Alle Jahre wieder kommt das Christuskind – und mit ihm ein Bakterium namens Campylobacter. Scharenweise schleicht es sich unbemerkt in unser trautes Heim, um uns kurze Zeit später mit Durchfall, Fieber und Bauchkrämpfen zu überraschen. Ach du liebe Weihnachtszeit!
Unsere Speisenauswahl bestimmt die Gästeliste
Oh du fröhliche: Im jährlich wiederkehrenden Rhythmus ertönen die uns seit Kindertagen vertrauten Weihnachtsmelodien. Plätzchen, Glühwein und Co. feiern ihr jährliches Comeback, und auch eines darf für die Allermeisten zum traditionsreichen Weihnachtsfest nicht fehlen: Ein ganz besondere Festmahl. Ausgesprochen häufig auf den Esstisch kommen zu diesem Anlass Fondue oder Raclette. Klassischerweise wird zu den zahlreichen Beilagen Fleisch gereicht – zur Zubereitung am eigenen Sitzplatz. So wird aus einem alltäglichen Abendessen ein interaktives Kochevent.
Rind- Schweine- und Hähnchenfleisch sind die bevorzugten Fleischsorten, die zu Weihnachten, aber auch zu Silvester ihren Weg in den Fondue-Topf oder auf den Raclette-Grill finden. Besonders beliebt allerdings nicht nur unter uns Feiernden, sondern auch unter Campylobacter-Bakterien, die beim Menschen unangenehme Infektionen auslösen können.
Campylobacter – Ein Porträt
Wer ist der ungebetene Gast, der uns Magen-Darm-Beschwerden, Fieber und Unwohlsein beschert, während wir doch gerade jetzt die unbeschwerte Zeit des Jahres genießen möchten? Campylobacter sind kleine, spiralig gebogene, stäbchenförmige Bakterien. Sie kommen weltweit bei Haus- und Nutztieren sowie in der Umwelt vor. Oft gelangen sie beim Melken oder Schlachten auf die Lebensmittel; von dort in die Supermärkte und schließlich in unsere Küchen (BfR 2019).
Befallen die Bakterien den menschlichen Organismus, können sie eine bakterielle Infektionskrankheit, die sogenannte Campylobacteriose auslösen. Weil es sich hierbei um eine Übertragung vom Tier auf den Menschen handelt, zählt die Campylobacteriose zur Krankheitsgruppe der „Zoonosen“. Als Hauptursache für Infektionen mit Campylobacter in Deutschland gilt der Verzehr von keimbelastetem Geflügelfleisch (EFSA 2010).
Hähnchenfleisch: Hier spielt die Campylobacter-Musik
Besonders auf rohem Geflügelfleisch fühlen sich die Bakterien wohl: 30 – 54 % der zwischen 2010 und 2020 in Deutschland untersuchten frischen Hähnchenfleisch-Proben waren mit Campylobacter belastet (BVL). Vernachlässigt man nur ein einziges Mal das Händewaschen oder verwendet dasselbe Schneidebrett für rohes Geflügel und anschließend für den Salat, kann es bereits zur Infektion kommen. Denn schon sehr geringe Keim-Mengen reichen aus, um die Darminfektion mit typischen Symptomen wie Durchfall, Fieber und Unterbauchkrämpfen auslösen. In Deutschland ist Campylobacter sogar der häufigste bakterielle Erreger von Durchfallerkrankungen.
Hochsaison: Der „Winter-Peak“
Obwohl Campylobacter Bakterien das ganze Jahr über Infektionen verursachen, schnellen die gemeldeten Erkrankungsfälle besonders nach Weihnachten und zum Jahreswechsel wiederkehrend in die Höhe (Abb. 1). Forschende des Robert-Koch-Instituts (RKI) vermuteten hinter diesem sogenannten Winter-Peak einen Zusammenhang zwischen den an Weihnachten und Silvester angebotenen Speisen und dem Auftreten von Campylobacter-Infektionen. Insbesondere interessierte sie, ob Erkrankungen vermehrt nach dem Fondue- oder Raclette-Essen auftreten.
In ihrer kürzlich veröffentlichten Studie belegten sie nun ihre Vermutung: Tatsächlich erkrankten signifikant mehr Menschen, wenn sie zuvor an einem Fondue- oder Raclette-Essen teilnahmen. Besonders deutlich zu sehen war dieser Zusammenhang, wenn Hähnchenfleisch gegessen wurde.
