Der Einstieg
Der NaNo lief von der Motivation her im Vorfeld gut an. Ich hatte mir vorher schon Gedanken gemacht, bin sogar nachts aufgestanden, um mir Notizen zu machen. Außerdem hatte ich Urlaub, war entspannt und gelöst. Meinen „sober october“ habe ich weitestgehend durchgezogen (ja, einmal zu einem besonderen Anlass einen leichten Gin Tonic und zur Einstimmung des Halloweenwochenendes habe ich bereits am Samstag nach 26 Tagen wieder etwas getrunken) und dann wieder in Maßen angefangen. Ich hatte mehrere Ideen, auf die richtig Bock da war. Natürlich kamen leichte Zweifel auf, wie es neben der Arbeit funktionieren sollte, aber dann bekam ich den genialen Einfall, die Arbeit einfach mitzuzählen.
Schwieriger Auftakt
Am 01. November stand ich am frühen Nachmittag auf und wollte gut motiviert beginnen. Dann kam etwas anderes Wichtiges dazwischen, das auch relativ anstrengend war. Dann kochen und erst mal ausruhen. Abends kam ich gut rein, aber dann waren wieder emotional anstrengende Sachen passiert, die mich komplett aus dem Schreiben rausholten und auch in der kommenden Nacht nicht schlafen lassen.
Daraufhin folgte am 02. November die Zugfahrt in die Heimat, nach der ich wegen der aufgewühlten Nacht erst einmal gepennt hatte. Dennoch hätte ich eigentlich jetzt gut schreiben können, aber es kamen mir natürlich tausend andere Dinge in den Sinn. Müde und erschlagen von der Zugfahrt und dem ungewohnten Schlafrhythmus war ich außerdem noch. Also erst einmal spazieren gehen, einkaufen und so weiter. Geschrieben habe ich dann auch, aber mit wenig Lust und Motivation. So zog sich das eigentlich die ganze erste Woche durch: Alles war gefühlt wichtiger und ich hatte mehr Lust auf alles andere, als zu schreiben. Was ich dann auch immer getan habe, aber ich hatte einfach nicht die Energie und vor allem Lust, meine selbstgesteckten Ziele (1000 Wörter pro Tag belletristisch in meiner Freizeit) zu erreichen.
Wo liegt das Problem?
Nun habe ich mir an diesem Punkt zwei Fragen gestellt: Waren meine Ziele zu hoch oder bin ich einer von denen, die lieber gerne geschrieben haben wollen. Ein Trittbrettfahrer des Lifestyles?
Nun, letzten Gedanken konnte ich schnell verwerfen. Immerhin lebe ich vom Schreiben, zwar journalistisch, aber ich tue es an vier von fünf Tagen gerne und mein handwerkliches Geschick wird dabei regelmäßig gelobt. Waren dann meine Ziele zu hoch? Na ja – und das mag jetzt arrogant klingen –, für manche mögen 1000 Wörter ein großer Brocken sein, aber dieser Text zählt bis zu diesem Satz, den du jetzt liest, circa 400 Wörter. Dafür habe ich ziemlich genau 20 Minuten gebraucht, d.h. tausend Wörter sind für mich locker in einer Stunde drin. Und eine Stunde am Tag sollte man für seinen Lebenstraum übrighaben, wenn man nicht gerade mehr als zehn Stunden arbeitet und einen Sack voller Kinder hat, oder?
Das mit den zehn Stunden kommt bei mir an ein bis zwei Tagen pro Woche schon mal vor, da würde ich mir dann auch vom Schreiben freinehmen. Ja, ich bin nicht der Meinung, dass man buchstäblich jeden Tag schreiben muss, wenn man es professionell angehen will. Gerade dann sollte man Meinung nach – wie in jedem anderen Beruf auch – sich Wochenenden, einen Tag Pause etc. gönnen.
