Nein, das tun sie nicht!

Wir freuen uns, dass unser Paper “The Adjustment of Labor Markets to Robots”, zu Deutsch "Die Anpassung der Arbeitsmärkte an Roboter", zur Veröffentlichung im Journal of the European Economic Association (JEEA) angenommen wurde:

Es war eine lange Reise - beginnend im September 2017, als wir die vielgelesene VoxEU-Kolumne zum ersten Mal veröffentlichten (die Älteren in der Ökonomen-Bubble auf Twitter erinnern sich vielleicht noch).

The rise of robots in the German labour market
Recent research has shown that industrial robots have caused severe job and earnings losses in the US. This column explores the impact of robots on the labour market in Germany, which has many more

Und nun, vier Jahre später, können wir die finale Version präsentieren:
https://drive.google.com/file/d/1dNv9lbduNUBzUuqwTxcFngD9JgXT-TKk/view

Das Paper erhielt in über 25 Ländern Medienaufmerksamkeit.

Ein persönliches Highlight war mein Doppelinterview in der FAZ mit dem Popstar-Philosophen Richard David Precht, in dem ich argumentierte, dass seine Behauptung - Roboter verursachen Massenarbeitslosigkeit -, nun ja, falsch ist.

Digitalisierung: „Sprechen Sie nie wieder von Massenarbeitslosigkeit“
Die Digitalisierung bedroht die Gesellschaft, sagt der Philosoph Richard David Precht. Der Ökonom Jens Südekum widerspricht: Sie bringt viel Wohlstand. Ein Streitgespräch.

Ich werde hier nicht den üblichen zusammenfassenden Artikel über Methoden & Ergebnisse veröffentlichen - lesen Sie das Paper lieber selbst 😉 .

Stattdessen werde ich mich auf einen (potentiell politikrelevanten) Aspekt konzentrieren: Wie sind die deutschen Arbeitsmärkte in der Vergangenheit mit großen Transformationen umgegangen? Vielleicht als Leitfaden für die Zukunft.

Beginnend in den 1990er Jahren hielten Roboter Einzug in die deutsche Produktion.

Dies hat zu Verlagerungen von Aufgaben geführt. Viele Produktionsschritte, die zuvor von Menschen ausgeführt wurden, wie zum Beispiel die Montage von Autos, wurden nun vollständig von Robotern übernommen.

Offensichtlich hat dies viele Sorgen über Technologische Arbeitslosigkeit hervorgerufen.

Aber unser wichtigstes Ergebnis ist, dass die Firmen die verdrängten Arbeiter nicht entlassen haben. Stattdessen behielten sie sie (größtenteils) und bildeten sie um, und die meisten von ihnen übernahmen neue und komplexere Aufgaben an ihrem Arbeitsplatz.

D.h., der gleiche Typ, der früher an Autos schraubte, wurde zu einem Mitarbeiter für Wartung, Software, Marketing... umgeschult.

Sicher, die Firmen hätten die Autoschrauber feuern können und nach jungen Spezialisten suchen können, um die neuen Stellen zu besetzen. Aber sie entschieden sich anders und setzten auf "firmenspezifisches Humankapital".

War das freiwillig? Sicher, aber mit einer Besonderheit.

Wir finden Belege dafür, dass die Umschulungs- und Weiterbeschäftigungsstrategie häufiger in Regionen mit einem höheren gewerkschaftlichen Organisationsgrad gewählt wurde. Das spiegelt wahrscheinlich eine Art Absprache zwischen Management und Betriebsräten wider...
In der Art: "Ok, wir halten an den alten Leuten fest, aber dann mäßigt ihr eure zukünftigen Lohnforderungen". Das sicherte die Arbeitsplätze der Alteingesessenen

Am Ende scheint Deutschland den Siegeszug der Roboter besser verdaut zu haben als die USA, trotz der Tatsache, dass Deutschland viel stärker durchrobotisiert ist als die USA.

In einer vergleichbaren Forschungsarbeit stellen Daron Acemoglu (MIT Department of Economics) und Pasqual Restrepo fest, dass Roboter auf dem amerikanischen "hire&fire"-Arbeitsmarkt schwere Job- und Lohnverluste verursacht haben.

