„Jeder Mensch ist wertvoll, so wie er ist.
Er hat eine Würde, weil er ein Mensch ist.
Der Staat muss die Würde von jedem Menschen schützen.“

Was sich hier für viele wahrscheinlich ungewohnt liest, ist Artikel 1 Absatz 1 des deutschen Grundgesetzes in “Leichter Sprache“. Leichte Sprache zeichnet sich besonders durch ihre einfache Verständlichkeit aus. Sie ist klar formuliert, beschreibend und einfach zu lesen. Das ist vor allem wichtig für Menschen mit Lese- oder Lernschwierigkeiten und für Menschen, die noch nicht so gut die deutsche Sprache verstehen können. Aber auch jene, die beispielsweise unter Krankheiten wie Demenz leiden, kann Leichte Sprache ein wichtiges Kommunikationsmittel sein.

„Leichte Sprache ist leicht zu verstehen.
Leichte Sprache kann man schreiben.
Leichte Sprache kann man sprechen.
Viele Menschen mit Lern-Schwierigkeiten finden Leichte Sprache gut.“


Wo findet sich Leichte Sprache?

Vor allem dort, wo das richtige Verstehen von Texten und Aussagen essentiell und damit von großer Tragweite ist. Das betrifft vor allem öffentliche Behörden. Sein es nun Polizeibehörden oder Verwaltungsämter. Behördengänge müssen schließlich alle irgendwann in irgendeiner Form absolvieren. Würden Menschen, welche die oben genannten Schwierigkeiten aufweisen, die behördlichen Abläufe und die Tragweite ihrer Angaben gegenüber den Behörden nicht vollständig verstehen, weil sie beispielweise ein Wort nicht zuordnen können oder nicht gänzlich verstehen, was sie warum angeben müssen, hätte dies gravierende Folgen. Zum Beispiel nicht entsprechende staatliche Hilfeleistungen oder sogar die Kürzung von Hilfeleistungen, und dass nur, weil die Behörden sich nicht auf ihre Ebene der Kommunikation begeben können, um einen Informationsaustausch auf Augenhöhe zu gewährleisten.
Deshalb gibt es Leichte Sprache. Sie ist inklusiv und damit höchst wichtig. Besonders dann, wenn es um die Rechte und Willenserklärungen von Menschen mit sprachlichen Beeinträchtigungen geht.

Welchen Regeln folgt Leichte Sprache?

Eine Grundregel ist es, „schwierige Wörter“ zu vermeiden und für diese besser verständlichere Alternativen zu finden. Schwierige Wörter sind unter anderem solche, die das, was sie benennen, nicht direkt benennen, sie umschreiben, statt beschreiben. Ihr Inhalt ist rein aus der Gestaltung des Begriffes nicht ableitbar. Bedeutet: Es sind Wörter, deren Inhalt man nur versteht, wenn man sie auch kennt, unabhängig davon, ob man sonst der entsprechenden Sprache mächtig ist. Das betrifft besonders Anglizismen, Fachbegriffe und allgemein Fremdwörter.

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Eine weitere wichtige Regel, neben vielen anderen, betrifft den Satzbau Leichter Sprache. Sätze müssen entsprechen kurz sein, damit man ihnen leicht folgen kann. Verschachtelte Nebensätze sind ebenfalls zu vermeiden, damit der Sinn des Satzes, also welche Information er ausdrücken soll, einfach zu verstehen ist.

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Was lässt sich aus Leichter Sprache im Vergleich erkennen?

Es zeigt sich schon: Bei Leichter Sprache geht es, wie natürlich bei Sprache allgemein, um die unkomplizierte, eindeutige und damit verständliche Vermittlung von Informationen. Das führt uns auch schon zur kritischen Betrachtung von „Schwieriger Sprache“, welche der Alltagssprache sprachlich nicht beeinträchtigter Menschen entspricht. Sie enthält Fremdwörter, Fachbegriffe und zumeist viele Nebensätze, welche den Gehalt einer Aussage erweitern und auch konkretisieren sollen. Aber tun sie das wirklich? Ist Schwierige Sprache dazu geneigt, Informationen konkreter und damit unmissverständlicher auszudrücken?

Man muss bedenken, Sprache ist ein System von Begriffen und die Inbeziehungsetzung der selbigen. Die Beziehungen zwischen den Begriffen, also in welchen Zusammenhang sie stehen und welch neuer und zusätzlicher Inhalt sich dadurch ausdrücken lässt, geschieht wiederum durch weitere Begriffe, durch Konjunktionen. Daran lässt sich schon erkennen: Die Inbeziehungsetzung von Begriffen führt primär nicht zu einer Konkretisierung des Informationsgehaltes, sondern zu seiner Erweiterung. Am Beispiel „Öffentlicher Nahverkehr“ (Schwierige Sprache) und „Bus und Bahn“ (Leichte Sprache) wird dies sehr deutlich. „Öffentlicher Nahverkehr“ meint eigentlich „Bus und Bahn“, beinhaltet also diesen Begriff, fügt ihm aber noch weitere Informationen hinzu. Nämlich die Attribute der Öffentlichkeit, der Nähe und des Verkehrs. Dies ist auf der einen Seite eine Erweiterung des Informationsgehaltes, führt letzten Endes aber zu einer Konkretisierung des eigentlichen Begriffes, in dem der Sache „Bus und Bahn“ weitere Eigenschaften hinzugefügt werden. In diesem Falle wird damit ausgeschlossen, dass man darunter etwa Fernbusse und Fernzüge verstehen könnte.

