"Wann kommt Papa?"

Diese Worte hämmern in meinem Kopf, schnüren mir die  Kehle zu. "Ich weiß es nicht, mein Schatz." Wie oft er das schon von mir gehört hat, wie oft seine traurigen Augen mich dabei  schon angeschaut haben, und er sich danach wieder seinen Spielsachen widmet, sich in seine eigene kleine, heile Welt spielt.

Keno*, ein kleiner, blonder Junge. 3 Jahre alt, der sich mehr und mehr zurückzieht. Niemandem in die Augen schaut, keine Hand erwidert, die sich ihm entgegenstreckt. Mir fällt auf, dass er immer seltener lacht. Dass er keine Freundschaften im Kindergarten schließt. Er geht sehr gerne in den Kindergarten, nimmt aber ungern an Gemeinsamkeiten teil, spielt lieber für sich, maximal mit einem anderen Kind. Schließt sich ein weiteres Kind dem Spiel an, zieht er sich zurück, wird leicht aggressiv.

Ich bin seine Mutter, 37. Selbstbewusst, stark, stehe mit beiden Beinen im Leben. Ich bin seit 1 Jahr getrennt vom spielsüchtigen Mann. Kein aggressiver Mann, nur furchtbar krank. Ich hab versucht zu helfen, ihm den Weg aus der Spielsucht zu ermöglichen - keine Chance. Ich musste gehen. Ich wusste, nur das wird helfen. Dem Kind, mir und auch ihm selbst. Nach 3 Jahren Ehe, also was man so bezeichnen kann, wenn man mit einem hochgradig spielsüchtigen Mann zusammen ist, dessen Spielsucht man erst nach 4 Monaten Ehe herausgefunden hat, weil Geld fehlte, Pfandgut plötzlich weggebracht wurde, um 3 Euro in den Automaten stecken zu können. Weil man plötzlich nachts aus dem Bett geholt wird, mit den Worten "Ich hab einen Lauf, hast du Geld? Gib mir deine EC Karte und die Pin" und "Wenn du das nicht machst, hau ich die Bude kurz und klein", es aber nie zu Handgreiflichkeiten kam.  Dass es in der letzten Phase, am letzten Tag in der gemeinsamen Wohnung dann doch sehr böse, und aggressiv zugehen wird, lag außerhalb meines Denkens.

Es war nur ein kleiner Augenblick. Ein Pärchen hatte sich gerade meine Küche angeschaut, die wegen meines Umzuges zum Verkauf stand. Mein Mann hielt sich dem Gespräch fern, beobachtete aber das Geschehen. Außerhalb seines Sichtfeldes, übergab mir das Pärchen 100,00 Euro als Anzahlung. Sie verabschiedeten sich, und ich steckte mir den Schein in meinen BH. Wohlweislich, dass er gehört hat, dass ich Geld bekam.

Wir sprachen nicht. Ich ging mit unserem Zweieinhalbjährigen ins Kinderzimmer, um ihn Bettfertig zu machen. Schlafanzug an. Wir gingen zurück ins Wohnzimmer, um Papa gute Nacht zu sagen. Dann ging ich mit Keno ins Zimmer zurück. Es war der 6. Februar. Draußen fiel leichter Schnee, als ich den Rollo von Fenster und Gartenzugang herunter ließ.

Plötzlich stand er hinter mir. "WO IST DAS GELD?" raunte er mir ins Ohr. "Es gehört nicht dir allein, auch ich wohne hier!" Ich erwiderte ruhig, dass ihm nichts gehörte, nicht einmal die Klamotten, die er trug. Seine Hand umklammerte meinen Arm. Er kam mir eindeutig zu nah. Er war 1,94m groß, ich 1,68m. Er wiederholte seine Frage: "WO IST DAS GELD?" Ich versuchte mich aus seinem Griff zu lösen, und sagte "du bekommst es nicht". Er presste mich daraufhin mit seinem Gewicht gegen die Fensterbank, seine linke Hand wurde fester um meinen Arm, seine rechte Hand schoss zu meinem Hals. Mein Kopf bog sich nach hinten, im Blick hatte ich unseren Sohn, der noch ein paar Spielsachen aus dem Wohnzimmer auflas. Ich schrie nicht. Ich dachte, er lässt sofort wieder los. Tat er nicht. Der Druck auf meinen Hals wurde stärker, er hielt mich mit ausgestreckten Arm. Mein Kopf gegen die Fensterscheibe gedrückt. Ich hatte Angst, die Scheibe würde bersten. Dann wurde mir klar, dass mir die Luft wegblieb, er fester zudrückte. Es geschah lautlos. Er hatte mich fest im Griff. Ich fing an zu röcheln, mir war nicht wirklich bewusst, was da geschah. Ich sah schon meinen Kopf in der kaputten Scheibe vor mir.

