kausaler Zusammenhang nachgewiesen werden.
Auch ist es bis dato nicht gelungen eine Elektrosensibilität unter Beweis zu stellen. Unter kontrollierten, doppelt verblindeten Versuchsreihen gewinnt der Zufall. Aber trotz augenscheinlichen Misserfolgen im Nachweisen von „Elektrosmog“ hat noch kein Pendler seinen Beruf aufgegeben. Am nächsten Tag wird die nächste Wohnung ausgependelt. Das Umstellen der Betten ist noch mit keinen Kosten verbunden aber die skurrilen Gerätschaften, die vor den vermeintlich schädlichen Auswirkungen des Elektrosmog schützen sollen, kosten Geld.
Die Geschichte des „China-Restaurant-Syndroms“ kann als typisch angesehen werden. Im Jahre 1968 (!) schrieb der chinesisch stämmige amerikanische Arzt Robert Ho Man Kwok einen Brief an das „New England Medical Journal“. Darin schilderte er wiederkehrende Beschwerden wie Taubheit im Nacken oder Herzrasen, Schwächegefühle nach dem Besuch von Chinarestaurants. Die neue Erkrankung entwickelte sich zum Renner. Bis heute ist es nicht gelungen nachzuweisen, dass Glutamat der eigentliche Auslöser ist. Es wird verdrängt, dass Glutamat, eine nicht essentielle Aminosäure, ein natürlicher Bestandteil in Lebensmitteln ist. Betroffene sind in zahlreichen Selbsthilfegruppen organisiert und haben nachgewiesene Beschwerden.
Mit allen Beschwerden und den zahlreich verbreiteten Ängsten kann man auch Geld verdienen. Die Angstgewinnler haben sich breit gemacht. Scharlatane und Wunderheiler haben es immer schon perfekt verstanden, Ängste gewinnbringend aufzugreifen. Neu ist, dass

ganze Industriezweige das auch betreiben. Subtil wird Angst vor allem, was als unnatürlich, unbiologisch, chemisch und dergleichen mehr bezeichnet werden kann, gesät und mit „sanft“, „nebenwirkungsfrei, „bio“ und „natürlich“ etc. wird geerntet. Diese Kunst beherrschen die Homöopathen perfekt.
Rational begründbar sind diese Ängste angesichts der gestiegenen immer noch steigenden Lebenserwartung und des allgemeinen Gesundheitszustandes nicht, wenn man von zahlreichen Beschwerden durch Bewegungsarmut und Überernährung einmal absieht.
Eine durchaus notwendige und verschärfte Lebensmittelkennzeichnung führt zu mehr Angst und zu einer Steigerung von entsprechenden Beschwerden. Mit der Angst vor z.B. Lebensmittelzusatzstoffen kann man Geld verdienen. Ich frage mich immer, wie Gluten und Laktose in den Schinken kommen sollen, denn üblicherweise enthält Schinken weder Mehl noch Milch, kann also Gluten und Laktose nicht enthalten. Hinweise darauf sollen doch diesbezüglich empfindliche Konsumenten vor bestimmten Inhaltstoffen aufmerksam machen? Der Warnhinweis wurde zum Qualitätsmerkmal umfunktioniert. Lebensmittel sind nur dann bekömmlich, wenn sie gluten- und laktosefrei sind. Man könnte mit diesem Warnhinweis auch die Qualität von Kaffeebohnen steigern.
Selbstverständlich gibt es Unverträglichkeiten und allergische Reaktionen auf bestimmte Nahrungsmittel und Zusatzstoffe, aber so zahlreich, wie es scheint, sind diese Ereignisse nun doch wieder nicht. Es hapert wie bei vielen derartigen Phänomenen beim Nachweis der Kausalität. Mit zunehmender Bekanntheit scheint die Häufigkeit überproportional anzusteigen. Es sind das klassische Noceboeffekte. Negative Erwartungen führen zu vermehrten Beschwerden. Selbstverständlich sind diese Beschwerden objektivierbar. Wenn aber die Verträglichkeit dieser Inhaltsstoffe in Form von Scheinpräparaten entsprechend verblindet getestet werden, zeigt sich, dass die Beschwerden dann und nur dann auftreten, wenn die Betroffenen fest überzeugt sind, laktose- od. glutenhältige Lebensmittel konsumiert zu haben.
