Schauen wir uns erst einmal die grundlegende Sorge an: Die Umwelt!
In der Tat ist die Gigafactory ein ziemlich großes Projekt. Deshalb braucht es nicht nur eine Baugenehmigung, sondern auch ein Genehmigungsverfahren nach §4 Bundesimmissionsschutzgesetz UND eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach UVPG, dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz. Wie der Name es schon sagt, wird dort geprüft ob die Maßnahme denn umweltverträglich ist.
Schauen wir hinein:
https://www.uvp-verbund.de/documents/ingrid-group_ige-iplug-bb/94AFADF0-92F1-44EA-AA54-E1CD7C0FF6AD/UVP-Bericht%20Tesla%20Manufacturing%20Brandenburg%20SE_V1_20-12-202.pdf
Verfasser sind Frau Lipinski-Engel und Herr Bauckmann von der GfBU (eventuell auch nur einer der Beiden). Diese beiden sind öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige. Wir können also davon ausgehen, dass die UVP kein Gefälligkeitsgutachten ist. Sie kommen übrigens aus Hoppegarten, sind also tatsächlich vor Ort. Ich kenne da auch andere Gutachter, die quer durch die Republik begutachten. Vor Ort zu sein, ist deutlich besser - dann kennt man den Wald (Seite 22):
Der geplante Anlagenstandort liegt in einem über 100 km² großen Waldgebiet, welcher[sic] durch forstliche Nutzung geprägt ist. Es handelt sich ausschließlich um Altersklassenbestände, in denen die Kiefer dominiert. Stangenholz sowie schwaches und mittleres Baumholz herrschen dabei vor. Nadelholzforste mit nichtheimischen Baumarten sind nur von untergeordneter Bedeutung. Laubholzbestände mit Birken sowie Robinien nehmen nur geringe Flächen ein. Demgegenüber wurden überwiegend heimische Laubhölzer, wie Linden, Eichen und Hainbuchen, in Teilen der älteren Kiefernforste untergebaut.
Wer mit Altersklassenbestand nichts anfangen kann: Forstliches Glossar
Anders als im Dauerwald oder Plenterwald stehen im Altersklassenwald die verschieden alten Bäume nicht gemischt, sondern in etwa gleich alten Beständen räumlich voneinander getrennt. Erfolgt Waldbau in einem Zyklus von Pflanzung, Pflege, Ernte (Kahlschlag) und erneutem Pflanzen, spricht man von Altersklassenwald. Entstanden ist diese Form der Waldbewirtschaftung in erster Linie aus der Notwendigkeit einer nachhaltigen Planung der Holznutzungen. Entscheidende Bedeutung in der Forstwirtschaft bekam der Altersklassenwald durch vorrangigen Anbau von Reinbeständen mit Nadelhölzern nach starken Waldverwüstungen seit Beginn des 19. Jahrhunderts.
Sprich, dieser “Wald” ist so natürlich wie ein Acker. Die Sorge der "besorgten" Bürger spielt hier mit dem Wort Wald, als wäre dieses magere Stück Forst ein hochwertiges Stück zu schützendem Urwalds oder durchwachsenen Dauer- oder Plenterwalds. Aber natürlich können in Ermangelung anderer Optionen schützenswerte Tiere in diesem Forst leben. Deshalb gibt es auf Seite 293 des Dokuments die Zusammenfassung des Artenschutz-Fachbeitrags:
9 Artenschutzrechtliche Bewertung des Vorhabens
9.1 Säugetiere
Unter Beachtung der unter Tabelle 4 genanntenVermeidungs-, CEF-und FCS-Maßnahmen sind artenschutzrechtliche Verbotstatbestände nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BNatSchG für Säugetiere, insbesondere 16 Fledermausarten und Wolf, auszuschließen.
9.2 Vögel
Unter Beachtung der unter Tabelle 4genannten Vermeidungs-, CEF-und FCS-Maßnahmen sind artenschutzrechtliche Verbotstatbestände nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BNatSchG für 85 potenziell vorkommende Vogelarten auszuschließen.
