Jeder von uns hat regelmäßig mit Herausforderungen zu tun, für die es nicht immer sofort eine Lösung gibt: ein Streit zwischen Kollegen, ein technisches Hindernis oder ein neues Projekt.
Wenn ich an solch einen Punkt komme, dann beschließe ich häufig, erst mal eine Nacht drüber zu schlafen. In der Konsequenz sieht das dann allerdings meistens so aus, dass ich in der Folgenacht fast gar nicht schlafe. Manchmal braucht es sogar mehrere Nächte, bis ich die zündende Idee habe. Meinem gesunden Schlaf zuliebe will ich herausfinden, ob es bessere Möglichkeiten zur kreativen Lösungsfindung gibt.
Was sind kreative Lösungen?
Kreative Lösungen entspringen unseren Gedanken. Chemisch betrachtet werden sogenannte Neurotransmitter freigesetzt, die elektrische Signale in benachbarten Neuronen erzeugen. Diese Signale breiten sich wie eine Welle zu Tausenden von Neuronen aus, was dazu führt, dass unsere Gedankensäfte fließen.
Um überhaupt auf Gedanken zu kommen, bedient sich mein Gehirn aller bisher gemachten Erfahrungen. Darum nennt man diesen Prozess auch „Nachdenken“, weil ich an etwas denke, das zeitlich bereits hinter mir liegt. Indem ich mir das bewusst mache, kann ich auch vorwärtsdenken.
Auf diese Weise hatte ich glücklicherweise schon den einen oder anderen genialen Einfall. Kreative Lösungen können nämlich nur dann entstehen, wenn das Nachdenken mit einer gewissen Intelligenz kombiniert ist. Der Sozialpsychologe Dr. Hans-Peter Erb sagt dazu: „Wer umständlich denkt und wenig Informationen gleichzeitig verarbeiten kann, ist typischerweise weniger kreativ.“
Erst mal muss ich aber originelle Ideen haben, um auf kreative Lösungen zu kommen. Also Impulse, die ich üblicherweise aus den Wahrnehmungen meiner Umgebung schöpfe. Aus dem nächtelangen Wachliegen weiß ich jedoch, dass Nachdenken allein nicht unbedingt zu Kreativität führt.
Wer braucht solche Eingebungen?
Vielleicht ist der leichteste Weg ja der einfachste. Ich könnte das Problem ja einfach an jemand anderen abgeben. Dann bin ich es los und kann mich um was Schöneres kümmern. Doch leider – so funktioniert das nicht. Nicht für mich.
Probleme zu lösen, reizt mich und irgendwo ist immer ein Haken. Kaum habe ich die eine Fragestellung geklärt, tut sich mir schon eine neue auf. Habe ich ein Werk vollendet, suche ich schon nach der nächsten Aufgabe. Wirklich zufrieden bin ich mit dem Erreichten eigentlich nie. Dabei bin ich überhaupt kein unzufriedener Mensch. Im Gegenteil: Ich empfinde mich als optimistisch und entschlossen. Trotz der ständigen Unruhe, die in mir wohnt, bin ich nicht unglücklich.
„Zu den wunderbaren Eigenschaften des Menschen gehört seine ständige Unzufriedenheit.", schreibt Philipp Barth in „Das Buch für Ideensucher“. Im weiteren Verlauf des Kapitels erfahre ich, dass es vielen anderen Menschen auch so geht wie mir und dass das sogar schon bei unseren Vorfahren so war. Die Dinge immer wieder zu hinterfragen und nach neuen Lösungen zu suchen, ist der Motor für Veränderung. Ohne Ideen gibt es keinen Fortschritt. Kreativität treibt ihn voran.
Wie entstehen gute Ideen?
Mir ist aufgefallen, dass mir die guten Ideen selten während der Arbeit kommen, sondern eher in der Zeit dazwischen. Also wenn ich in der Mittagspause mit unserem Büro-Hund im Park spazieren gehe, nach der Arbeit mit Musik auf den Ohren an den Feldern vorbeijogge oder wenn ich am Wochenende bei leichtem Wind übers Wasser segle. Warum ist das eigentlich so? Warum kommen mir die Geistesblitze nicht dann, wenn ich sie brauche?
Ich glaube, es ist der Fokus, der sich verändert, wenn ich meinen Arbeitsplatz verlasse. Mein Blickfeld ist dann viel größer, als wenn ich nur am Schreibtisch sitze. Die Weite der Natur hat magische Kräfte auf mich und schafft es innerhalb kurzer Zeit, mir andere Welten zu eröffnen. Ich sehe, wie alles wächst und erkenne im Kreislauf des Seins, dass alles immer weitergeht. Der reißende Wasserfall in meinem Kopf stürzt hinab in die Tiefe und mündet in einem ruhigen Fluss.
Kann man was dafür tun?
Beim Joggen höre ich immer Musik. 170 Schläge pro Minute, eine dreiviertel Stunde lang. Im Gegensatz zu früher nehme ich mir heute nur noch selten die Zeit, so lange am Stück Musik zu hören. Die Musik gibt mir die Energie, die ich brauche und der gleichmäßige Rhythmus motiviert mich weiterzulaufen. Kein Wunder, ich bin schließlich Musikerin, aber das allein ist es nicht. Ich glaube, dass Musik die Eigenschaft besitzt, Gedankenmuster zu beeinflussen und die Kreativität zu steigern. Das geschieht dadurch, dass mich die Musik berührt. Manche Songs erinnern mich an bestimmte Situationen und schon komme ich auf neue Ideen.
