Im öffentlichen Diskurs zum Thema trans Menschen und Prostitution scheint eine Sache festzustehen: Menschen, die pro „Sexarbeit“ sind, argumentieren, dass Sexarbeit für trans Menschen hilfreich oder gar notwendig sei und dass Prostitutionskritik daher transfeindlich sei.

Nur Menschen, die mit dem Bereich Prostitution zu tun hatten, können wissen, wie trans Personen im Rahmen und im Namen der Sexarbeit behandelt werden.

Da ich viele Jahre als Hure in sehr unterschiedlichen Bereichen der Prostitution tätig war, habe ich auch trans Frauen als Kolleginnen kennengelernt.

Zunächst muss ich erwähnen, dass ich im High Class Escort nie eine trans Frau kennen gelernt hatte – dort gab es nur die Vorzeigedamen, die dem Klischee der perfekten Weiblichkeit entsprachen: schlanke Figur, dichtes langes Haar, meist große Oberweite, hübsches Gesicht und vorallem eben „Cis“ Frauen. Darüber hinaus mussten wir „Öffentlichkeitstauglich“ sein, sprich der Herr mit Geld möchte eine Begleitung, die auch seine Geschäftspartnerin sein könnte, bloß in jung und sexy. Sie soll bestenfalls mehrere Sprachen sprechen und auch über Politik oder Kultur reden können. Was er nicht möchte – mit Frauen auffallen, die den Normen der besser Gestellten nicht entsprechen: keine Frauen mit auffälligen Tattoos oder Piercings, nur wenige mögen „allzu exotisch“ aussehende Frauen beim Date in der Öffentlichkeit, und ebenfalls nicht gewünscht sind trans Frauen. Selbst Männer mit Präferenz für trans Frauen möchten diese nur heimlich im Hotelzimmer treffen; aber sicher nicht mit ihr in einer Bar von Kollegen erwischt werden. Die Angst beim Fremdgehen bzw. Sexkauf erwischt zu werden ist die eine Sache, mit einer trans Frau erwischt werden – ein Tabu.

Freier wissen genau wen sie wollen, wann und wie. Trans Frauen sind sehr gefragt bei Freiern. Einige Männer preisen sich untereinander als „Liebhaber“ von Trans Frauen, wohingegen andere „es“ einfach mal probieren wollen. Fast jeder Typ Mensch ist zur sexuellen Erfüllung von Freiern in Deutschland „erhältlich“ und mit diesem großen Angebot wächst auch die Haltung der Männer, mal „alles“ auszuprobieren. Was legal  und jederzeit verfügbar ist, muss nicht moralisch hinterfragt werden.

Misgendern von trans Personen ist immer wieder ein Thema in Social Media. Misgendern ist die Regel in der Prostitution. Selten hat ein Freier nach einer „trans Frau“ gefragt. Es wurden immer wieder abwertende Begriffe wie „Shemale“, „Ladyboy“, „Transe“ benutzt. Gegen diese beleidigenden Begriffe sind weder Prostituierte, noch die Bordellbetreiber vorgegangen. Denn wer zahlt hat das Sagen. Für Political Correctness ist kein Platz in der Prostitution. Die Freier wollten darüber hinaus auch bis ins Detail über das Geschlechtsteil der trans Personen Bescheid wissen, sprich ohne Angaben zum Geschlechtsteil wird keine trans Frau gebucht.

Was treibt trans Frauen, vorallem aus dem Ausland dazu, sich bei uns zu prostituieren? Damit setzen sich Freier bekanntermaßen wenig auseinander. Als Mitmensch und Kollegin hat mich die Frage natürlich beschäftigt. Es ist wie bei uns allen Prostituierten in der Regel die Armut. Arm sein in einem Land, welches wenig Möglichkeit bietet, der Armut zu entkommen. Zusätzlich zu dem Druck selbst, für die Familie in der Heimat oder für den Zuhälter Geld verdienen zu müssen, gibt es bei trans Menschen auch die Motivation Geld für die Hormontherapie / Ops verdienen.

Alle trans Kolleginnen, mit denen ich sprach, haben ihre Freier und „den Job“ genauso gehasst wie die anderen Prostituierten. Es war für sie in der Regel ein furchtbares Mittel zum Zweck Überleben.

Mit einer trans Frau aus Rumänien habe ich mich intensiver unterhalten können, da wir ein Zimmer teilten. Die anderen Huren wollten kein Zimmer mit ihr teilen, da sie nach Feierabend keinen Penis in ihrer Nähe ertragen konnten. Sie selbst hatte Verständnis dafür, und bat um ein Einzelzimmer, was allerdings von den Betreibern abgelehnt wurde.

Mir war es egal, welches Geschlechtsteil sie hatte; sie wurde ebenso wie ich mehrfach täglich von Männern sexuell benutzt und ihre Grenzen missachtet. Anfangs sprachen wir kaum miteinander. Wir verstanden die Qual der anderen ohne große Worte. Erst an dem Tag, an dem sie im „Verrichtungszimmer“ von einem Freier verprügelt wurde, und ich ihre Wunden behandelte (sie hatte natürlich keine Krankenversicherung, um zum Arzt zu gehen), begannen wir voneinander zu erzählen. Sie kam aus einem armen, sehr konservativen Dorf in Rumänien.  Als Kind missbraucht und später, je mehr ihre trans Identität auch den anderen auffiel, desto mehr wurde sie gemobbt und ausgeschlossen. Sie ist in die Hauptstadt geflüchtet und versuchte auf dem Straßenstrich zu überleben, bis ihr die trans Community vor Ort den Tip gab nach Deutschland zu gehen. Hier war sie dann zunächst auf Autobahnparkplätzen und auf dem Straßenstrich anschaffen, bis sie dann in unserem Bordell gelandet war.

Ihre Geschichte sei typisch für viele trans Menschen Osteuropas, die Marginalisierung, Armut und Gewalt in die Prostitution getrieben hat, erzählte sie mir. Allerdings erlebten sie dann aber auch hier wiederum Gewalt, und sahen kaum den Weg hinaus.

Sie war in Hormontherapie, wofür sie immer wieder nach Tschechien reiste, hatte bereits Silikonbrüste und plante auch die OP ihres Geschlechtsteils. Dass sie sowohl einen Penis hatte, als auch Brüste, machte sie begehrt für Freier. Diese Kombi ist die begehrteste bei Freiern, die trans Frauen buchten. Sie sagen, sie wollen sowohl mit „weiblichen Kurven spielen“, aber hinterher anal penetrieren und selbst penetriert werden. Und genau das stellt ein großes Problem für viele trans Prostituierte dar: Durch die Hormone war der Penis immer weniger zur Erektion fähig. Die Enttäuschung darüber macht Freier nicht selten wütend, so dass es in Gewalt umschlagen kann. Sie sagte, dass sie aus dem Kreislauf nicht rauskommt – sie brauche die Hormone, da sie das „maskuline Äußere“ an sich selbst nicht mehr erträgt, aber das Geld der Freier brauche sie auch, wofür sie allerdings besser auf die Hormone verzichten sollte, um ihr Glied erektionsfähig zu halten. Mit Potenzmitteln hatte sie schon schlechte Erfahrungen erklärte sie mir, da diese in der Kombi zu den Hormonpräparaten und zu den sonstigen Drogen, die sie nahm, gefährliche Nebenwirkungen verursachten.

Diese auswegslose Situation verstärkte ihre Depression nur noch mehr. Ich habe sie nur kurz nach dem Aufstehen nüchtern erlebt, sehr schnell wurde Alkohol und synthetische Drogen konsumiert.

Wie es ihr heute geht, weiß ich nicht. Ich habe zu keiner Person aus diesem Bordell noch Kontakt. Ich kann nur hoffen, dass sie den Ausstieg geschafft hat und wie sie selbst es sich wünschte ein ruhiges Leben mit einem Partner und Hunden hat.

Ihre Geschichte stellt keine ungewöhnliche Ausnahme beim Thema trans Prostituierte dar. Sie sind immer wieder mit denselben Problemen konfrontiert, leiden stark unter Depressionen, sind stark suchtmittelabhängig und sind regelmäßig Opfer von gewaltbereiten Freiern. Ich möchte nochmal betonen: die Gewalt gegen trans Prostituierte geht nicht, wie es manche Sexwork-Advokaten darstellen, von Feministinnen aus. Nein, sie geht immer vom Freier aus. Oder vom Zuhälter. Also von Männern.

Warum sprechen sich so wenig trans Personen gegen Prostitution aus? Die Prostitution verspricht Hilfe aus den Problemen: Geld für die Operationen/Hormone, Geld zum Überleben, Akzeptanz. Dass sie benutzt und ausgebeutet werden, ist ihnen selbst irgendwann klar. Auch, dass sie an den Folgen der Prostitution sterben könnten: Substanzabhängigkeit, Gewalt und sonstige Folgeerkrankungen. Allerdings ist die Angst größer, ohne die „Unterstützung“ der Menschen hinter Sexwork, dazustehen.

Als Gesellschaft müssen wir trans Menschen den Druck nehmen, sich erst prostituieren zu müssen, um anerkannt zu werden. Eine Gesellschaft, die nur Prostitution als Weg für trans Personen anbietet, ist transfeindlich. Prostitution schadet allen Prostituierten, auch trans Frauen. Wir müssen diese verlogene Erzählung, dass Sexwork transfreundlich sei, aufbrechen und einen Weg finden, wie alle Betroffene, egal welches Geschlecht, in Würde leben können, ohne sich prostituieren zu müssen.

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