Plötzlich ein Ziehen an meinem Pulli. "Mama?" Unser Sohn drängte sich an uns. Mein Mann ließ so schnell ab von mir, wie er zugriff. Ich nahm Keno auf den Arm. Mein Mann verließ das Kinderzimmer und zischte mir zu: "Die Küche bekommt niemand, ich schlage sie kurz und klein!" Er ging zur Abstellkammer, in der Werkzeuge gelagert waren, und kramte einen großen Hammer hervor. Ich schnappte mir das Telefon aus dem Flur, und schloss mich mit Keno im Zimmer ein. Mein Mann tobte, wollte ins Zimmer. Ich schob die Wickelkommode vor die Tür, während ich die Nummer der Polizei wählte. Ich erklärte meine Situation, und man versicherte, dass Hilfe kommt.

Es kam niemand. Hammerschläge donnerten gegen die Tür, mein Mann tobte, verlangte nach den 100,00 Euro. Ich zog den Rollo der Tür zum Garten ganz leise und in Zeitlupe nach oben, immer in der Angst, er hört es, geht zum Schlafzimmer zur zweiten Tür die ebenfalls direkt nebenan zum Garten führte. Aber er tobte noch im Flur. Ich zog Keno eine dicke Jacke an, nahm ihn auf den Arm, öffnete leise die Tür, und trat nach draußen. Barfuß. Es war eisig kalt. Draußen wählte ich erneut die Nummer der Polizei, und flüsterte leise, sie sollen bitte kommen. Ich wurde vertröstet, dass bei dem Wetter einige Unfälle waren, man würde kommen. Ich tapste mit meinem Kind auf dem Arm, barfuß durch den Schnee, an der Eingangstür vorbei, zur Straße. Dann lief ich einfach los. Meine Freundin wohnte ca 500m weiter. Es war inzwischen 21 Uhr. Sie ließen mich rein, ich erzählte atemlos und unterkühlt was passiert ist. Der Mann meiner Freundin bot mir einen Schnaps zur Beruhigung an, was ich jedoch ablehnte. Dann rief er die Polizei,         5 Minuten später waren sie da. Sie nahmen Keno und mich mit dem Wagen mit nach Hause. Dort stand mein Mann seelenruhig in der Küche, schmierte sich seine Brote für die beginnende Nachtschicht. Ein Beamter bat ihn, dies zu unterbrechen, und das Messer wegzulegen. Auf dem Küchentisch lag der Hammer. Mein Mann weigerte sich, mit dem Zubereiten seiner Brote aufzuhören, er müsse schließlich zur Arbeit. Beide Beamten bauten sich darauf hinter ihm auf, und machten ihm klar, dass er der Aufforderung folgeleisten zu hätte. "Was wollt ihr denn überhaupt hier" schnaubte er die Beamten an, "meine Frau spinnt, wir hatten Streit, ihr könnt wieder abzischen!" Dann ging alles sehr schnell, der Beamte verbog den Arme meines Mannes nach hinten, und führte ihn ins Wohnzimmer. Dort forderte er ihn auf, sich zu setzen, und sich ruhig zu verhalten. Er gehorchte, die Beamten baten ihn, ihnen den Haustürschlüssel zu übergeben, er solle seine Arbeitssachen packen, geleiteten ihn nach draußen. Dort forderten sie ihn auf, nach der Arbeit nicht hierhin zurück zu kehren, sondern sich eine andere Bleibe für die nächste Zeit zu suchen.