9.3 Reptilien
Unter Beachtung der unter Tabelle 4 genannten Vermeidungs-, CEF-und FCS-Maßnahmen sind artenschutzrechtliche Verbotstatbestände nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BNatSchG für Reptilienarten (Zauneidechse, Schlingnatter) auszuschließen.
Knackpunkt: Vermeidungs-, CEF- und FCS-Maßnahmen. In Abschnitt 8 der Anlage 2 sind sie genauer beschrieben. Diese basieren wiederum auf einer detaillierten Biotopkartierung. Denn natürlich finden sich potentiell ein paar Reptilien und Fledermäuse (und 4 Ameisenhaufen). Allerdings bedeutet es auch nur, dass für die ermittelten Tiere sowohl Ausweichquartiere als auch optimierte Lebensbedingungen in direkter Nähe geschaffen werden müssen. Wie das genau aussieht, kann man auf dem Plan auf Seite 41 der Anlage 2, oder Seite 232 des Dokuments erkennen. Wer es genauer will: darauf folgt eine detaillierte Tabelle mit den einzelnen Maßnahmen. Von A wie Ameisenumsiedlung bis Z wie Zaun.
Der zeitliche Ablauf des Tierschutzes sieht dann so aus:
Zeitschiene
- Bis 16.12.2019: Artenschutzfachbeitrag inkl. Potenzialanalyse Biotoptypen, exemplarische Kartierung von Teilflächen (z. B. Baumhöhlen), Beschreibung der Vermeidungs- und vorgezogenen Ausgleichsmaßnahmen;
- Dezember 2019 bis Februar 2020: Detailkartierung Biotoptypen, Biotopstrukturen, danach Festlegung der konkreten Vermeidungs-und vorgezogenen Ausgleichsmaßnahmen auf Flurstück-Ebene, die im Artenschutzkonzept vom 15.12.2019 beschrieben sind, konkrete Kompensationsflächen mit Angabe der Flächengrößen und Flurstücks-Nummern;
- Bis 28.02.2020: Rodung des Waldes, Vermeidungs- und vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen;
- Bis Mitte März 2020: Herrichtung und Umzäunung der Ersatzlebensräume (CEF-Flächen) für Reptilien/Amphibien;
- Ab April 2020: Wurzeln nach komplettem Abfang der Reptilien auf Potenzialflächen roden; Freigabe durch Experten/UNB;
- Ab März/April 2020: Umsiedlung der Waldameisennester;
Die rechtlichen Vorgaben des Naturschutzes sind also schon erfüllt. Aber mehr dazu später.
Wasser
Wenden wir uns dem Wasser zu. Immerhin wird ja in den Augen der "besorgten" Bürger die Teslafabrik Brandenburg in eine Wüste verwandeln.
Nur mal so zum Vergleich. Die Audi-Fabrik in Ingolstadt verbraucht rückblickend real 155m³ in der Stunde im Jahr 2010, bei ebenfalls um die 500.000 gefertigten Autos. [1] Tesla prognostiziert maximal mit 372 m³ pro Stunde. (Siehe Seite 29) 107m³ gehen über Kühler als Wasserdampf in die Luft, 13m³ gehen anderweitig verloren (z.B. diffuses Verdunsten oder chemische Reaktion) und 252 m³/h werden an das städtische Abwassernetz abgegeben. Selbst wenn sie unter realen Bedingungen auf einen hohen Wert von 300m³/h kommen, so wird hier kaum Brandenburg austrocknen. Es handelt sich hier um Auslegungsmaxima, denn das verwendete Wasser kommt aus dem öffentlichen Wassernetz für dieses Industriegebiet! Das bedeutet, dass das Wasser aus Förderanlagen im gesamten Einzugsgebiet des Wasserversorgers entnommen wird, und man dabei vorausschauend lieber nicht zu knapp bestellt.
