Geht das nur mir so? Das frage ich mich immer wieder. Besonders dann, wenn da im Oberstübchen mal wieder die Post abgeht und sich "Mrs. Oberschlau" nicht zurückhalten kann und alles und jeden kommentieren muss.

Oder wenn „Graf Zahl“ Schritte, Wassertropfen oder die Umdrehungen der Waschmaschine zählt. Manchmal auch die Treppenstufen, die Sekunden, bis der Fahrstuhl unten ist oder wie viel Mal mein Herz schlägt, bis es aussetzt. Das tut es immer mal wieder – ich bin halt nicht mehr die Jüngste.

Nicht vergessen darf man die „Quasselstrippe“, die pausenlos reden kann ohne wirklich etwas zu sagen.

Ein ständiges Gequatsche findet da statt in meinem Kopf – außer wenn ich arbeite. Dann herrscht da oben konzentrierte Ruhe und die Bewohner im Oberstübchen scheinen gar nicht da. Bloß gut! Wer weiß, wie sonst meine Artikel aussehen würden.

Sie haben Namen

Tatsächlich haben die Stimmen in meinem Kopf mittlerweile Namen, weil sie auch einen eigenen Charakter zu haben scheinen. „Mrs. Oberschlau“ ist diejenige, die nur kritisieren kann. Dabei beschränkt sie sich nicht auf andere, sondern hat vor allem an mir etwas auszusetzen.

„Graf Zahl“ ist nur am Zählen. Diese Stimme ist tatsächlich männlich, weshalb es noch deutlicher wird, dass es nicht „meine“ ist – also die originale. Ich bin schließlich eine Frau. Er macht also nichts anderes als zählen. Und wenn es nichts zu zählen gibt, ist er ruhig.

Und dann gibt es da noch das „Opfer“, dass jeden Abend „am liebsten sterben möchte“ und sich immer dann meldet, wenn es mal nicht so rund läuft. Es kann nur jammern und tut nichts anderes. Und genau wie Graf Zahl ist es nur anwesend, wenn es einen Anlass für Opferschaft und Jammerei gibt.

Foto von Anthony Tran / Unsplash

Und ich? Wann komme ich zu Wort? Ich bin bei der Arbeit präsent. Ansonsten halte ich mich raus. Ich habe auch nicht so viel zu sagen. Es ist viel schöner, einfach nur zu beobachten, da zu sein und zuzuhören. Und es ist nicht so anstrengend. Ich muss nichts sein, wenn ich nicht pausenlos rede. So befreiend.

How many people are in the house?

Ich weiß, dass es zumindest bei psychisch kranken Menschen vorkommt, dass sie Stimmen hören. Aber sind es nur sie? Oder geht es im Grund genommen jedem so? Als Kind und junger Mensch sind mir keine Stimmen aufgefallen. Ich würde sagen, so richtig laut wurden sie erst ab 40. Sind es vielleicht irgendwelche traumatisierten Anteile?

Oh mein Gott, hätte ich das bloß nicht gefragt. Schon ist das „Opfer“ wieder da.

Am besten ignoriere ich sie und lasse sie brabbeln. In der Regel kommen sie dann am schnellsten zur Ruhe.