Viele Verfahren und Mittel, die als obskur anzusehen sind, wenn man die Messlatte des modernen gesicherten Wissens angelegt, erzielten große Erfolge. Passieren kann das alles nur, weil unsere Wahrnehmung eine Kausalität herstellt, die so nicht gegeben ist. Diese Kausalität begründet sich im Bereich unserer Wahrnehmung. Niemand ist vor dieser Konditionierung
gefeit. Die dazu passende Kausalität wird von den Medien geliefert und verbreitet.
Diese nachkonstruierte Kausalität passt perfekt zur Wahrnehmung und ist daher sehr mächtig. Unter diesen Umständen wird die Homöopathie unwiderlegbar logisch. Warum sollte es nicht so sein, wo doch in wesentlichen klareren und offensichtlicheren Fällen, es nicht gelingt den Glauben an eine bestimmte Wirkung oder an einen bestimmten Zusammenhang zu beenden?
Gestern Massenhysterien – heute Modeerkrankungen u. Modetherapien
Ein Stichwort möchte ich nennen: „Massenhysterie“. Dieser Ausdruck ist aus der Mode gekommen. Heute sprechen wir von einem Boom oder einem Hype. Das klingt auch schon viel besser. Hysterie ist viel zu negativ konnotiert. Moden in der Medizin hat es schon immer gegeben. Bestimmte Diagnosen, Erkrankungen, Mittel und Therapien hatten über längere und kürzere Zeiträume hinweg immer schon großen Erfolg und machten ihre „Erfinder“ reich. Wir befinden uns hier im Reich der Placebowirkungen.
Der Aderlass ist ein gutes Beispiel für eine höchst erfolgreiche aber sehr schädliche Therapie, wie wir heute wissen. 2000 Jahre lang hat er gewirkt. Die ausführliche Geschichte des Aderlasses ist das Einleitungskapitel in „Heilen ohne Pillen“ (Simon Sing u. Edzard Ernst, engl. Originaltitel „Trick or Treatment“). Mit diesem Beispiel sollte gezeigt werden, dass ein Erfolg keineswegs nur mit harmlosen sondern auch mit höchst belastenden und schädigenden Therapien über lange Zeiträume hinweg möglich ist. Hahnemann hat den Aderlass abgelehnt und so, wie wir heute wissen, einen Grundstein für den Erfolg der Homöopathie gelegt.
Die Geschichte der „Metallic Tractors“, auch als „Magnetic Tractors“ bezeichnet, wird von Simon Sing/Edzard Ernst in “Heilen ohne Pillen“ erwähnt sowie von Grete de Francesco in „Die Macht des Scharlatan“ (Basel 1937) ausführlich beschrieben.
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts propagierte Elisha Perkins (1741 – 1799), ein erfolgreicher Arzt und gelegentlicher Maultierhändler aus Connecticut die Anwendung von „Metallic

Tractors” zur Behandlung verschiedener Krankheiten von Menschen und Pferden. Diese patentierten „Tractors” (kleine schmale Keulen aus Metalllegierung) wurden bis zu 20 Minuten über die erkrankten Areale geführt, um das schädliche „elektrische Fluidum“ herauszuziehen, das als Ursache von Erkrankungen angesehen wurde. Viele Patienten und Beobachter wurden von spontanen Heilerfolgen überzeugt und veröffentlichten Anekdoten. Perkins wurde sehr reich. „Elektrizitätszaubereien“ waren um die Jahrhundertwende in der Medizin generell große Mode.
Die Manie schwappte auch nach England hinüber. Die Royal Medical Society ging in Knie, gab dem Publikumsdruck nach und erlaubte die Verwendung im vereinigten Königreich. Die Hysterie wurde durch den bescheidenen prakt. Arzt Dr. John Maygarth aus Bath und seinem Freund Dr. Falconer beendet. Sie fälschten die „Metallic Tractors“ aus Holz und verkauften diese Imitationen an etliche bekannte Ärzte. Diese Fälschungen wurden nicht erkannt und waren genauso “wirksam” wie die Originale. Als aber der bewusste Betrug zum Beweis der Wirkungslosigkeit aufdeckt wurde, war es mit dem Boom vorbei.
Diese Geschichten sollen ihnen zu zeigen, dass Homöopathie und andere Wundermittel keine historischen Einzelfälle höchst erfolgreicher und obskuren „Lehren“ sind. Auf diese Weise entfalten viele unwirksame Verfahren und vermeintliche Wirkstoffe
oder Gifte umfangreiche Wirkungen haben. Gemeinsam ist allen diesen Effekten, dass ab einem gewissen Bekanntheitsgrad der möglichen oder vermuteten Wirkungen, diese auch nachweislich auftreten.
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