Als er, und die Beamten, die meine Anzeige noch aufnahmen, weg waren, nahm ich Keno mit ins Bett, und wir schliefen auch schnell ein.

Am nächsten Morgen stand mein Mann natürlich kurz nach 6 vor dem Fenster, und klopfte. Ich habe ihn nie wieder reingelassen. Nicht in diese Wohnung, und auch nicht in die nächste, in die ich 5 Wochen später einzog.

Daraufhin entschied sich mein Mann sein Kind zu vergessen, und sich auch Monate später nur sporadisch zu melden, unserem Sohn Versprechungen zu machen, die er meistens nicht hielt. So stand mein Sohn immer öfter am Fenster, schaute erwartungsvoll auf den Parkplatz runter, und von Jahr zu Jahr hatte ich weniger Ausreden parat, die meinem Sohn nicht das Gefühl gaben, vom Vater unerwünscht, und abgelehnt  zu sein. Denn eines war mir immer wichtig: Er bleibt der Vater meines Kindes, und ich fing an mit dem Jugendamt zusammen zu arbeiten, um ihn mit Druck einer Behörde zu bewegen, seinen Vaterpflichten nachzukommen. Natürlich wollte er den Unterschied Trennung von Frau, und trotzdem Vater sein, nicht verstehen. Er  glaubte, wie viele Väter, wenn er sich nicht kümmert, trifft es nur die Ex, und nicht die Seele des Kindes. In unserem Fall falsch gedacht. Mein Sohn zog sich mehr und mehr zurück, Kindergartenfotos mit Gruppe, habe ich nie bekommen, weil er sich weigerte mit auf´s Bild zu gehen. Freundschaften hat er nie entwickelt, oder sie beendet, sobald ein drittes Kind involviert wurde. Mit 6 waren wir das erste Mal bei einem Kinderpsychologen, der sich an 5 Sitzungen mit ihm auf den Boden setzte, und spielte, und konnte keine Verhaltensauffälligkeiten feststellen. Im Gegenteil. Das Kind würde sogar sehr kreativ, und sich seinem Alter voraus, verhalten. Natürlich nicht. Diese "Kreativität" hatte mein Sohn sehr schnell entwickelt. Er erzählte Geschichten in der Schule, was er alles tolle mit seinem Vater unternahm, gemeinsame Urlaube etc, die nie stattgefunden hatten. Eine schöne Scheinwelt, aus der wir ihn immer wieder herausreißen mussten, wenn wieder ein Gespräch mit der Lehrerin stattfand, mit der ich auch eng zusammenarbeitete. Aus den Geschichten meines Sohnes wurden Lügen, er überreagierte, wenn man ihn dabei erwischte, wurde aber nie aggressiv, sondern fing an zu schreien, dass er ungerecht behandelt wird, dann wurde er still, legte seinen Kopf auf den Tisch, und sprach über Stunden, manchmal Tage nichts mehr. Er verlor völlig die Gabe zu unterscheiden was Wahrheit und Lüge ist, hatte kein Einsehen, wenn er erwischt wurde, machte Gegenstände kaputt, und stritt ab, etwas damit zu tun zu haben.

Seine Schulnoten gingen den Bach hinunter, da man ihn nicht benoten konnte. Er saß teilnahmslos im Unterricht, machte sich dadurch angreifbar für Mobbing. Er wurde bespuckt, geschlagen, getreten. Er kam so oft heulend nach Hause, ging aber jeden Tag ohne Murren zur Schule, hat nie geschwänzt. Ich habe oft in der Schule vorgesprochen, die Lehrerin war toll. Ich habe die andern Kinder, und deren Eltern an den Tisch gebracht, um zu reden. Vergeblich.

Mit 11 Jahren, und etlichen, gescheiterten Versuchen eine Regelmäßigkeit beim Vater zu erlangen, gab ich meinen Sohn in eine Wochengruppe einer Kinderpsychiatrie, holte ihn Freitags ab, und brachte ihn Sonntags wieder hin. Dort ging er auch in die Schule. Da dieser Einrichtung aber finanzielle Mittel fehlten, die Kinder und Jugendlichen auch Verhaltensbedingt zu behandeln, war nach 5 Monaten Schluss, ohne wirklich etwas erreicht zu haben, außer einer Gewichtszunahme von 15 KG.