Bei der weiteren Ursachenforschung bin ich auf eine andere Erklärung gestoßen: Suckt meine Vorbereitung? Nun, das wäre plausibel. Denn als ich mit meinen Schreibprojekten anfangen wollte, hatte ich das Gefühl, um jeden Satz kämpfen zu müssen, obwohl ich schon grob wusste, worum es gehen soll. Früher fand ich das Konzept von Outlining irgendwie ungeil, dass man sich vorher schon alles überlegt und dann den Text nur noch „ausmalt“. Discovery Writer wie Stephen King waren für mich die wahren Kings unter den Autorinnen und Autoren, deren Kreativität einfach aus ihnen herausejakuliert wie aus einem Teenager, der eine Woche lang nicht gewichst hat.
Mittlerweile weiß ich natürlich, dass diese Einteilung zwischen planenden und entdeckenden Schreibenden ein graduelles Ding ist und ein gewisses Vorplotten schadet nie. Von daher war mein NaNo schon ein gewisser Kaltstart. Den wirklichen Entschluss, daran teilzunehmen, habe ich erst einen Abend vorher gefasst. Wie bereits geschrieben, habe ich mir Notizen gemacht, aber natürlich kein ausführliches Outlining entworfen. Das zeigte sich vor allem daran, dass ich am ersten Tag erst mal genauso viel recherchiert wie geschrieben habe. Mein wirklich sehr geschätzter Kollege Benjamin Spang flext gerne damit rum, dass er auch 1000 Wörter und mehr in der Stunde schafft – weil er eben so gut recherchiert.
Aber auch hier muss man sagen, dass ich jetzt in 35 Minuten über 730 Wörter geschrieben habe, ohne mir viele Gedanken vorher gemacht zu haben. Also sorry, Namensvetter, das geht zumindest bei Essays auch mit weniger Recherche. Küsschen aufs Nüsschen.
Aber der gute Benjamin schreibt natürlich auch Romane und ich sitze hier eben an einer Art Essay, Erfahrungsbericht – wie auch immer man es nennen will. Vielleicht liegt es also am Genre oder gar an der Form? Tja, mit dem Verfassen von im vorletzten Satz erwähnten Textformen habe ich aus beruflichen Gründen mehr Erfahrung. Vielleicht liegt es mir auch einfach mehr? Aber woher kommt dann das Bedürfnis, belletristisch zu schreiben?
Müsste mir so ein Genre, das meinem Schreiben für den Brotjob so verwandt ist, nicht eher noch mehr Motivation rauben? Somit kann es schon mal nicht an der Form liegen. Immer mal wieder versuche ich mich ja auch an graphischen Projekten, vielleicht wäre das eher ein Ausgleich zum Schreiben? Aber das Bedürfnis zum Schreiben, zum textlichen Ausdrücken ist, wie erwähnt, da.
Zusammengefasst kann ich sagen: Eigentlich weiß ich nicht so wirklich, warum meine erste NaNo-Woche so scheiße lief. Ein Hinweis darauf könnte dieser Text sein, den du jetzt gerade liest. Ich habe mir heute kein Wortlimit, sondern ein Zeitlimit gesetzt. Ich wollte mich zunächst nur eine halbe Stunde dazu zwingen, mich vor das Word-Dokument zu setzen. Allerdings kam ich dann so in den Flow nach einer halben Stunde, dass ich weitergeschrieben habe. Das funktionierte früher bei mir übrigens auch häufig sehr gut. So viel zum Thema, dass ich keine Lust hätte.
Vielleicht war mein Problem einfach der Wordcount, den ich im Hinterkopf hatte. Denn jetzt habe ich die 1000 Wörter nach 51 Minuten erreicht. Obwohl ich zwischendrin nachdenken musste und mir die fucking Augen getränt haben (warum auch immer). Es könnte sein, dass auch hier wieder nur der Weg das Ziel ist. Auf jeden Fall wird das mein Ansatz für die zweite NaNo-Woche sein.
Dennoch ein voller Erfolg!
Und warum war nun die Woche dennoch ein voller Erfolg? Nun zum einen wegen der Erkenntnisse, die ich in diesem Text verschriftlicht habe. Zum anderen habe ich mein eigentliches Hauptziel verwirklicht: eine (fast) tägliche Schreibroutine wieder zu entwickeln, indem ich jeden Tag geschrieben habe, obwohl ich keinen Bock hatte.
Dir gefällt, was Ben Lesser schreibt?
Dann unterstütze Ben Lesser jetzt direkt: