Hinter Uwe Junges widerlichem Tweet von gestern stecken viel Doppelmoral, doppelte Standards und jede Menge Blindheit.

Der Reihe nach:

Der AfD-Politiker und Offizier a.D. kann nicht einfach den Sieg der furios auftretenden Nationalmannschaft genießen. Nein, er sucht offenkundig ein Haar in der Suppe. Hätte doch Ilkay Gündogan die Hymne nicht mitgesungen. Dann wäre er Ziel der Attacke aus dem Hause Junge geworden. Ganz bestimmt. Aber Herr Gündogan hat aus vollem Halse mitgesungen. Pech für Herrn Junge und Gleichgesonnene.

Also weitersuchen. Ah, Manuel Neuer trägt nicht schwarzrotgold am Arm. Die Kapitänsbinde hat doch schwarzrotgold zu sein!

Ist das so? Die Binde war jahrzehntelang einfach nur schwarz. Neuerdings ist sie patriotisch aufgeladen in schwarzrotgold. Der harmlose Fußballpatriotismus boomt vor allem, wenn das „Team Deutschland“ erfolgreich spielt. Gestern tat sie mehr als das: Sie spielte engagiert und kreativ. Ein Robin Gosens spielte sich in die Herzen all jener, die ihn bis gestern nicht kannten. Cool. Das ganze Land hatte Spaß, ob Weiße, Bio-Deutsche, Neu-Deutsche, Menschen mit Migrationshintergrund – im Taumel waren alle glücklich miteinander. Alle? Nicht ganz. Da ist ja noch Uwe Junge.

Uwe Junge scheint noch nicht verstanden zu haben, dass Toleranz gegenüber anderen Sexualitäten als die eigene, heute zum Common Sense in Deutschland und Westeuropa gehört. Diese Toleranz ist Teil eines schwer zu definierenden Grundkonsenses einer Gesellschaft. Ganz selbstverständlich leben wir heute Tür an Tür mit Paaren, die schwul, lesbisch oder noch ganz anders leben. Ja, sie leben! Sie leben ihre eigene Sexualität! Egal, was ein Miesepeter aus Rheinland-Pfalz davon halten mag!

Die Reaktion auf seinen unsäglichen Tweet sind allerdings oft ähnlich doppelmoralisch und blind:

Weder Uwe Junge von der AfD noch die große Schar seiner Kritiker und Kritikerinnen fällt auf, wie widersprüchlich sich die UEFA verhält. Sie kritisiert zurecht Viktor Orbans Haltung gegenüber der LGBT-Community in Ungarn. Oder auch in Russland, Polen, Serbien usw. Ja, diese Kritik umfasst vor allem auch die Kritik an der Gewalt gegen die Pride-Paraden und CSDs in den genannten Staaten und ihren Hauptstädten. Die Situation der Menschenrechte entspricht nicht den Standards in Deutschland, Frankreich, Holland, Österreich usw. Kritik ist auch immer die Chance zur Selbstreflexion der Kritisierten.

Das gesamte Engagement der UEFA gegen die Diskriminierung von Homosexuellen und der LGBT- Menschen überall ist verlogen und heuchlerisch, weil die UEFA die EM 20/21 von zwei Staatsunternehmen bezahlen lässt. Alipay ist chinesisch und gehört zu dem Staatskonzern Alibaba. Beim Sponsor Qatar-Airways hat die UEFA sicher nicht nach der Situation Homosexueller in Katar nachgefragt. Die Sponsoren-Auswahl entspricht also nicht der zur Schau getragenen Haltung und wirkt deshalb verlogen und widersprüchlich. Damit ist das Engagement der UEFA und auch das des DFB gegen die Diskriminierung von LGBT-Menschen unglaubwürdig. Selbst das zurecht gezeigte Engagement gegen jede Form von Rassismus leidet an diesen Gegensätzen, solange die Verbote „homosexueller Propaganda“ in Ungarn und Russland ausschließlich kritisiert werden. In Katar ist Homosexualität einfach vollständig verboten.

Das aktuelle norwegische Volksbegehren gegen die eigene Teilnahme an der WM in Katar im nächsten Jahr zeigt, wie Haltung wirklich geht. Die asiatischen Sklaven auf den WM-Baustellen in Katar sind so lange schon Thema, wie es die Entscheidung für diese fragwürdige Fußball-Weltmeisterschaft ist.

Hätte Uwe Junge diese Widersprüche aufgedeckt, benannt und kritisiert, hätte er Hochachtung verdient gehabt. So aber braucht er sich selbst über Verachtung, Stirnrunzeln und jede Menge Kritik nicht zu wundern. In einem Staat, der an den Wertvorstellungen Uwe Junges ausgerichtet ist, möchte ich nicht leben. Aber auch nicht in Katar. Schützen wir uns vor Menschenfeindlichkeit und bewahren wir unsere Gelassenheit, Toleranz und bemühen wir uns um Verständnis, auch wenn dies wie hier auf allen Ebenen unmöglich scheint. Möge Uwe Junge lernen, in welchem Land er lebt! P.S.: Homosexualität ist genauso „normal“ und genauso pervers wie Heterosexualität. Eigentlich ganz einfach! Ich weiß übrigens noch immer nicht, was eine "Schwuchtelbinde" eigentlich ist, würde sie aber sicher auch als heterosexueller Mann tragen! Aus Solidarität!

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