Mein Bruder war Alkoholiker und diesbezüglich völlig uneinsichtig. Auf drängen meines Vaters (auch Alkoholiker) eröffnete er ein eigenes Business, aber er arbeitete nicht. Da wir alle einen sehr seltenen Nachnamen haben, ging es so weit, dass seine Kunden mich privat und auf der Arbeit belästigten, damit ich ihn dazu brächte, seinen Job zu machen. Und sie hörten nicht auf. Einer rief mich über das Handy seiner Frau an, nachdem ich ihn geblockt hatte und mehrfach gesagt hatte, dass ich ihm nicht helfen könne und es wäre mir recht, wenn er meinen Bruder verklage.
Multiple Versuche zu intervenieren waren sinnlos. Wir kamen sogar zu dem Punkt, wo wir jemanden gefunden hatten, der sich während eines Entzugs um das Business kümmern würde und wir ihm genau erklärten, wie er durch
Angabe seiner Alkoholerkrankung verhindern konnte, massiv bestraft zu werden und seine Lizenzen zu verlieren. Für diesen und andere Versuche wurden wir von ihm angekackt, beleidigt und rausgeworfen.
Als mein Vater 2017 starb, hatte mein Bruder eine gute Phase. Als auch die Frau meines Vaters (ebenfalls Alkoholikerin) starb, die ein Wohnrecht hatte, habe ich der Frau meines Bruder meine Hälfte vom Haus (also mein Erbe) überschrieben und wir haben einen Rückzahlungsplan gemacht. Dabei handelte es sich bestenfalls um Zahlungen in Höhe einer Miete, für die man heute in Berlin vielleicht 15qm bekommen könnte.
Es gab einen festen Zahlungsplan mit Beginn, Höhe und Ende.
Aber ich bekam nichts. Nicht zu Planbeginn, nicht ein Jahr später. Irgendwann verkündete er stolz was von einem neuen Job und zahlte 3x 500 Euro. Dann stellte er die Zahlungen stillschweigend und ohne mich zu kontaktieren ein. Er hatte seinen Job natürlich versoffen.
Es bleiben bis heute noch Schulden über mehr als 220.000 Euro an mich.
Ja. Ihr habt die Zahl richtig gelesen.
Haltet diese Situation im Hinterkopf, denn bevor wir auf diese Schulden zurück kommen, lasst mich erst ein paar andere Dinge erzählen.
Lasst uns erst mal kurz festhalten, dass es da auch noch einen Bankkredit gab. Denn neue Bäder und eine neue Haustür aus rein ästhetischen Gründen (funktionierte alles noch wunderbar) waren halt wichtiger, als der Schwester auch nur einen Cent auszubezahlen.
Lasst und ferner festhalten, dass die Sucht übelst die Familie belastete - bis zu dem Punkt, wo ich an Zusammenkünften (natürlich ohne ihn!) festlegen musste, dass über ihn nicht mehr gesprochen werden durfte, weil uns das alle viel zu sehr belastete. Wir waren inzwischen alle in Therapie oder Beratung wegen diesem Scheiß. Als das irgendwer irgendwann mal erwähnte, sagte er uns, es sei eine Frechheit zu behaupten, wir wären seinetwegen in Therapie. Dabei war es ganz banal eine Tatsache.
Warum uns das so belastete: Er ist ein widerlicher, cholerischer, bösartiger Betrunkener. Er traute sich nicht, mich direkt anzugreifen, aber meine Mutter war offensichtlich „fair game”. Sie bekam alles ab, Beleidigungen, Beschuldigungen, usw. Beispielsweise warf er ihr einmal vor, sie habe seine Hochzeit versaut, weil ihr Ehemann - den er selbst mit eingeladen hatte - auf den Hochzeitsbildern sei und es wäre ihre Aufgabe gewesen, dafür zu sorgen, dass das nicht so ist.
Einmal tauchte er betrunken mit einem Strauß Blumen bei ihr auf und begann, verbal auf sie einzuprügeln, wie sie an allem schuld sei, wie unmöglich es sei, dass sie sich einmischte, und dass sie eh alles falsch mache. Mein Stiefvater warf ihn raus.