Wer will kann im SYNERGIS WebOffice des LfU Brandenburg ja mal die Grundwasserneubildungsrate der Umgebung ansehen. Von massiven Flüssen, Seen und Teichen wollen wir mal gar nicht reden.
Außerdem gehen ja, wie schon genannt, 67% des Wassers wieder direkt nach Recycling und Nachbehandlung an den Wasserversorger zurück. Auch hier haben die "besorgten" Bürger offenbar nicht einmal nachgesehen.
ADDENDUM: Offenbar hat aber auch keine der beteiligten Personen mal nachgesehen, ob die riesige Gewerbefläche denn auch ausreichend mit Wasser versogt werden kann. Gerade heute lese ich beim Wasserverband Straußberg-Erkner, dass die Trinkwasserver- und Schmutzwasserentsorgung noch nicht geklärt ist! [2] Offenbar hat niemand damit gerechnet, dass jemand einfach mal einen Großteil des GVZ kauft und dort eine Fabrik für 500.000 Autos hinstellt. Darum tagt heute am 05.02.2020 der Wasserverband und befasst sich mit dem Thema. Zum Glück ist ihnen das noch VOR der Erörterung aufgefallen! Da haben die besorgten Bürger endlich was in der Hand!
Aber für besorgte Bürger, Bürgerinitiativen, gelangweilte Gutachter oder Lobbyverbände gibt es ja deswegen auch ein rechtliches System. Wer Einwände hat, kann sie rechtswirksam in das Verfahren einbringen [3] und vor allen beteiligten Fachgremien der Behörden, der Vertreter von Tesla, Frau Lipinski-Engel und Herr Bauckmann sowie sogar vielleicht Elon Musk persönlich im Rahmen des Erörterungstermins am 18.03.2020 um 10:00 Uhr in der Stadthalle Erkner, Julius-Rütgers-Straße 4 in 15537 Erkner vortragen. Und die armen Leute müssen sich ALLES anhören, was nicht gerade von gesichteten Einhörnern im Forst berichtet. Selbst, wenn die malträtierten Zuhörer der redenden Person vielleicht lieber ein Chemie- oder Physiklehrbuch der Klasse 8 über den Schädel ziehen würden.
Aber eine Sache scheinen unsere lieben besorgten Protestanten nicht zu verstehen. Grundsätzlich hat Tesla jedes Recht in einem Industriegebiet eine Fabrik zu errichten. Wer sich allerdings um die Umwelteinwirkungen des beantragten Unternehmens sorgt, sollte die Sorgen detailliert und spezifisch auf Punkte im Antrag zurückführen. Dafür liegt dieser in seiner baummordenden Pracht in vielen vielen A4-Ordnern aus. Der Wald ist übrigens frei zugänglich. Wem die Sache so wichtig ist, sollte eventuell einfach ein weiteres an das UVPG angelehnte Gutachten ausfertigen lassen. Wenn das erste nicht richtig wäre, müsste ja ein neutraler Gutachter zu einem völlig anderen Ergebnis kommen, und dies (z.B. mit Fotos aus der Biotopkartierung) belegen können.
Eine echte BI könnte zum Beispiel prüfen, ob die Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffe alle gemäß der Erfordernisse des Wasserschutzgebietes Klasse III A und B (Umgebung der eigentlichen Schutzgebiete) geplant sind. Man könnte auf das Ausmaß der Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen eingehen, und ob diese angemessen für den tatsächlichen Wildtierbestand sind.
Aber ehrlich gesagt ist alles Weitere Mumpitz. Das Industriegebiet am GVZ südlich von Grünheide (Mark) liegt quasi direkt an der Autobahn und außerhalb jeglicher Ortschaften. Wie man sieht ist der Forst hier auch einfach ein Platzhalter für intensivere Flächennutzung in der Nähe der Verkehrsader A10. Die wirklich schutzbedürftigen Landschaftsteile liegen ganz woanders. Das Industriegebiet ist viel mehr schon seit Jahren so geplant, dass die Bäume fallen werden.
