Ich habe öfter folgenden Satz gehört: ,,Das bisschen zusammenmischen, das ist doch nicht schwer. Das bekomme ich selbst hin‘‘.

Das stimmt. Der Vorgang selbst ist nicht kompliziert, ebenso wenig wie z.B. der Vorgang des Impfens. Es ist kein Hexenwerk. Dennoch sollten einige Dinge bedacht werden und das Personal gut geschult werden. Warum? Das erkläre ich euch jetzt.

Wir impfen einen sehr sensiblen neuartigen Impfstoff mit mRNA. Die mRNA kann natürlich nur wirken, wenn sie intakt in dem Geimpften ankommt.

Um das etwas zu verdeutlichen:

Der Impfstoff ist so sensibel, dass er vor Ort rekonstituiert werden soll. Allein das Schütteln des verdünnten Impfstoffs kann bereits ausreichen, um Schäden an der mRNA zu hinterlassen.

Außerdem verdeutlichen auch die extremen Bedingungen der Lagerung (-60 bis -90°), wie sensibel dieser Impfstoff ist.

Dies bedeutet, dass die chemische/physikalische Stabilität eine Schwierigkeit in der Handhabung darstellt.

Nun zum mikrobiellen Problem.

Der Impfstoff enthält keine Konservierungsstoffe. Das ist auch gut so, es soll nicht mehr in die Formulierung als nötig. Allerdings erfordert dies eine aseptische (keimfreie) Herstellung.

Wie löst das die Industrie? In der Industrie wird der Impfstoff in aseptischen Abfüllanlagen abgefüllt. Hier handelt es sich um Räume höchster Reinheit (Reinraumklasse A). Material und Personal kommt nur durch besondere Schleusen in den Raum, die Reinheit der Luft wird durch Hochleistungsfilter gewährleistet. Sterile Reinraumkleidung verhindert die Partikelabgabe des Personals. Luftkeimzahl und Fußbodenkeimzahl werden überprüft…

Sodass am Ende die Vials mit dem Impfstoff in bester pharmazeutischer Qualität bei uns im Impfzentrum landen.

Um hier die gleiche hochwertige Qualität in die Impfspritze zu bekommen, sind keimarme Arbeitsplatzbedingungen, Schutzkleidung des Personals und das richtige Herstellungsregime sehr wichtig.

Ich habe bereits einige Impfdosen Comirnaty rekonstituiert. Dabei sind mir einige Stolpersteine aufgefallen, die ich gerne mit euch teilen möchte.

Schwierigkeiten, die die Stabilität beeinflussen können:

Unsachgemäßer Transport der Impfdosen nach dem Verdünnen (z.B. auf einem Rollwagen), zu starkes Schütteln der Impfdosen bei der Herstellung, Verwendung von zu kleinen Kanülen, zu schnelle Injektion (Scherkräfte/Druck schädigen die mRNA), Verwendung von zu großen Spritzen (Dosierungsprobleme), größere Luftansammlung in der Spritze (mehrmaliges Aufziehen/Austreiben schädigt mRNA), Nichteinhaltung der Kühlkette (Schädigung der mRNA).

All das sind Möglichkeiten, die die mRNA schädigen können. Was wäre die Folge? Mehr oder weniger funktionsfähiger Impfstoff pro Impstoffdose. Vermutlich ändert dies an der Wirksamkeit der Immunantwort nichts, allerdings sollte man bedenken, dass der ganze Aufwand drum herum (Impfzentren, Logistik, Personal) nur dafür betrieben wird, dass die Bevölkerung diesen Impfstoff ordnungsgemäß verabreicht bekommt. Möchte man dann letztendlich Abstriche hinnehmen?

Mikrobielle Stolpersteine.

Schlechte Arbeitsplatzdesinfektion, fehlendes Tragen von Schutzausrüstung, mehrfache Verwendung derselben Kanülen, fehlende Händedesinfektion, Störung des Herstellungsvorgangs durch anderes Personal, unprofessionelles aseptisches Arbeiten.