Einmal, als er wieder mal unauffindbar war, rief seine Frau - wie üblich - meine Mutter an und machte das zu ihrem Problem. Üblicherweise war er dann „unauffindbar” wenn er mit dem Auto irgendwo hingefahren war, sich schweren Alkohol besorgt hatte, und sich auf irgendeinem Parkplatz zudröhnte.
Einmal fand man ihn unansprechbar mit über 4 Promille am Friedhof. Er weigerte sich, im Krankenhaus zu bleiben. Diesmal war es ein anderer Parkplatz und er war noch nicht bewusstlos, hatte aber seine Autobatterie irgendwie leer bekommen. Meine Mutter wollte zu ihm und ihn überreden nach Hause zu gehen und das Auto überbrücken. Er schlug sie fast als sie zu ihm lief. Meine Mutter war übrigens damals schon über 70 und aufgrund einer Multiplen Sklerose Erkrankung Gehbehindert.
Das Schlimmste daran ist, dass mein Vater genau dieses cholerische, beleidigende Arschloch gewesen war, und meine Mutter sich deshalb von ihm getrennt hatte (nicht mir gegenüber). Zwar wurde er nicht handgreiflich, aber Menschen als Sau, Schlampe, etc. zu betiteln und anzuschreien, das konnte er sehr gut. Mein Bruder emulierte dieses Verhalten nahezu perfekt und ich will nicht wissen, welche Flashbacks meine Mutter da durchmachen musste. Dass meine Mutter diese Beziehung überlebt hat, ist letztendlich Glück zu verdanken, aber darauf möchte ich hier nicht weiter eingehen. Und hier war ihr Sohn und misshandelte sie emotional und war genauso respektlos wie damals mein Vater.
Schriftlich war mein Bruder besonders schlimm. In Briefen erklärte er, wie furchtbar meine Mutter sei und wie sie an allem Schuld wäre, usw. Der blanke Hass quoll nur so aus den Seiten. Meine Mutter hat die Sachen aufgehoben. Er hat bisher nicht mal versucht, sich damit zu befassen, was er ihr alles an den Kopf geworfen hat.
Ein ganz beliebtes Spiel seinerseits war es auch, uns zu erklären, dass er uns Zugang zu seiner Tochter (heute 4) entziehen würde. Sie als Drohung und Mittel zu benutzen, ohne dabei auch nur im Entferntesten daran interessiert zu sein, ob das der Tochter gut täte, das machte er sehr gerne. Er ging sogar so weit uns zu sagen, seine Frau sei der gleichen Meinung. Das war sie aber nicht. Zeitweise musste ich meine Nichte - die mich sehr lieb hat und ich sie auch - mit der Mutter heimlich treffen.
Nun gehen wir zurück zum Haus und den Schulden. Als sich abzeichnete, dass seiner Frau (die wegen der Tochter nicht arbeitete und sich danach wegen ihm dauernd krank schreiben ließ) und er bald gar kein Geld mehr hätten, musste ich mich damit beschäftigen, dass das Haus zwangsversteigert werden könne und ich nichts mehr von meinem Erbteil sehen würde.
Ich hatte inzwischen einen Kredit aufgenommen, weil ich mein eigenes Haus finanzieren musste und ihre Rückzahlungen klugerweise nie mit einberechnet. Hätte ich meinen Erbteil gehabt, ich hätte das Haus einfach kaufen können. So hatte ich Zinsen und Rückzahlungen zu stemmen. Ein „Danke”, dass ich das für sie auf mich genommen hatte, musste ich einfordern. Währenddessen lebten die beide in unserem geräumigen Elternhaus mit fast einer 1/2 Millionen Euro Marktwert und zahlten monatlich ihren kleinen Baukredit ab, aber nichts an mich. Nicht mal symbolisch 5 Euro. Einfach gar nichts.
Ich hatte mich dann entschieden, über einen Anwalt zu erwirken, dass ich als Schuldnerin auf das Haus eingetragen wurde. Das war vorher vertraglich anders geregelt, was mir sogar erlaubt hätten die komplette Summe sofort zu verlangen, aber ich bin kein Arschloch und ich ehre auch den Wunsch meines Vaters, dass das Haus in der Familie bleibt.