Was bei alledem nicht vergessen werden darf: Ich hab das alles alleine durchgezogen. Ich hatte in dieser Zeit weder die Möglichkeit, noch die Lust einen neuen Partner kennenzulernen, auch wenn ich es mir für meinen Sohn sehr gewünscht hätte, eine männliche Bezugsperson zu haben, mit der man halt auch "Männersachen" bespricht, und unternimmt. Es sollte einfach nicht sein. Meine Eltern hat jegliches Verständnis für diese Situation gefehlt, sie waren immer der Meinung, der Bub ist einfach nicht richtig erzogen. Außerdem habe ich sehr alte Eltern, die sich nie in der Verantwortung Oma und Opa sahen, da sie das einfach "nicht mehr konnten". Dass ich als allein Erziehende natürlich NICHT Vollzeit arbeiten konnte, der Vater auch nie Unterhalt gezahlt hat, war meine finanzielle Situation auch dementsprechend, was mich nie abgehalten hat, meinem Sohn den Fußballverein, Tischtennisverein, E-Gitarrenstunden, Kinderurlaubsreisen mit verschiedenen Einrichtunegn, etc zu bieten, was aber alles wegen Verhaltensauffälligkeiten, seiner Unlust und des mangelnden Durchhaltevermögens abgebrochen wurde.

Mit 12 bescheinigte ihm dann ein Psychologe eine 100 %ige Schulische Depression, und er ging erneut in Therapie - ambulant. Eine andere, gern diagnostizierte ADS/ADHS konnte von Anfang an ausgeschlossen werden. Außerdem wurde Keno eine hohe Intelligenz diagnostiziert, gepaart mit grenzenloser Faulheit und Lethargie, sich einzubringen.

Da ich mit dem Jugendamt immer in enger Verbindung stand, wurde ihm ein "Freizeitpartner" 2x die Woche für 2 Stunden zur Verfügung gestellt, der ihn zu gemeinsamen Unternehmungen abholte. Sehr netter Mensch, der ihm wirklich weitergeholfen hat. Leider wurden auch diese finanziellen Mittel nach 1 Jahr gestrichen, und mein Sohn  hatte wieder eine Bezugsperson verloren. Die Schulnoten bewegten sich zwischen 4 und 6, da meist nicht benotbar. Da auch das Gewicht meines Sohnes ins unermessliche anstieg, da er sich sein Glück zu "erfressen" schien, musste etwas geschehen. Auf der Suche nach einer sogenannten stationären Abnehm_Institution im Internet, stieß ich auf eine Einrichtung, die mir sehr zusagte, allerdings nichte mit Gewichtsreduktion zu tun hatte, vielmehr mit Verhaltensstörungen. 60km von zu Hause. Ich setzte mich mit der Einrichtung in Kontakt, übermittelte meine Berge von Ordnern, die sich im Laufe der Jahre zu den Befindlichkeiten meines Kindes angesammelt hatten. Man war einverstanden, ihn aufzunehmen, sobald ein Platz frei wäre, der Dringlichkeit halber, aber: das Jugendamt müsste zustimmen, da der Platz, die Unterbringung etc naturlich auch einen Haufen Geld kostete. Gott sei Dank, war das Jugendamt sofort einverstanden, die Kosten zu übernehmen, jetzt hieß es, meinem inzwischen 13jährigen Sohn klarzumachen, dass er auszieht, in einer anderen Stadt lebt, eine andere  Schule besuchen wird. Völlige Verweigerung. Den ersten, freien Platz mussten wir weitergeben, da mein Sohn freiwillig mitmachen musste, und ihn niemand zwingen wollte, noch konnte. In vielen Gesprächen, und 2 Besuchen der Einrichtung, in der inzwischen auch ein ehemaliger Schulkamerad von ihm lebte, stimmte mein Sohn schliesslich zu, und im April 2014 fuhr ich ihn in die Einrichtung, mit dem Wissen, ihn jetzt 8 Wochen während der Einlebung nicht besuchen, und nur 1x wöchentlich telefonieren zu dürfen. Wir schafften das. Um kurz den Vater mit ins Spiel zu bringen. Er wurde ja all die Jahre auf dem laufenden gehalten, er war aber der Meinung, ich wollte das Kind "loswerden" um Party zu machen. Da er kein Mitspracherecht hatte, was schulische, medizinische Dinge etc betrifft, entschied ich natürlich, ohne ihn zu fragen. Wir hatten zwar ein gemeinsames Sorgerecht, das ihm in 2 Verhandlungen auch nicht aberkannt wurde, da er aber nie zur Einsicht kam, und auch zu keiner wichtigen Entscheidung, wie Operationen, Beinbruch usw greifbar war, bekam ich einen Gerichtlichen Titel, diese Dinge, auch das Beantragen eines Ausweises etc, alleine zu entscheiden. Im Grunde also inoffizielles Sorgerecht.

