Grundlagen zur Verdauung

Als Grundlage für die Antwort auf diese Frage möchte ich gern einen kleinen Schlenker zur normalen Nährstoffaufnahme im Hundedarm machen.

In der Grafik sehen wir, ein wenig vereinfacht, den Aufbau der Darmschleimhaut, und wie verschiedene Nährstoffe aus dem Darmlumen, dem Darminnenraum, über die Schleimhaut in die Blutbahn transferiert werden. Wir haben Proteine als rote Kringel, und Kohlenhydrate aus mehr oder weniger komplexe Strukturen aus Sechs- (und eigentlich Fünf-)ecken. Diese werden durch Enzyme in für die Schleimhaut gerechte Portionen heruntergebrochen. Also Proteinbruchstücke, Aminosäuren oder zum Beispiel den Einfachzucker Glucose. Über Transportmechanismen in der Darmschleimhaut gelangen diese Einzelteile dann zuerst in die Zellen, und darüber in die Blutbahn.

Die zu großen Stücke der Proteine und Zucker hingegen prallen von der Darmschleimhaut einfach ab. Die kleinen schwarzen Vierecke der Ionen, oder sehr kleine Moleküle wie die des Wassers, hingegen durchdringen die Poren der Zellmembranen oder quetschen sich durch die Zwischenräume zwischen den Epithel- und Bindegewebszellen. Das sogenannte Interstitium, welches an dieser Stelle mit"tight junctions" ausgeprägt ist. Also als sehr enge Zellzwischenräume um das Eindringen größere Moleküle, Erreger oder Parasiten zu vermeiden.


Der Durchfall

Liegt ein Durchfall vor, so geht er in der Regel mit entzündlichen Erscheinungen in Dünn- oder Dickdarm einher, die auf dem Erstkontakt mit schädlichen Wirkstoffen aus den verschiedensten Quellen basieren. Egal ob es die Ausscheidungen von Erregern sind, Pilze, Parasiten, Giftstoffe oder sogar eine Über- oder Unterfunktion der Bauchspeicheldrüse, die Schleimhaut des Darms steht immer in vorderster Front. Ein Grund weshalb der Darm auch mit den meisten Immunzellen im ganzen Körper umgeben ist.

Man muss also davon ausgehen, dass bei einem Durchfall an der einen oder anderen Stelle des Darms eine Schwächung der Darmschleimhaut vorliegt. Epithelzellen und Bindegewebszellen werden beschädigt, und die von ihnen gebildete Schleimschicht, und das Bollwerk des Bindegewebes mit tight junctions, wird geschwächt.


Die Immunreaktion

Wird das Gewebe also geschädigt, weil zum Beispiel ein Virus die Zellen angreift, so reagieren die blauen Kreise der B-Zellen auf die Antigene dieser Viren im Zellzwischenraum mit einer Immunantwort (!). Stoßen gleichzeitig die Makrophagen (gelbe Pac-Mans) auf die Antigene beim Verzehren der sterbenden oder toten Zelle, so bewirkt die Kombination dieser beiden Reaktionen eine Immunantwort auf dieses Antigen.

Die B-Zelle spezifiziert sich in Plasmazellen und Gedächtniszellen. Die Gedächtniszelle überlebt länger, und erinnert sich einfacher an den Erreger (grün). Die Plasmazelle hingegen wächst und produziert Antikörper, die den Fress- und Killerzellen dann anzeigt, dass das Urteil für diesen Fremdkörper (und ggf. Zellen mit entsprechenden Antigenen) gesprochen wurde. Antikörper docken an die Antigene an, und inertisieren sie, während sie wie kleine Fähnchen die Fress- und Killerzellen anlocken.

Verirrt sich aber zum Beispiel ein Nahrungsprotein wie ein unbedarfter Afghanistantourist in dieses "Kriegsgebiet", so kann es passieren, dass die B-Zellen auch an dieses Protein andocken, und es als Antigen wahrnehmen. Stürmen dann noch "Fressen?" schreiende Makrophagen durch die Gegend, dann kann das zu einer ungewollten Immunreaktion auf das Nahrungsprotein führen. Inklusive Gedächtniszellen, die nun diese spezielle Form des Proteins als "Feindbild" abspeichern und bei erneutem Kontakt eine Immunreaktion auslösen.