Die Tatsache, dass ich einen Anwalt nutzte und sagte, dass ich nicht darauf zählen könne, dass sie das Haus halten könnten, brachte meinen Bruder so richtig zur Weißglut. Wie ich darauf käme?!! Merke: Das war zu einem Zeitpunkt, an dem er mich mehrfach über sein Einkommen und seine Jobsituation belogen hatte, seine drei Zahlungen stillschweigend eingestellt hatte und sonst mit mir null über die Rückzahlungen redete. Ich wusste aber, dass er und seine Frau keinerlei Einkommen hatten und absolut niemand von uns wusste, wovon die beiden überhaupt lebten (später wurde was von Steuerrückzahlungen erzählt).
Es war sein boshaften Telefonanruf nach diesem Anwaltsbrief von mir, an dem ich ihm mitteilte, ich wolle mit ihm absolut nichts mehr zu tun haben und ihn überall blockte. Ich sagte sehr deutlich, dass es, wenn es um Dinge ging, die wir regeln müssen (zum Beispiel das Grab meines Vaters), dann solle er mich anrufen, aber auf jedem schriftlichen Kanal würde ich ihn blocken und Briefe per Post nicht lesen. Da er persönlich mir gegenüber ein absoluter Feigling war, schriftlich aber absolut bösartig sein konnte, war das eine Form von Selbstschutz.
Es folgte eine Zeit, in der seine Frau immer wieder versuchte, meine Mutter in die Problemlösung hinein zu zuziehen (und sich dann gerne beschwerte, dass sie sich einmischte(!!!)). Seine Frau machte verzögert die ganze Scheiße mit den unnützen Hilfsversuchen usw. durch, die wir alle schon mehrfach durch hatten, und war angepisst, das wir schon bei „wir tun uns das nicht mehr an” waren und uns von ihr da nicht mehr mit reinziehen ließen… außer unsere Mutter (s.o.).
Man konnte jetzt zusehen, wie mein Bruder seine Ehe zerstörte. Und als er es selber merkte, besuchte er meine Mutter, nur um sie anzubrüllen, dass Scheidung ja wohl das allerletzte wäre und er absolut kein Verständnis dafür hätte, dass sie sich von unserem [cholerischen, verbal misshandelnden, narzisstischen und stets alkoholisierten] Vater getrennt hätte. Absolute Projektion, weil er grade im Begriff war, seine Frau samt Tochter aus eigener Schuld zu verlieren… und das war bei meinem Vater ja genauso gewesen.
Dramatische Szenen folgten, in der er wie ein Kind in der Ecke heulend aus der Entzugsklinik abgeholt werden musste, wie am ersten Kindergartentag. Seine Frau verschwand an einen unbekannten Ort, keiner kannte ihre Adresse und sie war jetzt auch so gar nicht mehr daran interessiert, dass sie mir meine Haushälfte abgekauft hatte und die Schulden bestehen blieben, ob sie noch Lust hatte da zu wohnen, oder nicht.
Irgendwann kam wohl doch der Entzug. Ich erinnere mich nicht mehr, bzw. hatte mich fast vollständig ausgeklinkt als das lief.
Ich musste meine Mutter danach mehrfach daran erinnern, dass es mir kackegal war, dass er jetzt trocken ist, davon vergesse ich diese ganze Scheiße halt auch nicht. Das „Friede, Freude, Eierkuchen”-Gehabe, das er begann und dass meine Mutter - und später unsere Halbschwester - mitmachten, akzeptiere ich bis heute nicht. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass irgendein Therapeut ihm je vorgeschlagen hätte, dass das ein sinnvoller Plan wäre.
Irgendwann steckte er mir mal einen Brief zu, völlig ohne Beachtung der Tatsache, dass ich ihm Briefe explizit verboten hatte. Ich las ihn, beantwortete ihn jedoch nicht. Es war ein widerlich egozentrischer Text darüber, dass er ja viel an sich gearbeitet habe, und es ihm ja jetzt wieder besser ging. Daher sei es jetzt genug mit Entschuldigungen und ich könne ihn ja jederzeit Fragen, wenn ich etwas wissen wolle.