Innerhalb kürzester Zeit wurde mein Sohn ein Einser Schüler, nahm aktiv an Unternehmungen teil, ich bekam die tollsten Fotos (Gruppenfotos) zu sehen, Ausflüge, Urlaube mit der Einrichtung wurden zum Erlebnis für mein Kind, er wurde auf das Berufsleben vorbereitet, durch Praktika, die er grandios durchzog, und mit Bravour und Lob bestand. Leider lernte ich auch in dieser Zeit, in der ich ja allein lebte (nach 9 Monaten durfte mein Sohn die Wochenenden unregelmäßig zu Hause sein), auch keinen neuen Partner kennen. Natürlich nagt es an einem, man kann nichts erzwingen.

Nach 18 Monaten mochte mein Sohn nicht mehr in der Einrichtung sein, die strenge Hierarchie, die ihm so geholfen hat, war plötzlich einengend, störend, er fühlte sich bevormundet, und brachte dies auch deutlich durch Verweigerung, Aggression, und zum Schluss auch durch Androhung von Suizid zum Ausdruck, was dazu führte, dass er nach 21 Monaten die Einrichtung mitten in den Weihnachtsferien verlassen musste. Ohne Chance ihn hier in einer Schule unterzubringen. Auch das bekamen wir irgendwie hin, ich rannte den Schulen nach den Ferien die Türen ein, und er konnte dann ab Februar in eine Schule, fußläufig von zu Hause. Er musste das Jahr im Sommer zwar wiederholen, da seine Leistung, kaum zu Hause, wieder nachließen, aber das war für alle Seiten in Ordnung. Seinen Hauptschulabschluss meisterte er dann mit Auszeichnung, und der Option auf den Realschulabschluss. Er fand aber, mit Hilfe eines tollen Sachbearbeiters des Arbeitsamtes, eine außerbetriebliche Ausbildung zum Maler und Lackierer, die sich auf solche "schwierigen Konsorten" wie mein Sohn, spezialisiert haben. Sie hatten es nicht leicht mit ihm, er entdeckte die "tolle" Option, morgens nicht aufstehen zu müssen, da es ja einen Hausarzt gab, der eine Krankmeldung nach der anderen, ausstellte, sogar ohne meinen Sohn zu Gesicht zu bekommen. Erst auf meine Nachfrage bei diesem Arzt, im dritten Lehrjahr, bat ihn der Arzt, sich einen neuen Hausarzt zu suchen.