Es zeigt sich weiter, dass Sprache und damit Kommunikation allgemein in drei Phasen unterteilt werden kann: Meinen, Ausdrücken, Verstehen. Was gemeint ist, wie es versucht wird auszudrücken und wie es tatsächlich verstanden wird können schon in ihrem Informationsgehalt different sein. Das Verstandene bezieht sich in der Regel nur auf das Ausgedrückte, das Ausgedrückte bezieht sich in der Regel nur auf das Gemeinte. Von Phase zu Phase ist damit ein Informationsverlust oder eine Verfälschung der Information möglich. Dies kann zu Missverständnissen führen. Durch die Konkretisierung der Information, welche durch eine Erweiterung des Informationsgehaltes geschieht, wird versucht, die ursprüngliche Information von Phase zu Phase weitestgehend unverändert zu erhalten. Je konkreter der Ausdruck ist, also je vielfältiger die Möglichkeit die Komplexität des Gemeinten auszudrücken, die Information des Ausdruckes also auch der Information des Gemeinten entspricht, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass ausschließlich das durch den Ausdruck verstanden wird, was auch tatsächlich gemeint ist.

Und dies führt uns zum Problem Schwieriger Sprache. Sie erfordert in diesem Sinne nämlich zwei grundlegende Kompetenzen: Einmal den Ausdruck entsprechend der Komplexität des Gemeinten zu formen sowie den Informationsgehalt des Ausdruckes in seiner Vielfalt auch zu verstehen: sprachliches Ausdrücken und sprachliches Verstehen. Diese beiden Sprachkompetenzen werden jedoch zu oft als selbstverständlich und damit vorhanden betrachtet, obwohl dies nicht immer der Fall ist, so gut wie nie eigentlich kann man sich deren Vorhandensein sicher sein. Dass Kommunikationsprobleme und damit solche Konflikte die Ursache vieler zwischenmenschlicher Probleme und Schwierigkeiten sind, zeigt dies zur Genüge. Schwierige Sprache ist demnach also nur dann wirklich konkreter, wenn die entsprechenden Sprachkompetenzen auch tatsächlich vorhanden sind.

Man könne nun meinen, Leichte Sprache sei durch ihre Beschaffenheit dazu geneigt missverständlich zu sein, indem sie den Informationsgehalt von Ausdrücken so gering wie möglich hält (wie am Beispiel „Bus und Bahn“ zu erkennen), aber genau dadurch ist sie eher geneigt das eindeutiger auszudrücken, was tatsächlich gemeint ist. Im Gegensatz zur Schwierigen Sprache setzt sie nämlich die grundlegenden Sprachkompetenzen nicht voraus, sondern umgeht sie. Natürlich sei an dieser Stelle erwähnt, dass das Schreiben und Sprechen in Leichter Sprache nicht gleich leicht zu erlernen ist. Sie bedarf lediglich nicht der Möglichkeit, komplexe Gedanken in entsprechend komplexe und vielfältige Ausdrücke zu formen, sondern komplexe Gedanken in möglichst einfache und damit mehrere Ausdrücke zu formen, was das Verstehen komplexer und vielfältiger Ausdrücke obsolet macht. Darin begründet sich auch die Inklusivität Leichter Sprache, da sie zu ihrem Verstehen auf Seiten der Verstehenden keine hoch ausgebildeten Sprachkompetenzen voraussetzt, anders als es bei schwieriger Sprache der Fall ist, die damit eher geneigt ist exklusiv zu sein.

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Welche Ausdrücke, Formulierungen und Regeln für Leichte Sprache am besten geeignet sind, dafür ist es notwendig mit von sprachlichen Beeinträchtigtungen betroffenen Menschen direkt zu reden und sie in die Forschung um diese Sache direkt einzubinden. Denn Leichte Sprache muss sich an ihrer Lebensrealität orientieren, damit sie die selbige verbessern kann. Beispielsweise das Netzwerk Leichte Sprache leistet unter anderem genau das.

Ist euch Leichte Sprache schon mal begegnet? Welche Probleme könnte man im Vergleich mit Leichter Sprache noch in der Schwierigen Sprache annehmen? Lasst uns in den Kommentaren austauschen und diskutieren!


Coverbild: Easy-to-read logo, Inclusion Europe

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