Es gibt zwar Lücken in der UVP, wenn es zum Beispiel um die Auswirkungen der Erschütterungen des Lieferverkehrs geht, aber dies betrifft allein das Industriegebiet, und keine Ortschaften. Aus meiner Sicht ist das Ding ausreichend wasserdicht (sowohl der Antrag als auch der Hallenboden), und es liegen keine Gründe vor Tesla hier Steine in den Weg zu werfen.
ADDENDUM: Einzig die Frage des Wasseranschlusses scheint sich zum Problem zu entwickeln, denn einfach in einer TWZ III als Firma nach Grundwasser zu bohren ist suboptimal. Hier muss man darauf achten, dass die Grundwasserleiter nicht zu sehr belastet werden und ggf. noch versalzen. Wie die Sache also geregelt wird, steht noch in den Sternen. Irgendjemand muss hier mächtig gepennt haben! Und vermutlich werden sich Tesla, Brandenburg und ggf. der Bund die Kosten für eine zeitnahe Erweiterung der Wasserversorgung teilen müssen.
ADDENDUM II [07.02.2020]: Der Wasserverband tagte ja nun gestern, und wie gesagt, haben sie einfach nicht genug Kapazitäten vorgehalten. 16 Millionen m³ pro Jahr kann der Verband laut seiner Genehmigung aus dem Grundwasserleitung entnehmen, 11 Millionen werden gerade entnommen. 18,2 Millionen m³ bräuchte aber der Verband mit dem Bau der Fabrik von Tesla insgesamt. Weiterhin wurde vorgerechnet, dass die vorhandenen Wasserwerke um knapp 6 Millionen m³ p.a. erweitert werden könnten, aber dafür eben neben der Genehmigung durch das LfU eben auch die entsprechenden Kapazitäten technisch und hydrologisch im Einzugsgebiet erforderlich sind. Theoretisch wäre ja eine große Wasserleitung aus einem anderen Einzugsgebiet ebenso möglich… Aber auch diese würde Zeit brauchen. Aktuell fehlt die Infrastruktur.
So gesehen hat Tesla nun zwei Möglichkeiten. Entweder warten sie die Steigerung der Kapazitäten durch den Wasserverband ab, oder sie stellen sich eine entsprechende Wasseraufbereitungstechnik einfach aufs Gelände. Dann könnte Tesla als Option II einfach den Wasserverbrauch dadurch senken, dass ein Großteil des Wasser recycled wird. Was für ein Unternehmen mit einem Umweltimage nicht verkehrt sein kann.
Update Juni zum Thema Wasser:
Das hat man auch nicht so oft. Tesla hat einen deutliche Änderung am Antrag vorgenommen, wodurch eine erneute achtwöchige Auslegung der Unterlagen nötig wurde. Zielstellung: 1/3 weniger Wasserverbrauch! Wie wird es gemacht? Die Teile, deren O erflächenbehandlung soviel Wasser nutzt, werden einfach andernorts lackiert und dann in die Fabrik gebracht… Daumen hoch Umweltinitiativen! Vielleicht haben sie ja solargeladene Elektrotrucks dafür? Oder werden doch 500.000 Autos zum Wohle der Umwelt mit normalen LKW hin und her gefahren? Das ist übrigens der gleiche Grund, warum Tesla nicht einfach die Autos in China bauen kann. Ganz zu schweigen von der Patentschutzproblematik im Land der Aufgehenden Kopiermaschine, hätte jeder Tesla allein dadurch schon einen fetten CO2-Kredit.
Dieser Artikel wurde ursprünglich auf Quora als Antwort auf die Frage: "Was ist der tatsächliche Einfluß der Gigafactory von Tesla in der Nähe von Berlin (Grünheide)? Ist der Aufstand um das Wasser und den Wald angemessen?" veröffentlicht.
Fußnoten
[2] https://www.w-s-e.de/intern/artikel/bilder/338_20200116_wse_pm_tesla.pdf