Wie kommt man denn bitte auf so ein Thema? Nun ja, ganz konkret war es in meinem Working Out Loud Circle letzte Woche die Aufgabe, 50 Fakten über mich selbst aufzuschreiben. Und da findet sich als Nr. 48: „In meinem ersten Rhetorik-Seminar hat der Trainer so lange über mein störendes Lispeln gesprochen bis meine Zunge gefühlt doppelt so groß war und ich mich nicht mehr getraut habe, irgendetwas vor Publikum zu sagen.“ Das hat sich inzwischen erledigt. Nicht das Lispeln. Aber die Auftrittsbremse.

Ich empfehle immer, möglichst viel zu üben, um ein überzeugender Präsentator zu werden und das bitte auch immer wieder vor der Kamera. Was, frage ich mich nun aber, wenn mir das, was ich da sehe, so gar nicht gefällt? Und wenn es dann noch so scheinbar unveränderliche Dinge wie Lispeln, Rotwerden, Ähhhms sind, die mich stören? Einige Gedanken dazu:

1. Lispeln. Eine Lautbildungsstörung der Zischlaute, für die es komplizierte lateinische Namen gibt und die schon allein dadurch irgendwie nach Krankheit klingt. Die Laute s, sch und ch sind für den Stimmapparat eine große Herausforderung; sie werden auch erst recht spät gelernt. Und natürlich kann da im Zusammenspiel von Zunge, Zähnen etc. mal etwas schief gehen. Wie so viele war ich als Kind beim Logopäden und habe gelernt, diesen Prozess halbwegs zu optimieren. Wenn allerdings „Störer“ auftauchen, Nervosität zum Beispiel (oder Alkohol), setzt die gelernte Kontrolle aus und es zischt halt (ein bisschen). Was definitiv nicht hilft: Das Verhalten meines ersten Rhetorik-Trainers. Er hat aus einem Phänomen ein Problem gemacht. Alle Aufmerksamkeit darauf gerichtet und es meiner gelernten Optimierung unmöglich gemacht, zu wirken (denn sie wirkt unbewusst). Was mir dagegen geholfen hat: Diese Eigenart anzunehmen, das gehört zu mir. Und solange die erste Reihe der Zuschauer keinen Regenschirm braucht und ich verständlich bin – so what! Annehmen heißt der Königsweg.

2. Rotwerden. In einem Seminar fragte mich einmal eine Studentin, was sie gegen ihr Erröten tun könne. Ich antwortete reflexhaft „Annehmen“. Nicht ahnend, dass sie nicht nur ein wenig rot wurde, sondern tatsächlich „in Flammen stand“ als sie dann präsentierte. Interessanterweise gibt es zu den Ursachen dieses Phänomens in der Wissenschaft zwar verschiedene Theorien, bewiesen ist aber keine. Eine besagt, es könne eine Art Schutzmechanismus sein; bei einem Regelverstoß signalisiert die Rötung „Ich weiß, ich habe einen Fehler gemacht, es tut mir leid. Stoßt mich nicht aus.“ Klar ist, die rein körperliche Ursache liegt in Haut und Gefäßen, geht dazu oft mit weiteren Stress Symptomen einher wie Herzklopfen, feuchte Hände etc. Und sie hat etwas zu tun mit Scham oder Angst. „Annehmen“ ist eine gute Strategie für alle, die manchmal ein wenig rot werden. Hej, ich bin ein ehrlicher Mensch, ab und zu sieht man besonders deutlich, wie ich mich fühle. So what! Für meine Studentin war das keine Option. Bei ihr kam zu dem wirklich starken Erröten noch die Angst vor dem Erröten hinzu und damit schließlich auch eine Angst vor dem Auftritt insgesamt. Ich habe ihr Mut gemacht, sich aktiv damit auseinander zu setzen, sich Hilfe zu suchen – anders als dies im Rahmen einer Vorlesung geht.

3. Ähhhm.Nun haben wir…äähh….der normal verhaltene Bär lebt im Wald geht niemals ähh raus. Und ähh…reißt vielleicht ein bis zwei Schafe im Jahr. Ähh…wir haben dann einen ääh einen Unterschied zwischen dem sich normal verhaltenden Bär und dem ääh Problembär.“ Edmund Stoiber, von dem dieser O-Ton stammt, ist sicher ein Großmeister des Ähhm und ähh. Man nennt es Verzögerungslaute oder auch Verlegenheitslaute, ich nenne es Denkgeräusche. Das Gehirn sortiert sich, sucht nach dem nächsten Wort und verrichtet seine Tätigkeit ausnahmsweise einmal nicht lautlos. Und nun? Solange nur vereinzelte Denkgeräusche auftreten, finde ich das total unproblematisch. So waht! Dass ich denke, bevor ich spreche, ist doch eigentlich eine gute Nachricht. Wenn sie aber zum „Problembär“ werden, wenn der Gesprächspartner sich mehr aufs Ähhhm konzentriert als auf mich, dann besteht definitiv Handlungsbedarf. Hilfreiche Ansätze sind:

  • Lerne Pausen zu lieben. Als Stille. Nutze Denkmomente zum Atmen. Wer einatmet, ähhhm-t nicht.
  • Lerne von Aristoteles & Co. Rhetorische Formeln helfen, Argumente präzise und kompakt zu formulieren. Wenn das Denken einem visualisierten Plan folgt, macht es erfahrungsgemäß weniger Geräusche. (Wenn Sie Rhetorische Formeln nicht kennen und Google auch nicht weiterhelfen kann, melden Sie sich gerne bei mir).
  • Lerne Dich selbst kennen. Wenn Sie wissen, wann Verzögerungslaute gehäuft auftreten, wenn Sie verstehen, wann Ihr Denken hörbar ist, können Sie diese Dinge gezielt vorbereiten.

Ich rate zu Gelassenheit, wenn es um Lispeln, Rotwerden, Ähhhm und Ähnliches geht. Meist stört es uns selbst mehr, als den Zuhörer. Und ich rate zum Mut, sich Hilfe zu holen, wenn solche Themen wirklich hemmend werden, wenn sie die Komfort-Zone zu einem Ein-Personen-Zelt machen. Logopäden, Coaches, Stimm- und Auftrittstrainer kennen sich aus und können helfen. Wer mir hilft? Ali! Atmen, Lächeln, Innehalten.