"Durchfüttern" vermeiden

Für den Hundehalter bedeutet das, dass bei jedem Durchfall insbesondere die Nahrungsproteine dem Risiko ausgesetzt werden, dass eine Immunreaktion mit ihnen stattfindet. Neben den daraus resultierenden allergischen (Immun-)Reaktionen bewirken diese Reaktionen aber auch eine Reizung des Darms an sich. Eine Reizung, die wiederum dazu führen kann, dass die Darmschleimhaut beeinträchtigt wird, und eine neue Sensibilisierung auf andere Stoffe stattfinden kann. Eine Erklärung dafür wieso sich Allergien (die angeboren sein können) auf neue Nahrungsquellen oder andere Quellen, die in den Gastrointestinaltrakt eindringen können, ausbreiten können. Futtermilben, Hausstaubmilbenkot oder sogar Pflanzenpollen. Da sich die B-Gedächtniszellen im ganzen Körper verbreiten können, muss die allergische Reaktion dann gar nicht mehr im Darm stattfinden. Stichwort: Hautirritationen und Hot-Spots!

Der sicherste Weg ist deshalb, auf eine Fütterung für 24 oder gar bis zu 48 Stunden zu verzichten, bis die Immunantwort auf den Auslöser des eigentlichen Durchfalls abgeklungen ist. Alternativ kann auch eine Schonkost verwendet werden. Da das nicht bei allen Hunden möglich ist (z.B. Welpen oder Diabetiker), kann ein Ernährungsberater dabei helfen Alternativen zu finden. Man spricht dann von sogenannten Opferproteinen, bei denen es nicht so dramatisch wäre, wenn sich eine Sensibilisierung entwickeln würde. Aus dem einfachen Grund, dass der Hund sonst nicht mit Känguru oder Alligator gefüttert wird.

Die Immunreaktion auf Kohlenhydrate ist dabei deutlich unwahrscheinlicher. B-Zellen mit Andockvorrichtungen für Kohlenhydratantigene sind seltener als jene, die auf Proteine reagieren. Im Zweifelsfall könnte man also (möglichst glutenfreien — Gluten ist ein Protein) in kleinen Mengen Zwieback oder Haferschleim füttern, um dem Hund etwas Energie zukommen zu lassen.


Bonus-Tipp: Allergene nicht vermeiden

Für alle, die sich bis hierhin durchgekämpft haben: Während man beim Durchfall die potentiellen Allergene (wie Futtermilben, Futterproteine) vermeiden sollte, so ist es beim normalen Füttern kontraproduktiv prophylaktisch auf hypoallergene Futtermittel zurückzugreifen. In Studien der menschlichen Allergieentwicklung wurde deutlich, dass eine regelmäßige Exposition der B-Zellen gegenüber den typischen Allergenen eine andere Art B-Zellen erzeugt.

Dieser andere Isotyp der B-Zelle reagiert auf den Kontakt mit dem Antigen dieser Allergene mit der Bildung des Immunglobulin M statt Immunglobulin E. Das Immunsystem reagiert dann auf den Fremdkörper als wäre er neu (aber nicht so schlimm), statt mit dem Trigger durch Immunglobulin E im Rahmen der Immunreaktion so zu reagieren, als würde gerade die fünfte Panzerarmee Richtung Hauptstadt vorrücken. IgE soll eigentlich vor Parasiten schützen, und muss (die Größenverhältnisse einmal in Betracht gezogen) den Körper dazu bringen die dicksten Geschütze aufzufahren. IgM - Reaktionen sind deutlich weniger inflammatorisch, weil sie die Reaktion des IgG einleiten, das normalerweise unsere Schleimhäute gegen Bakterien und Viren schützt. Ohne dabei gleich dicke Löcher in die Schleimhaut oder das Bindegewebe zu sprengen.

Nicht ohne Grund zielt die hypoallergene Desensibilisierung genau darauf hin, dass der Körper die Atomwaffensilos schließt, und stattdessen wieder gemäßigt auf das Auftauchen eines einzelnen Antigens reagiert. Eine mäßige Exposition des Immunsystems gegenüber potentiellen Allergenen kann also (dann angewendet, wenn kein Durchfall, Erbrechen oder andere Darmerkrankungen bestehen) das Immunsystem gegenüber Allergenen eher "stärken" bzw. es in seiner Reaktion mäßigen. Gerade junge Hunde können somit an eine Vielfalt von Allergenen oder potentiell allergenen Proteinen gewöhnt werden.