Wir alle merken es derzeit sehr deutlich: Wir befinden uns in einer überaus heiklen, aber auch spannenden Übergangszeit – gesundheitlich, ökonomisch, technologisch, politisch und ökologisch. Wir sind bereits in der Mitte vom Jahr 2021 angekommen und uns allen muss bewusst sein: Nur wenn es gelingt, die Herausforderungen des kommenden Jahrzehnts gut zu meistern, blicken wir in Deutschland auch weiterhin in eine rosige Zukunft. Was brauchen wir also konkret, um optimistisch in die Zukunft zu blicken – um uns nach so langer Zeit der Pandemie wieder in die Zukunft verlieben zu können?

Die Zeichen stehen auf Aufbruch. Arbeit findet immer mehr virtuell und in der Cloud statt, wir erleben Hyperautomatisierung und -digitalisierung und die Kooperation zwischen Mensch und Maschine, zwischen humaner und künstlicher Intelligenz wird immer intensiver. Während dies mit neuen, großen Chancen verbunden ist, macht diese Entwicklung vielen Menschen aber auch Angst. Und genau das hält sie davon ab, sich in die Zukunft zu verlieben. Umso wichtiger ist es, bei all den anstehenden Transformationsprojekten in den Unternehmen immer die Menschen und ihre Emotionen mitzunehmen und ihnen eine positive, zuversichtlich stimmende Vision für die Arbeitswelt von morgen aufzuzeigen.

Das klingt erstmal einfach, doch es gilt:

Zukunftszweifel bekommen wir geschenkt, Zuversicht und damit die Voraussetzung, uns in die Zukunft zu verlieben, müssen wir uns aktiv verdienen.

Was müssen wir also genau machen, um zu dieser Zuversicht zu gelangen?

Konkret möchte ich ausgewählte Denkanstöße geben, welches Mindset und welche Kompetenzen branchen- und sektorenübergreifend für jeden einzelnen von uns erforderlich sind, um sich und Mitarbeiter fit für die Zukunft aufzustellen und in der Arbeitswelt der Zukunft erfolgreich zu sein.

Fangen wir mit dem Thema Mindset an. Drei Denkanstöße möchte ich geben:

  1. Angesichts der Dynamik und Intensität der Veränderungen der unternehmerischen Umwelt, erscheint es mir sinnvoll, sich selbst persönlich mit seinen Denk- und Verhaltensweisen sowie seinen Kompetenzen als kontinuierliche Beta-Version zu begreifen; unser Gehirn braucht laufende Updates und Lernprozesse. Es ist keine Schwäche, sich selbst als optimierungsfähige Beta-Version zu begreifen, im Gegenteil. Ein solches Mindset antizipiert, dass laufende Updates erforderlich sind, um am Ball zu bleiben und nicht irgendwann als Denksystem abzustürzen und der Zeit hinterherzuhinken.
  2. Wir brauchen ferner – gerade hier in Deutschland - ein Mindset, dass Anfängergeist und nicht nur Perfektion sexy ist. Denn wir alle werden gezwungen sein, uns neue Kompetenzen in Bereichen anzueignen, bei denen wir trotz jahrelanger Berufserfahrung wieder blutige Anfänger sind. Die Wahrheit ist: Die wenigsten Menschen sind gerne blutige Anfänger. Wir werden frühkindlich geprägt, dass Perfektion, und eben nicht Anfängergeist anziehend ist. Wer als Teenager im Skilager seinen Klassenkameraden im Anfänger-Schneepflug hinterherfährt, ist nicht sexy, sondern uncool. Wer hingegen in perfekten Schwüngen den Berg hinunterwedelt, steht hoch im Kurs und erntet Anerkennung. Mit dieser Sozialisierung agieren wir im Arbeitsleben und wundern uns, dass viele Menschen äußerst ungern sich mit Themen wie neue Technologien oder IT-Lösungen beschäftigen, die neues Terrain für sie bedeuten. So schreit nicht jeder Mitarbeiter laut „Hurra“, wenn ein neues IT-System oder eine neue Software eingeführt wird, nicht jeder Unternehmenslenker ist offen, sich erstmals mit Cloudlösungen für sein Unternehmen auseinander zu setzen und dabei zu offenbaren, relativ wenig davon zu verstehen. Hier erfordert die aktuelle Zeit einen massiven Paradigmenwechsel: Wir brauchen das Mindset, dass es für uns alle dazugehört, blutige Anfänger zu sein. Wir müssen Status-Quo-Verliebtheit aufgeben und dürfen nicht das Gefühl entstehen lassen, dass die Komfortzone der schönste Ort der Welt ist. Wir müssen schon unseren Kindern vermitteln: „Get comfortable with being uncomfortable.“
  3. Wir brauchen in Zukunft – und das hat uns gerade das letzte Jahr mit Ausbruch der Pandemie gelehrt - eine „Think the Unthinkable-Haltung“. Wir müssen in unseren Köpfen Raum schaffen, das zu denken, was wir für undenkbar halten, uns trauen, das Unvorstellbare uns vorzustellen. Dazu gehört, so mutig zu sein, bei neuen Fragen alte Antworten zu ignorieren. Wir müssen offen sein, Technologien und Herangehensweisen aus ganz anderen Branchen auf die eigene zu übertragen. Wir müssen uns trauen, bislang erfolgreiche Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle und -prozesse in Frage zu stellen, auch wenn der Erfolg uns bislang Recht gegeben hat.

