Jeden Juni wird weltweit der Pride Month gefeiert – ein Monat, der queere Sichtbarkeit, Selbstbestimmung und Solidarität in den Vordergrund rückt. Doch während die queere Community bunter, lauter und präsenter ist denn je, fühlen sich viele trans Menschen auf Dating-Apps nach wie vor ausgeschlossen, unsicher und nicht ernst genommen. Ihre Erfahrungen reichen von Ignoranz über Fetischisierung bis hin zu offener Diskriminierung – ein Spiegelbild der gesellschaftlichen Vorurteile, die auch in der digitalen Welt fortbestehen.


Dating-Apps: Vom Hoffnungsträger zum Risikofaktor

Dating-Apps gelten seit Jahren als praktische Möglichkeit, potenzielle Partner kennenzulernen – besonders für Menschen, die nicht dem klassischen cis-heteronormativen Ideal entsprechen. Für viele trans Männer stellt sich jedoch schnell Ernüchterung ein: Entweder sie erhalten kaum Matches oder sie werden von vermeintlich "offenen" Personen auf ihre Körper reduziert.

Eine Studie von ts-dating zeigt, dass über 60 % der trans Nutzer:innen sich auf Dating-Plattformen unwohl fühlen. Besonders häufig wird dabei von trans Männern berichtet, die von cis Männern angeschrieben werden, die sich selbst als hetero bezeichnen – und dennoch gezielt nach trans Profilen suchen. Was auf den ersten Blick wie Offenheit wirken könnte, entpuppt sich oft als Fetischisierung.

„Sie stehen nicht auf uns als Menschen – sie stehen auf bestimmte Körperteile oder die Idee von uns“, berichtet ein User in einem trans Maskulinum-Forum.


Sichtbarkeit mit Risiko

Ein zentrales Dilemma, vor dem viele trans Männer stehen, ist die Frage: Soll ich meine Trans-Identität im Profil offenlegen – oder nicht? Einerseits kann Transparenz unangenehme oder sogar gefährliche Situationen vermeiden. Andererseits führt Offenheit oft zu Ablehnung, Belästigung oder zur Reduzierung auf trans-spezifische Merkmale.

Ein Beispiel: Auf Plattformen wie Tinder oder Bumble wurden in der Vergangenheit Profile von trans Personen gelöscht oder gesperrt, sobald sie in ihrer Bio „trans“ erwähnten – angeblich wegen Verstößen gegen die Richtlinien. Ein fatales Signal in einem Raum, der eigentlich Diversität feiern sollte.


Stereotype in queeren Dating-Apps

Auch in queeren Spaces – etwa auf Grindr oder in schwulen Dating-Apps – sehen sich trans Männer mit Stereotypen konfrontiert. Sie werden als „weichere“ Männer gesehen, oft sexualisiert oder gar bemitleidet. Viele berichten, dass sie entweder komplett ignoriert oder nur dann angeschrieben werden, wenn sie explizit in ihrem Profil auf ihre trans Identität hinweisen.

„Wenn ich nichts schreibe, kommt kein Match. Wenn ich schreibe, dass ich trans bin, kommen Nachrichten wie ‚Schon mal mit einem richtigen Mann geschlafen?‘ – es ist entwürdigend“, so ein Nutzer.


Wie Dating-Apps trans Männer besser unterstützen können

Die bestehenden Probleme sind kein Einzelfall, sondern systemisch. Die meisten Dating-Plattformen wurden ursprünglich für cis-hetero Nutzer:innen konzipiert und erweitern ihre Optionen nur langsam. Dabei gäbe es konkrete Maßnahmen, die helfen könnten:

Bessere Filterfunktionen: Möglichkeit, gezielt nach transfreundlichen oder queeren Nutzern zu filtern.

Mehr Geschlechtsoptionen: Nicht nur „Mann/Frau“, sondern auch trans, nicht-binär, genderqueer etc.

Stärkere Moderation: Schnelles Eingreifen bei transfeindlichen oder fetischisierenden Nachrichten.

Trans-Inklusion in Marketing & Design: Klare Zeichen, dass trans Personen willkommen sind – nicht nur im Pride Month.


Empowerment: Was trans Männer selbst tun können

Auch wenn der Großteil der Verantwortung bei den Plattformen liegt, gibt es Wege, wie trans Männer sich besser schützen und wohlfühlen können:

Apps wählen, die queer-freundlich sind, z. B. Taimi, Lex oder Her – hier ist die Community offener und die Funktionen inklusiver.

Klare Kommunikation im Profil, z. B. was gesucht wird (z. B. keine Cis-Hetero-Männer), kann helfen, ungewollte Kontakte zu minimieren.

Grenzen setzen und blockieren, ohne schlechtes Gewissen – Respekt ist kein Luxus, sondern Voraussetzung.

Offline-Communities nutzen, z. B. queere Stammtische oder lokale Gruppen, um das eigene Selbstwertgefühl zu stärken.


Fazit: Pride Month – und trotzdem unsicher?

Der Pride Month sollte eigentlich ein Moment der Anerkennung und Sicherheit sein. Doch für viele trans Männer fühlt sich das Online-Dating im Juni genauso einsam und schwierig an wie in jedem anderen Monat. Solange Dating-Plattformen trans Männer nicht aktiv einbinden, bleibt echte Gleichstellung ein leeres Versprechen.

Was wir brauchen, sind digitale Räume, die nicht nur tolerieren, sondern aktiv respektieren. Und das nicht nur im Juni – sondern das ganze Jahr über.