Warum jedoch bringen ausgerechnet diese beiden Gerichte ein erhöhtes Campylobacter-Infektionsrisiko mit sich, ist doch der Fleischkonsum in Deutschland das ganze Jahr über auf einem hohen Niveau ?
Treffpunkt Esstisch
Jedem ist klar: Um der Gefahr möglicher Keime auf dem rohen Fleisch zu entgegen, muss auf eine gute Lebensmittel- und Küchenhygiene geachtet werden. Ist das Fleisch gar, kann es bedenkenlos verzehrt werden. Die Infektionsgefahr bei den beliebten Weihnachts- und Silvestergerichten lauert jedoch weniger hinter unzureichend durchgebratenem Fleisch. Häufiger sind versehentliche Kontaminationen der bereits verzehrfertigen Beilagen verantwortlich. Liegen diese Lebensmittel gemeinsam mit dem rohen Fleisch auf einem Teller oder kommen mit demselben Besteck in Kontakt, kann es zu einer sogenannten Kreuzkontamination kommen: Die Keime gehen unbemerkt auf Lebensmittel über, die anders als das Fleisch, vor dem Verzehr nicht mehr gebraten werden. Keimbelastete Kartoffelbeilagen, Gemüse, Saucen und Co. können auf diese Weise die Eintrittskarte für Campylobacter-Bakterien in den Verdauungstrakt darstellen.
Auch das Berühren des rohen Fleischs mit bloßen Händen stellt ein hohes Infektionsrisiko dar; zumindest wenn man auf sofortiges Händewaschen verzichtet. Greift man nämlich anschließend etwa zu einem Stück Baguette, haben die Keime einfaches Spiel, den Menschen zu infizieren. In der durchgeführten Studie gaben Fondue-Esser häufiger als Raclette-Esser an, das rohe Fleisch mit bloßen Händen berührt zu haben. Ebenso lag das rohe Fleisch bei der Fondue-Gruppe öfter zusammen mit verzehrfertigen Beilagen auf einem Teller. Beides sind mögliche Erklärungen für das höhere Infektionsrisiko nach dem Fondue-Essen.
Die Studie zeigt: Der Verzehr von Fleisch-Fondue und Raclette erhöht das Risiko, sich mit Campylobacter-Bakterien zu infizieren – insbesondere, wenn Hähnchenfleisch verzehrt wurde. Der „Winter-Peak“ der Campylobacter-Infektionen geht auf die große Beliebtheit von Fondue und Raclette zu Weihnachten und Silvester zurück.
Schutz vor dem ungebetenen Gast
Das A und O, damit nach dem Festmahl alle Gäste gesund ins neue Jahr starten können, ist eine gründliche Küchenhygiene. Da beim Fondue- und Raclette-Essen jeder sein eigenes Süppchen kocht, ist erst Recht auf die Einhaltung der Hygieneregeln zu achten.
Dafür ist es wichtig, alle mit dem rohen Fleisch in Kontakt gekommenen Oberflächen und Gegenstände gründlich zu reinigen. Auch sollte man seine Hände vor und nach der Fleischverarbeitung ordentlich mit Seife waschen. Während des Essens ist es entscheidend, für das rohe Fleisch separates Besteck und Geschirr zu verwenden. Hierfür bietet es sich an, für jeden Gast ein gesondertes Schälchen mit mundgerecht geschnittenem rohem Fleisch vorzubereiten. Selbstverständlich sollte man auch immer auf ausreichendes Erhitzen des Fleisches achten.
Da Hähnchenfleisch das am häufigsten mit Campylobacter-Bakterien verunreinigte Fleisch ist, kann die Infektionswahrscheinlichkeit bereits durch eine alternative Fleischauswahl gesenkt werden. Auch dann gelten noch immer dieselben Hygienemaßnahmen am Esstisch.
Das konsequente Trennen von rohem Fleisch, insbesondere von Geflügel, und Lebensmitteln, die ohne weiteres Erhitzen gegessen werden, verringert das Infektionsrisiko drastisch und vermeidet unerwartete Überraschungen zum Jahresende. Wer auf Nummer sicher gehen möchte, entscheidet sich am besten für ein vegetarisches oder veganes Weihnachts- oder Silvestermenü.
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