Um ein solches Mindset bei Individuen im Unternehmen fördern zu können, brauchen wir die passende Kultur; ohne die geht es nicht. Der Transformationsprozess in die Zukunft muss also immer mit einem Transformationsprozess der gelebten Kultur in Unternehmen erfolgen.

So viel zum Thema Mindset: Schauen wir nun auf die Kompetenzen, die wir benötigen, um zuversichtlich in die Zukunft zu blicken. Da gibt es natürlich sehr viele. Ich möchte mich auf zentrale Metakompetenzen konzentrieren, die in jeder Branche, in jeder Funktion für jeden einzelnen von uns wichtiger werden. Metakompetenzen sind aus meiner Sicht die moderne Form einer Arbeitslosenversicherung 4.0: Nichts sichert die zukünftige Beschäftigungsfähigkeit besser, als die richtigen Kompetenzen zu besitzen.

  1. Lernkompetenz: Die Superkompetenz unserer aktuellen Zeit ist Lernkompetenz. Wir müssen gezielt lernen, zu lernen. Wie wir kontinuierlich und vor allem effektiv und effizient lernen. Lernergebnisse sind dann am nachhaltigsten, wenn sie im konkreten Anwendungssituationen des Arbeitslebens stattfinden. Das führt dazu, dass Lernen nicht nur in Trainings stattfindet, sondern neue Lernimpulse müssen integraler Bestandteil des Arbeitens sein. Wir müssen während der Arbeit unsere Gehirne ins Fitnessstudio schicken, sie fit machen, indem wir ihre Leistungsfähigkeit stretchen, täglich trainieren, nicht durch Routinen erschlaffen lassen, gezielt neue Impulse setzen. Lernen muss ein Ritual werden, so selbstverständlich wie tägliches Zähneputzen. Es darf nicht von der Agenda fallen.
  2. Resilienz: Eine weitere Superkompetenz unserer aktuellen Zeit ist Resilienz, unsere individuelle Widerstandskraft und unsere Fähigkeit, gestärkt aus Krisen und Veränderungssituationen hervorzugehen. Die aktuelle Pandemie ist eine große Krise für uns alle, aber sie wird definitiv nicht unsere letzte sein. Resilienz ist keine angeborene Eigenschaft. Es ist eine erlernbare Kompetenz, die trainiert werden kann. Wir können unsere persönliche Resilienz dadurch steigern, indem wir uns gezielt besonderen Herausforderungen stellen und persönliche Bewältigungsstrategien entwickeln, mit diesen Herausforderungen umzugehen. Wir alle sind gut beraten, kontinuierlich in unsere psychische, physische und qualifikatorische Resilienz zu investieren. Es geht bei dieser Fähigkeit nicht darum, „geduldig das Ende des Sturms abzuwarten, sondern im Regen tanzen zu lernen“. Resilienz hat damit viel mit geistiger Flexibilität, Agilität sowie mit Kreativität im Umgang mit neuen Herausforderungen zu tun. Es bedeutet, in Bewegung zu bleiben, und nicht in Schockstarre zu verharren.
  3. Zuhören: Die letzte Kompetenz, die ich als Denkanstoß mitgeben möchte, klingt nach einer sehr analogen Kompetenz, und doch ist sie im schnelllebigen Zeitalter der Digitalisierung so wichtig wie nie. Die Kompetenz lautet „Zuhören können“. Wir leben in Zeiten von Customer-Centricity und das geht nicht ohne Employee-Centricity. Entscheider sind viel stärker als früher auf die Expertisen ihrer Mitarbeiter, Kollegen, Kunden, Partner und Lieferanten angewiesen. Denn Entscheidungen, die Führungskräfte heute fällen müssen, sind so komplex, dass eine einzelne Person dies nicht mehr bewältigen kann. Wir müssen als Führungskräfte das Gefühl der Allwissenheit aufgeben und Entscheidungskompetenzen an die Know-How-Träger innerhalb und außerhalb des Unternehmens delegieren. Zuhören ermöglicht es, von anderen zu lernen. Zuhören erhöht die persönliche Problemlösungskompetenz. Zuhören ermöglicht es, die persönliche Haltung zu reflektieren, zu hinterfragen, anzureichern, ggf. zu revidieren. Zuhören klingt einfach, aber ich denke wir alle kennen ranghohe Entscheider, die genau das nicht können oder nicht wollen. Wer zum Zuhören im Heute nicht bereit ist, ist schnell der “Denkdinosaurier” von morgen.

Das sind die Denkanstöße hinsichtlich Mindset und Kompetenzen, die uns fit für die Zukunft machen. Pfingsten steht symbolisch für den Neuanfang. Und wie schön ist es, endlich wieder damit zu beginnen, sich in die Zukunft zu verlieben!