All das sind mikrobielle Stolpersteine. Was sind hiervon die Folgen? Verschleppen von Keimen, Infektion an der Einstichstelle? Blutvergiftung? Klar, das Risiko ist gering, aber es ist vorhanden.

Biontech selbst gibt in seiner Fachinformation eine chemische und physikalische Stabilität des verdünnten Impfstoffs von 6 Stunden bei 2-30°C an. Allerdings schreiben sie wortwörtlich: ,, Aus mikrobiologischer Sicht sollte das Produkt sofort verwendet werden. Bei nicht sofortiger Verwendung liegen die Aufbewahrungszeiten und -bedingungen für den Gebrauch in der Verantwortung des Benutzers.‘‘

Impfpanne in Stralsund

Bei der Impfpanne in Stralsund wurde versehentlich den Impfpersonen die fünffache Dosis verabreicht. Die herstellende Person hat das Impfstoff-Mehrdosenbehältnis verdünnt und den gesamten Inhalt in einer einzigen Spritze aufgezogen (statt in 5 aufgeteilt!). Der Impfarzt hat anschließend die fünffache Impfdosis verabreicht.

Gott sei Dank geht es den geimpften Personen gut und sie haben alle nach kurzer Zeit die Klinik verlassen. Aber was wäre, wenn diese Impfstoff-Überdosierung nicht so gut verträglich wäre? Was wäre, wenn die Geimpften verstorben oder geschädigt worden wären?

Fehler sind menschlich und passieren jedem. Aber solche Fehler dürfen einfach nicht passieren. Daher müssen Prozesse vorhanden sein, die sowas ausschließen. Und es muss sich vorher (!) mit diesem Arzneimittel beschäftigt werden. Vor allem, wenn es sich um einen neuen Impfstoff handelt, auf den die Aufmerksamkeit der ganzen Welt gerichtet ist.

Die Ärzte-Zeitung appelliert an die Ärzte ,,Vor der Corona-Impfung aufs Volumen schauen!‘‘. Ich möchte diesen Appel ausweiten, da nicht nur Ärzte impfen, sondern auch Pfleger, MTAs, Sanitäter oder geschulte Laien.

Bitte, bitte achtet vor der Verabreichung von Comirnaty auf das Volumen. Eine Impfdosis beträgt 0,3 ml des verdünnten Impfstoffs. Zudem sehen vier Augen besser als zwei.

Mein Fazit:

Man könnte sagen, man arbeitet mit einem rohen Ei. Man kann es in die Hand nehmen, es geht nicht sofort kaputt. Aber man sollte vorsichtig damit umgehen.

Die Herstellung ist kein Hexenwerk. Ebenso wenig wie das Impfen. Aber eine gründliche Vorbereitung ist wichtig. Gerade, wenn das mediale Interesse nur nach Fehlern/Problemen sucht, ist ein fehlerfreies Arbeiten umso wichtiger. Man trägt eine Verantwortung. Das Wohl des Patienten steht im Vordergrund.

Die Herstellung sollte von gut geschultem (am besten pharmazeutischem) Personal durchgeführt werden. Es ist eben nicht nur:

,,Das bisschen zusammenmischen, das ist doch nicht schwer. Das bekomme ich selbst hin‘‘.

Quellen:

[1] https://www.rnd.de/panorama/arzt-zur-impfpanne-in-stralsund-dieser-fehler-zerstort-mein-leben-EYSJZMR5L5DTZDZCHWEB2D34HM.html

[2] https://www.aerztezeitung.de/Wirtschaft/Vor-der-Corona-Impfung-aufs-Volumen-schauen-415933.html

[3] https://www.ptaheute.de/news/artikel/impfstoff-rekonstitution-was-muss-gemacht-werden/

[4] Biontech fachinformationen-comirnaty

[5]Biontech BNT162 Handlungshilfe für die Apotheke

[6] Rekonstitution des Biontech Impfstoffs von der Apothekerkammer Nordrhein: https://www.youtube.com/watch?v=B2LdiaxrH1Q&feature=emb_logo

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