Zur Klarstellung: Dieser Mensch hat sich bisher kein einziges Mal wegen irgendwas bei mir - und meines Wissens nach auch nicht bei anderen - entschuldigt. Dieser Mensch muss auch keine Fragen beantworten, sondern stellen. Wenn er sich das Wissen, was er anderen angetan hat, weggesoffen hat, kann er nichts dafür, aber es entbindet ihn nicht von der Verantwortung. Er kann fragen. Er kann seine eigenen, hasserfüllten Briefe und Beleidigungen lesen. Er kann sich dafür interessieren, welchen Schaden er verursacht hat. Aber „jetzt ist genug mit Entschuldigungen” und „mir geht es ja jetzt besser und ich hab viel aufgearbeitet”… ja fick dich doch, Alter. Das geht mir am Arsch vorbei. Solange dieser Mensch nicht fähig ist, Verantwortung für all die Scheiße zu übernehmen, die er angerichtet hat, ist und bleibt er selbst weiterhin ein Stück Scheiße. Und selbst wenn - ich weiß nicht, ob dieser Schaden meinerseits überhaupt reparabel ist. Aber er hat ja nicht mal Interesse daran, irgendwas aufzuarbeiten, das nicht ihn selbst und sein kleines Ego betrifft, also stellt sich diese Frage gar nicht.
Ach und die Schulden? Seine Frau hat mich angeschrieben, sie will sie ab 2025 zurückzahlen. Von ihm kam nichts.
Falls euch dieser Trainwreck tatsächlich interessiert hat: Danke fürs Lesen.
Es ist alles sehr verkürzt. Es gab da noch weitere Lügen, Vorfälle, missglückte Entzüge mit Selbstbetrug, etc. Aber das ist zweitrangig.
Vielleicht versteht der ein oder andere jetzt aber nicht nur, warum es mich so unfassbar belastet, dass meine Mutter versucht, ihn wieder zu integrieren, sondern auch, warum ich so vehement die deutsche Alkoholkultur outcalle.
Mein Vater trank seit den Parties in den 70ern, da war er 20+. Und das ist das Ergebnis… denn er hat meinem Bruder beigebracht, dass man immer zur Flasche greifen kann.
Mein Vater starb 2017 im Krankenhaus. Er verlangte dort dauernd nach einem Bier.
Mein Bruder erzählte den Pflegern überzeugt, unser Vater sei kein Alkoholiker. Ich dachte es wäre ihm einfach peinlich. Ich lernte später, dass mein Bruder das wirklich glaubte.
Mein Vater starb nach einer Diabetes-verursachten Zeh-Amputation, die zu einer Infektion führte. Das letzte was er mir sagte: “Warum hast du mein Unkraut entfernt?”
Das Vorletze: “Auf. Gehen wir.”
Das Vor-Vorletzte: “Trinken wir noch’n Bier?” oder so ähnlich.
Ja, Alkoholismus ist eine Krankheit. Aber verletzt ist verletzt. Und Verantwortung ist nicht optional.
Wenn du im Rausch eine Brücke verbrennst, dann ist sie auch dann noch kaputt, wenn du wieder nüchtern bist. Und auch wenn unser krankes Rechtssystem Trunkenheit manchmal als mildernden Umstand behandelt, für den Schaden bist du trotzdem verantwortlich. Warum sollte das anders sein, wenn es sich um symbolische Brücken handelt?
Es ist absolut absurd zu verlangen, man müsse oder könne traumatische, schmerzhafte und schlimme Erlebnisse, die einem nachhaltig auf die Gesundheit geschlagen sind, und emotional irreparablen Schaden angerichtet haben, einfach willentlich vergessen. Schon gar nicht aus dem absurden Grund heraus, dass die Wiederholungsgefahr gerade - ob zeitweise oder für immer - nicht besteht. Wer glaubt, das zu können, wer glaubt, das sei sinnvoll und richtig, belügt sich selbst. Ich werde mich hüten, mich selbst zu belügen.
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