So etwas gibt es in Deutschalnd nicht - das korporatistische deutsche Modell hat sich also offenbar gut bewährt.

Robots and jobs: Evidence from the US
As robots and other computer-assisted technologies take over tasks previously performed by labour, there is increasing concern about the future of jobs and wages. This column discusses evidence that

Eine weitere positive Nachricht ist, was aus der jungen Generation in Deutschland als Antwort auf die Roboter geworden ist.

Da sich die Firmen vor allem für die Weiterbeschäftigung der Alteingesessenen entschieden, bedeutete dies, dass weniger neue Fabrikarbeitsplätze in der Produktion geschaffen wurden.
Junge Berufseinsteiger mussten also ihre Karriere woanders starten. Und das taten sie auch! Meistens im Bereich der unternehmensbezogenen Dienstleistungen zu vergleichbaren Einstiegslöhnen.

Wir stellen sogar fest, dass junge Studierende in Erwartung all dieser Veränderungen durch den "Roboterschock" reagierten, indem sie mehr in ihre Ausbildung investierten.
Die Verlierer waren die alteingesessenen Arbeitskräfte, für die die Weiterbeschäftigungsstrategie nicht aufging,

Die Pechvögel waren jene etablierten Unternehmen, für die die Ret(r)aining-Strategie nicht aufging, möglicherweise weil sie für vergleichsweise schwache, unrobotisierte Firmen arbeiteten, die Marktanteile verloren haben.

Mehr dazu können Sie im Folgepaper lesen:

Robots and the rise of European superstar manufacturers
The claim in a 2016 report from The Economist that a small group of ‘superstar firms’ were “once again dominating the global economy″ referred mostly to American internet giants, but recent research

Was könnte all das nun für die Zukunft bedeuten?

Offensichtlich stehen in vielen Branchen ganz massive Veränderungen an, im produzierenden Gewerbe und darüber hinaus.
Nicht länger durch Roboter, sondern durch andere digitale Technologien und durch die Notwendigkeit, CO2-Emissionen zu reduzieren. Die Bedenken sind ähnlich.
Was wird mit den Arbeitern geschehen, die heute Verbrennungsmotoren oder Teile dafür herstellen? Was wird mit kleinen Städten wie Kirchheimbolanden passieren, deren lokale Wirtschaft stark von einer einzigen Firma abhängt, die zufällig Dieselturbolader herstellt?

Kirchheimbolanden: Stellenabbau auch im Entwicklungszentrum von Borg Warner - Donnersbergkreis
Die schlechten Nachrichten reißen beim amerikanischen Automobilzulieferer Borg Warner nicht ab. Nicht nur im Werk werden zahlreiche Stellen abgebaut, ...

Fraunhofer zumindest behauptet, dass die Gesamtzahl der Arbeitsplätze in der neuen, grünen Autoindustrie in etwa die gleiche sein wird wie heute.

Aber es werden ganz andere Jobs sein: weniger das Schrauben an Turboladern, mehr Kundendienst für selbstfahrende Elektrofahrzeuge usw.

Elektromobilität - Fraunhofer ISI
Das Fraunhofer ISI untersucht in diversen Projekten unterschiedliche Faktoren der Elektromobilität. Schwerpunkte sind unter anderem Markthochlaufszenarien, neue Mobilitätskonzepte sowie Nutzerakzeptanz.

Positiv zu vermerken ist, dass unser Roboter-Paper die Hoffnung weckt, dass das deutsche produzierende Gewerbe diese Transformation auf ähnliche, nicht-disruptive Weise bewältigen könnte. Aber damit das funktioniert, sind Training on the Job und Ausbildung wahrscheinlich die entscheidenden Elemente.

Wir werden sehen, ob das klappt.

Für den Moment sind wir sehr froh, dass unsere Arbeit in einem guten Journal wie dem JEEA gelandet ist, und wir hoffen, dass Sie sie gerne lesen werden.

Und denken Sie an das Paper, wenn Sie das nächste Mal Schlagzeilen wie diese sehen 🤖: