Aktuell bekommen wir die Folgen von Ressourcenmangel zu spüren. Einstweilen zwar nur aufgrund von Lieferengpässen und nicht wegen tatsächlicher Rohstoffknappheit … doch schon das hat durchwegs spürbare Auswirkungen auf den Markt.

Eine Entspannung der Situation ließe sich etwa dadurch erreichen, noch stärker auf einen funktionierenden Wertstoffkreislauf zu setzen. Recycling ist schon länger ein Thema und auch Urban Mining gewinnt an Bedeutung. Unter diesem Begriff versteht man, dass dicht besiedelte Städte als Rohstofflager betrachtet werden. Es soll also zukünftig weniger darum gehen Ballungsgebiete ständig von außen mit Rohstoffen zu versorgen, sondern möglichst auf vorhandene Ressourcen zu setzen. Anstatt in den Mienen werden die Materialien so zu sagen aus dem Abfall der Großstadt „geschürft“.

Genau dieser Ansatz, stärker auf Vorhandenes zu setzen, könnte gerade in Krisenzeiten helfen, die Märkte zu stabilisieren. Wie in meinem Buch Inflation ausbremsen beschrieben, ist Autarkie ein wesentlicher Faktor für den Schutz vor Preisexplosionen. Das Potential dafür ist jedenfalls da: Denn es ist keineswegs so, dass alle vorhandenen Rohstoff-Ressourcen bereits effizient genutzt werden. Sehr viele Privathaushalte beispielsweise bunkern buchstäblich Rohstoffe. Es gibt viele Grundstücke oder Keller (und das selbstredend nicht nur in Großstädten), wo viel Altholz, Altmetall, Altpapier, Elektroschrott, etc. ungenutzt (und ohne echte künftige Nutzungsabsicht) herumliegt. Pro Person vielleicht nur einige (dutzend) Kilo, aber in Summe doch ein interessantes Reservoir an recyclebaren, jedoch ungenutzten Rohstoffen.

Natürlich handelt es sich dabei um Privateigentum, auf das nicht einfach so zugegriffen werden kann. Das ist auch sehr gut so! Es muss definitiv unser gutes Recht sein, unser Eigentum so lange zu behalten, wie wir wollen. Niemand soll über das Eigentum eines anderen entscheiden dürfen. Es kann nicht sein, dass ein anderer, bzw. eine Behörde entscheidet: „So, das ist jetzt Abfall. Das hast du zu entsorgen, damit die Allgemeinheit Zugriff auf die Rohstoffe hat.“

Allerdings wäre es durchaus sinnvoll in Zeiten von Rohstoffengpässen Anreize zu setzen, damit derartige Rohstoffspeicher freiwillig in den Kreislauf zurückgeführt werden.

Das könnte anfangen mit häufigeren, kostenlosen Sperrmüllsammlungen. Schon das wäre für viele bestimmt ein Ansporn ihre Kästen und Keller zu durchsuchen und so den einen oder anderen Abfall (der als Rohstoff genutzt werden kann) abzugeben.
Auch könnte es helfen breiter zu kommunizieren, dass viele Altmaterialien (vor allem bei hohen Rohstoffpreisen) durchaus noch einen Wert haben, bzw. auch Möglichkeiten schaffen, dass Besitzer von diesem Wert auch etwas haben. Ein Beispiel: Würde es etwa bei Rohstoffknappheit (je nach herausgegebener Menge) einen Bonus für gezielt entsorgten Abfall geben (z.B. auf die Müllbehandlungsabgabe) – wenn also plötzlich die Chance da wäre, für das Gerümpel im Keller bares Geld zu sparen (anstatt noch Entsorgungskosten zu tragen), dann halte ich es für gut vorstellbar, dass viele dazu bereit wären, Dinge gezielt abzustoßen – und damit in Summe für einen signifikanten Nachschub an Rohstoffen zu sorgen.

In diesem Punkt bräuchte es mehr Dynamik. Genau solche Ressourcen müssten zum richtigen Zeitpunkt in Umlauf gebracht werden. Das kann aber nur funktionieren, wenn es erstens von den Behörden organisiert und klar kommuniziert wird – und zweitens, wenn es auch einen greifbaren Vorteil für alle gibt, die Recyclingmaterial zur Verfügung stellen. Denn einfach nur den Behörden und der Industrie aus der (oft selbst angerichteten) Patsche zu helfen, wäre für sehr viele eben wohl kaum ein ausreichender Beweggrund, die eigenen „Lagerbestände“ zu durchforsten und nicht mehr Benötigtes in den Rohstoffmarkt einzuspeisen.

Dazu ein konkretes Beispiel: Viele Menschen lagern kistenweise (in Wahrheit längst nicht mehr benötigtes) Papier (alte Bücher, Prospekte, etc.) zuhause – und gerade im Moment ist der Papierpreis exorbitant hoch (gegenwärtig etwa 200€/Tonne Druckereialtpapier).

Würde man nun außertourliche Altpapiersammlungen veranstalten, so könnte ich mir gut vorstellen, dass viele dazu bereit wären ihre „Lagerbestände“ nun gezielt zu entsorgen … jedenfalls dann, wenn sie auch ein Stück vom Kuchen bekämen (z.B. in Form eines mengenabhängigen Bonus). Denn warum auch sollen die Leute ihre Rohstoffvorräte verschenken, damit die Industrie sie dann zu horrenden Preisen weiterverkaufen kann?

Oh nein! Wenn das System funktionieren soll, dann müssten auch die Rohstofflieferanten direkt etwas davon haben: Eben einen Bonus für den Abfall, beziehungsweise auch die (klar kommunizierte) Aussicht darauf, dass die Einspeisung von Recyclingmaterial in den Wertstoffkreislauf dazu führt, dass die Lieferengpässe im Land ausgeglichen werden und sich die Marktpreise dadurch wieder stabilisieren.

Dazu müsste ebenso darauf geachtet werden, dass die lokal mobilisierten Ressourcen auch vorrangig zur Deckung des lokalen Bedarfs verwendet werden. Es kann nicht sein, dass die gewonnenen Rohstoffe mit hohem Profit an den Bestbieter am Weltmarkt verkauft werden, während im eigenen Land Ressourcenknappheit besteht und die Preise deshalb weiterhin explodieren.

Darüber hinaus sollten derartige Aktionen auch nicht dazu führen, dass wir Dinge vorschnell entsorgen. Denn vieles, was wir aufheben, können wir unter Umständen tatsächlich nochmal brauchen. Es wäre sinnlos, Dinge vorschnell wegzuwerfen und dann bald darauf für teures Geld Ersatz zu kaufen, weil wir draufkommen, dass wir für besagtes Objekt doch noch Verwendung gehabt hätten.

Doch es gibt eben auch Dinge, die wir tatsächlich sinnlos aufheben. Den Karton mit den Büchern, die bereits Schimmel angesetzt haben; die alten Eisenteile, die bereits vollkommen verrostet sind; die alten Elektrogeräte, die ohnehin längst obsolet geworden sind und so weiter. Da gibt es zweifelsohne vieles, das im Wertstoffkreislauf sinnvoller aufgehoben wäre als im Keller.