I was wondering: how much of your personality would you attribute to the culture or society in which you were raised?

- Samantha

I don’t think my personality has been shaped that much by where I grew up. What I do think, though, is that sadly my value structure has been formed to a large degree by culture and society… but since I have turned like 21 or 22, I try to reshape it… in a way that is more what I figure out to be valuable in the world and less what one made me think it is.

- Marco


Hey Sam,
wie bei allem, was ich so sage, ist, was ich sagen will, eigentlich sehr einfach. Da andere das schon gesagt und präziser gesagt haben — die Links sind in den Shownotes — , ist es kaum der Rede wert. Trotzdem wollte ich nochmal etwas anmerken:

Mit 21 haben viele Menschen große Wünsche. Viele wünschen sich, in dem, was ihnen als wertvoll vorgelebt wurde, noch mehr zu erreichen als die Umgebung, in der sie aufgewachsen sind. Lass uns einfach einmal annehmen, ich käme aus “gutem Haus” — Vater Politiker, Mutter Ärztin, den Schulkameraden geht es ähnlich. Da braucht es einen sportlichen Mercedes für den Alltag, einen Porsche für die Wochenenden, einen Geländewagen für den Winter und einen Oldtimer für die besonderen Anlässe — so schauen die Leute. Gut behütet und mit ein wenig Glück wünscht man sich mit 18, 19 vielleicht mehr davon… man glaubt — natürlich auf seine ganz eigene, bessere Weise — mehr davon zu bekommen, aber wünscht sich eben erstmal mehr von diesem Wertvollen, dem Familienmodell, dem materiellen Luxus, der damit einhergehenden sozialen Anerkennung. Vielleicht bis sich einiges davon für einen als leer entpuppt; vielleicht steht das auch zuvor, aber bewusst merkt man erst: Man wünscht es sich eigentlich nicht genug.

Reflexartig, eventuell ein wenig enttäuscht von sich selbst, taucht ein Wunsch zweiter Ordnung auf: Du wünschst dir, stärker zu wünschen, mehr Geld zu verdienen. Einer von vielen Wünschen zweiter Ordnung. Vielleicht wünschst du dir neben ihm auch, stärker zu wünschen, besser Geige spielen zu können, mehr Harry Frankfurt zu lesen, oder eine Familie mit ein, zwei oder sogar drei Kindern zu haben. Darauf aufmerksam geworden fragst du dich vielleicht auch ganz bewusst: Was wünschst du dir zu wünschen?

Ich denke, ich kann dich bereits soweit einschätzen, dass du dich (als Person) sogar fragst, welchen dieser teils konkurrierenden Wünsche zweiter Ordnung du wirklich willst: Welcher von ihnen soll dein Handeln bestimmen? Natürlich habe ich keine Antwort für dich. Ich denke nur, dass es erstmal gut ist, dass du dich das fragst.


Und auch ich lege mich jetzt erstmal hin, höre ein wenig Mogwai und frage mich, was ich wollen will. Was will ich wollen,  wenn ich mich umschaue und nachdenke: was fühlt sich richtig an, gewollt zu haben?, was oberflächlich, vergänglich, vielleicht sogar falsch? Wie das wohl bei allen ist — vor allem, wenn man mal geneigt war, viel zu wollen — , stellte sich auch bei mir vieles als ungeeignet heraus; einige Wünsche sind noch immer dabei zu verschwinden, hinterlassen erstmal ein wenig Leere und Enttäuschung. Ich denke, auch das ist normal. Man läuft Gefahr zu resignieren, hat aber auch Raum dafür geschaffen, zu erkennen, was für einen selbst wirklich wertvoll ist. Denn ein paar Sachen haben sich im Erleben, im Zusammenleben und beim Reflektieren als echt wertvoll herausgestellt. Und ich denke, um solche Wünsche und Werte zu erhalten, die einen dann auch lebendig halten, sollte man diese Dinge pflegen und ihnen Raum geben. Ein bisschen, wie man es eben auch mit guten Freundschaften tun muss.

Aber jetzt beginne ich schon zur nächsten Frage abzudriften: Ob man wirklich wollen kann, was man will. Und auch darüber, muss ich erstmal nachdenken. Ich werde versuchen, mich erstmal selbst, wie es Nagel empfiehlt, von der Frage in Verlegenheit bringen lassen, habe aber schon ein paar Ideen dazu im Kopf und werde dann — wohl viel zu früh — auch (nochmal) nachsehen, was Frankfurt dazu schreibt.


Marco

Shownotes

Frankfurt, H. G. (1988). Freedom of the Will and the Concept of a Person. In What is a person? (pp. 127–144). Totowa, New Jersey: Humana Press.

Nagel, T. (2008). Was bedeutet das alles?. Stuttgart: Reclam.

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