Alles in Allem, schaffte mein Sohn die Prüfung im zweiten Anlauf, wieder mit Bravour. Er war ja noch nie dumm, sondern immer nur faul. Inzwischen war er 19 Jahre alt, das letzte Jahr der Ausbildung wandelte sich mein Sohn in einen komplett anderen Menschen, er hatte über 60 kg an Gewicht abgenommen, hatte Selbstvertrauen, Selbstbewusstsein, und war ein angenehmer Gesprächspartner für Alle. Er fand nach der Ausbildung sofort eine Arbeit im Einzelhandel, erst nur auf 60 Stunden, was für mich ok war, um sich im Berufsleben zu festigen. Es ist inzwischen eine Vollzeitstelle, weil er ein wichtiger, fleißiger, und verantwortungsvoller Mitarbeiter des Unternehmens wurde. Bis heute hat es keinen Fehltag gegeben, krank war er auch nicht. Leider hatten wir nie die finanziellen Mittel für einen Führerschein, auch wenn ich in all den Jahren arbeiten gegangen bin. Nach bestandener Prüfung brachte mein Vater (inzw 88, und Witwer) den Wunsch ins Spiel, die Kosten des Führerscheins zu übernehmen, weil "der Junge sich ja so toll entwickelt, und seine Ausbildung dann doch mehr schlecht als recht durchgezogen hat". Anmeldung im Mai diesen Jahres, bedingt durch Corona waren die Fahrstunden nicht eng zusammen, und das Warten auf die Anmeldung zur Prüfung nahm Zeit in Anspruch, erfolgreiche Prüfung Anfang Oktober. Seitdem teilen wir uns mein Auto, was gut funktioniert. Er spart auf ein eigenes, gebrauchtes im Frühjahr. Wir verdienen beide gut, auch wenn es ein paar unschöne Rückschläge durch Krankheit, und Verlust unseres großen Hundes mit erheblichen Kosten kam, die noch bewältigt werden müssen, aber auch das schaffen wir.

Mein Sohn hat mir in seinen, unseren dunkelsten Stunden immer wieder vorgeworfen, ich hätte ihn verlassen, ihn abgeschoben, ihn nicht gewollt, was mir unfassbar in der Seele gebrannt hat, ich ihm auch klar machte, dass dies nie der Fall war, und auch ich sehr gelitten habe, und die große Angst einer Mutter gefühlt habe, ihrem Kind nicht gerecht zu werden, ihm "diesen schlechten Vater" zugemutet habe, sich nicht genug um einen neuen, lieben Papa/Partner bemüht zu haben, dass aus ihm kein akzeptiertes Mitglied einer sozialen Gesellschafft wird, das hat er heute verstanden, und findet es zwar sehr Schade, dass eine tolle, coole Mutter wie ich allein ist, aber auch froh, dass hier keiner mit in der Bude hockt, und ihm sagt, was er zu tun hat. Aber das natürlich eher augenzwinkernd mit fast 22.

Was ich mit meiner Geschichte aussagen will? Man schafft es. Es ist ein Weg, geteert mit Steinen, Tränen, Sorgen, aber man schafft es. Man darf nicht zerbrechen, man darf zusammenfallen, schreien, heulen, leiden, all das. Man muss sich aber aufrappeln, tief durchatmen, und weitermachen, weiterkämpfen. Was ich auch sagen will: Liebe Väter, kümmert euch um euer Kind/eure Kinder! Seelen zerbrechen. Nicht nur die eurer verhassten Ex, nein, es sind die kleinen, hoffnungsvollen, liebenden Seelen und Herzen eurer Kinder, die am Fenster stehen, und warten, dass ihr sie abholt, und ihnen ein Vater seid. Ihnen zeigt, wie wertvoll, wichtig und geliebt Kinder sein müssen, um ihnen einen Lebensweg, wie der meines Sohnes, erspart bleibt. Denn auch, wenn er heute ein gestandener Mann ist, dem es gut geht, der sich gut fühlt, so ist ihm durchaus bewusst, dass er keine schöne Kindheit und Jugend hatte. Das bleibt so. Das kann ein Mensch auch nicht nachholen. Das weiß auch mein Sohn. Familie möchte er niemals haben, auch keine Kinder. Vielleicht ändert er seine Meinung noch, vielleicht hat seine kaputte Seele ihn aber auch zu dem Empfinden gebracht,

Ach, und Keno hat heute kein Verlangen nach seinem Vater, der sich, nach wie vor 1x im Jahr telefonisch meldet, ihn nach Geld fragt (ja, traurig), oder ihm verspricht, sich finanziell an Dingen wie Geburtstag etc zu beteiligen, worüber mein Sohn inzwischen müde lächelt, weil da nichts kommt.

Väter, kümmert euch, sonst VERkümmert die Seele eures Kindes!

Danke für´s Lesen <3