Der Gedenktag der Kapitulation Deutschlands, der auch als Befreiung  von der Diktatur der Nationalsozialisten bezeichnet werden kann, sollte  eigentlich ein Tag sein, an dem alle am Krieg beteiligten Nationen mit  deren Repräsentanten hätten anwesend sein müssen. Es sollte doch  eigentlich darum gehen, dass Deutschland durch seine politischen  Repräsentanten denjenigen die Ehre und den Dank erweist, die unter  Einsatz von Millionen ihrer Bürger dafür gesorgt hatten, dass die  Nazidiktatur ihr Ende fand.

Was aus diesem Tag tatsächlich geworden ist, kann man auch getrost  vergessen, denn von einem würdigen Gedenken kann nun wirklich keine Rede  sein.

Die Verbindung der Nazibefreiung durch die Truppen der Alliierten in  einen Zusammenhang zur aktuellen Auseinandersetzung zwischen den USA und  Russland auf dem Territorium der Ukraine zu machen, kann nur noch als  geschmacklos und Missachtung des hohen Blutzolles derjenigen angesehen  werden, die Deutschland von den Nazis befreit haben. Es ist  ungeheuerlich, wie mittlerweile alles nur noch unter dem Blickwinkel der  vermeintlich immer auf der richtigen Seite stehenden Machthaber gesehen  wird. Es wird den Bürgern in einer schulmeisterlichen Art und Weise,  wie man es den Kindern gegenüber vermittelt, in das Gewissen geredet,  den Krieg auf keinen Fall zu vergessen, damit er sich nie wiederholen  kann. Dabei wird geflissentlich vom Bundespräsidenten verschwiegen, dass  sein Parteigenosse Pistorius es war, der von den Bürgern verlangte,  dass sie wieder kriegstüchtig werden sollten.

Für den Verfasser dieser Zeilen, der zweieinhalb Jahre vor Ende des  fürchterlichen Krieges geboren wurde und durch einen Bombenangriff der  Alliierten in Nordhausen seine Mutter und ein Teil der Verwandtschaft  unmittelbar vor Ende des Krieges 1945 verlor, dessen leiblicher Vater  seine Mutter nicht heiraten durfte, weil er als deutscher Offizier keine  Genehmigung erhielt, diese zu heiraten, weil sie als jüdisch eingestuft  wurde, ist es geradezu ein Hohn, von Politikern hören zu müssen, man  dürfe den Krieg nicht vergessen. Man muss endlich einen Schlussstrich  ziehen. Allerdings nicht in der Weise, dass man bereits wieder auf den  nächsten Krieg zusteuert. Der heutige Tag wäre 80 Jahre nach Kriegsende  ein guter Anlass zur Versöhnung und zum gegenseitigen Verstehen gewesen.  Dazu gehört auch ein Verstehen, warum gerade Russland für sich den  Eindruck hat, dass sein Land wieder von der politischen Landkarte  verschwinden soll.

Was ist das für ein Signal, an einem russischen Denkmal für die  Gefallenen des zweiten Weltkrieges – also die eigentlichen Befreier  Deutschlands, um im Jargon der heutigen Mächtigen zu sprechen – die  Kranzniederlegung der Ukraine mit ihrer jetzigen Nationalfahne  durchzuführen und die russische Fahne zu verbieten? Glauben die  Politiker, die sich dazu hergeben, aus einem Gedenktag eine politische  Agitationsveranstaltung zu machen, wirklich, dass dies den zukünftigen  Frieden fördert?

Wieder einmal wurde aktuell eine Chance vertan. Und wieder glaubte  man, damit die Bürger zu motivieren, sich zukünftig für den Frieden  einzusetzen. Der Krieg beginnt im Kopf. Er beginnt dort, wo Feindbilder  geschaffen werden. Hass führt zu weiteren Hass. Bundespräsident  Steinmeier sollte sich nicht so sehr Sorgen machen, dass die Bürger in  Deutschland den Krieg vergessen, er sollte darauf drängen, dass endlich  die politische Elite Deutschlands aufhört, weiter von Kriegstüchtigkeit  zu schwadronieren. Den Konflikt in der Ukraine wird man jedenfalls nicht  mit einem neuen Weltkrieg lösen. Darum sollte auch ein Bundespräsident  überlegen, ob nicht aktuell die Zeit gekommen ist, wieder das gemeinsame  Gespräch zu suchen.

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