Auf sich selbst Acht geben, nicht nur auf die Anderen…

Achtsamkeit – auf etwas achten. Was bedeutet das? Und achten wir nicht alle auf uns selber? Wer schützt sich nicht vor Gefahren oder achtet auf sein Wohlergehen?

Viele Menschen, die in einer Depression gefangen sind achten auf Vieles, aber nicht auf sich. Ich habe viele Leute kennengelernt – und schließe mich dieser Gruppe selber auch an – die immer erst an andere denken und irgendwann zum Schluss an sich, wenn überhaupt. Da kommen dann Sprüche wie: Ne, als erstes denke ich an meine Kinder, das es denen gut geht. Dann kommt meine Frau/mein Mann, dann noch der Hund, der Haushalt ist auch wichtig, und ich habe auch immer ein offenes Ohr für die Probleme meiner Freunde, und auf der Arbeit, da bin ich ja auch der, der immer alles kann und den jeder fragt.

Na, leicht wiedererkannt? Oder geschmunzelt? Vielleicht fällt es euch schon beim Durchlesen dieses Abschnittes auf: Und wo kommt man selber? Wer achtet auf mich – wenn ich es selber noch nicht mal tue? Warum tauche ich in der Auflistung eigentlich nicht auf? Fallen euch auch immer Sätze ein wie: Ach, mir geht’s doch gut, klappt schon!?

Ja, vielleicht geht es uns gut – vermeintlich. Vielleicht ist es für gesunde Menschen auch gar kein Problem sich um alles zu sorgen, auf die komplette Umgebung zu achten. Diese Menschen können aber auch ein gesundes ‚NEIN‘ austeilen. Menschen mit Depressionen, denen alles Zuviel ist, die keinen Antrieb mehr haben, denen es schon schwer fällt morgens aufzustehen denken meist nicht an sich.

In meinem Fall ist es jedenfalls so. Ich versuche das zwar zunehmend zu ändern, aber alt eingewöhnte Strukturen legt man nicht in 3 Tagen ab. Das bedarf einer Menge Umgewöhnung. Ich wurde in einer meiner ersten Therapiesitzungen gefragt: Achten Sie denn auf sich? Ich musste kurz nachdenken und meine Therapeutin sagte: Trinken Sie regelmäßig, vernehmen Sie Durst? Hunger? Gehen Sie regelmäßig zur Toilette (kein Scherz)? Sagen Sie auch mal nein, wenn Sie das Gefühl haben es wird Ihnen zu viel? Kennen Sie Ihre Grenzen? Das sind Ihre Grundbedürfnisse, achten Sie darauf? Und ich musste das verneinen… erschreckend!

Selbstachtseimkeit. Auf sich selbst achten, seinen Körper, seine Gefühle, seine Bedürfnisse. Wann habe ich das denn verlernt? Über die Frage habe ich lange nachgedacht. Den Wink mit dem Zaunpfahl habe ich aber wieder mal von meiner Therapeutin bekommen: Ich musste schon immer auf meine Umgebung, meinen Vater, die Situationen achten. Was passiert wo? Was könnte passieren? Wer ist wie drauf? Wie konnte ich da ein gesundes Gefühl für meine Grenzen, meine Achtsamkeit erlernen?

Zu Hause musste ich immer im Blick haben, wie es mit meinem Vater läuft. In der Schule musste ich auf meine Mitschüler achten, was haben sie vor? Was blüht mir heute? Meine Antennen liefen non Stopp, im 360 Grad Winkel. Ich war immer auf der Hut, aber meine Bedürfnisse, meine eigene Meinung, meine Gefühle… immer hinten anstehend.

Jetzt muss ich mich der Herausforderung als Erwachsene stellen. Ich muss lernen NEIN zu sagen, meine Grenzen kennen lernen und benennen lernen. Ich muss auch mehr auf mein Ess- und Trinkverhalten achten. Oder wann ich denn mal zur Toilette muss, nicht erst wenn man schon zur selbigen rennen muss.

Nicht alles andere, alle Anderen sind wichtig. Wir sind wichtig, jeder für sich. Und jeder muss auf sich achten, auf die Grundbedürfnisse. Lernen NEIN zu sagen, wenn man schon einen Berg vor sich hat. Aufgaben abgeben, verteilen. Sich seine Selbstachtsamkeit langsam wieder aufbauen.

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