Und das Joggen selbst? Bewegung fördert erwiesenermaßen ebenfalls die Kreativität. Der Effekt wird noch gesteigert, wenn die Bewegung im Freien stattfindet. Das fanden Daniel Schwartz von der Stanford University und Marily Oppezzo von der Santa Clara University heraus. Sie zeigten auch, dass dafür keine sportlichen Höchstleistungen notwendig sind. Ein dreißigminütiger Spaziergang reicht völlig aus.
Es gibt aber noch einen anderen Effekt beim Joggen. Der nennt sich „Runners High“ und beschreibt ein euphorisches Gefühl, dass sich beim Laufen einstellt. Diese Theorie ist zwar umstritten, aber die meisten Läufer in meinem Bekanntenkreis kennen diesen Rausch, der sich nach einer gewissen Zeit einstellt. Sie alle beschreiben das gleiche: Den Endorphinen hinterherzujagen macht nicht nur glücklich, sondern bringt einen auch auf kreative Gedanken.
Methoden zur Ideenfindung
Manchmal habe ich einen Knoten im Kopf und dann kann ich so viel rennen wie ich will – kein einziger fruchtbarer Gedanke entspringt meinen grauen Zellen. Glücklicherweise lässt sich kreative Ideenfindung trainieren. Durch bewusstes Anwenden bestimmter Techniken kann man seine schöpferische Kraft so ausbilden, dass man sich immer wieder selbst übertrifft.
Viele Methoden haben mich schon bei der ersten Anwendung umgehauen. Ein echter Effekt stellt sich aber erst dann ein, wenn eine Methode regelmäßig eingesetzt wird. Manche Techniken sind auf Gruppenarbeit ausgelegt, andere kann man auch alleine anwenden. Hier stelle ich kurz meine drei Lieblingsmethoden vor, die ich sowohl für die Teamarbeit als auch gelegentlich für die Arbeit mit mir selbst benutze:
Brainstorming ist eine Methode, die durch Charles Hutchison Clark bekannt wurde. Ursprünglich für die Gruppenarbeit konzipiert, aber häufig auch im Einzelcoaching verwendet. Dabei geht es darum, möglichst unzensiert auszusprechen, was einemzu einem bestimmten Thema oder Begriff einfällt. Alle Ideen werden protokolliert, sortiert und später auf die Umsetzbarkeit überprüft.
Beim Brainstorming sind mir schon viele kreative Lösungen eingefallen. Auch wenn mir manch eine von ihnen am Anfang ziemlich verrückt erschien, lag in jeder dieser Ideen das Potenzial zur Problemlösung.
KAWA ist eine Methode nach Vera F. Birkenbihl und bedeutet: Kreative Ausbeute von Wort-Assoziationen. Mit dieser Methode ist es möglich, selbst Begriffe, die negativ behaftet sind, in positive Begriffe umzuwandeln. Dazu nimmt man sich ein bestimmtes Wort und assoziiert zu jedem Buchstaben ein positiv besetztes Wort.
Ich mach das mal mit dem Beispielwort „Problem“: P – steht für positiv, perfekt und passend. R – steht für Ruhe, Rosenduft und Reise. O - steht für Optimismus, Oase und Ozean. Und so weiter und so fort. Am Ende fühlt sich das Wort„Problem“ richtig gut an. Die KaWa-Technik aktiviert meine Kreativität und lässt das Problem in einem ganz anderen Licht erscheinen.
Die 5-Why-Methode ist eine einfache Technik, bei der ich nach dem Hintergrund des Problems frage. Oft ist die scheinbare Ursache einer Schwierigkeit nicht die wirkliche Ursache, sondern nur ein weiteres Zeichen einer Problemkette. Das Prinzip besteht darin, dass immer wieder nach dem "Warum" gefragt wird, bis man zum sogenannten Pain Point (auf deutsch: Schmerzpunkt) kommt.
Fazit und Schluss
Kreative Lösungen fallen nicht einfach vom Himmel. Man kann aber Bedingungen schaffen, unter denen sie besonders gut gedeihen können. Bewegung in der freien Natur und Musik sind sehr effektive Mittel, um auf richtig gute Einfälle zu kommen. Die Gedanken kommen zur Ruhe, Ideen werden geordnet und Stress wird reduziert. Du musst nicht gleich einen Marathon laufen. Ein leichter Spaziergang hat den gleichen Effekt.
Falls du dich nicht aufraffen kannst, höre einfach etwas gute Musik. Nicht nur dein Lieblingsstück, sondern am besten gleich ein ganzes Live-Konzert von deiner Lieblingsband. Die Musik hat einen beruhigenden Effekt auf deine Gedanken und schüttet Glückshormone aus. Emotionen werden freigesetzt und fördern die Kreativität.
Neben den sehr individuellen Entspannungstechniken gibt es auch noch eine Reihe von wirklich guten Methoden zur Ideenfindung. Besonders hilfreich finde ich solche, die mir ermöglichen, gewohnte Konzepte und Denkmuster hinter mir zu lassen.
Am besten, du gewöhnst dir regelmäßige Routinen an. Baue Entspannungstechniken und ideenfördernde Aktivitäten in deinen Tagesablauf ein. Finde deinen eigenen Weg und suche nach Möglichkeiten, die dir Spaß machen. Anstrengendes gibt es schon genug auf unserem Planeten. Was die Welt braucht, sind kluge Köpfe mit fantasievollem Erfindergeist.
Quellen und weiterführende Links:
Barth, Philipp: Das Buch für Ideensucher, Rheinwerk Verlag, 2020
Lungershausen, Lutz: Kreativ!, MITP-Verlag, 2017
https://www.quarks.de/gesellschaft/psychologie/kreativitaet-mehr-als-nur-kunst/
https://www.apa.org/pubs/journals/releases/xlm-a0036577.pdf
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