“Neulich wurde ich auf Twitter ein »wohlstandsverwahrloster Arsch« genannt” so @NikolausBlome in seiner Spiegel-Kolumne zum #Sanktionsmoratorium.

Mutig beichtet er mit seiner Familie noch nie von #HartzIV gelebt und ein Arbeitsamt noch nie als Privatperson betreten zu haben.Weiter resümiert er, dass er vermutlich auch ein “Besserverdiener” sei.  "Aber das macht aus mir ja noch keinen schlechten Menschen, oder?“ fragt er. Er hält das für einen billigen Trick der Interessenorganisationen, die ihn damit diskreditieren wollen.

Im nächsten Schritt taucht er in die Welt der Verschwörungspraktiker ein, indem er mutmaßt, dass…”die Irren unter den Anti-HartzIV-Lobbyisten nun auch sozialpolitische Themen verminen und man ein Thema weniger hätte, über das man in Ruhe reden könne.”

Ach ja und die Steuerzahler. Die vergisst er auch nicht, indem er darauf hinweist, dass die Hartz-IV-Ausgaben steuerfinanziert sind: Bezahlt von Arbeitnehmern mit großem oder auch kleinem Gehalt, die gefälligst pünktlich zur Arbeit zu erscheinen haben.

Während der #HartzIV Empfänger in Zukunft Amtstermine nicht mehr wahrnehmen, Jobangebote, Weiterbildungen ablehnen und auch keine Bewerbungen mehr schreiben müsse. Und sanktioniert wird er dafür auch nicht mehr.

So befürchtet Blome, dass der Wert von Arbeit und Arbeitern drastisch sinken würde. Nun kommt Corona ins Spiel. Durch den Coronabedingten Wegfall von Vermögenskontrollen und die Übernahme der Miete  in Verbindung mit dem geplanten #Sanktionsmoratorium wird ein Bedingungsloses Grundeinkommen geschaffen. Miete und Heizung gäbe es sogar noch OnTop vom Amt.

Die rote alte Tante muss herhalten

Dann zitiert (feiert) er den ehemaligen SPD-Vizekanzler Franz Müntefering, der seinerzeit auf fehlende Uhren in den Haushalten von #HartzIV Empfängern hinwies und verteidigt das Zitat im gleichen Atemzug.

Müntefering hätte das ja nicht von oben herab gesagt, sondern sei der Meinung, dass #HartzIV Empfänger ihre Würde nur durch “Pünktlichkeit gebietende Struktur erhalten würden”.

Dafür feiert Blome die alten Sozialdemokraten und verlangt für diese Leistung Respekt, denn die Nachfolger würden zusehen wie “...links-grüne Gesellschaftsklempner das alte Malocher-Ethos der deutschen Sozialdemokratie geschichtslos abwickeln.”

Gegenseitige Solidarität würde ein Land besser durch eine Krise bringen und solidarisch Unterstützte schulden zumindest Pünktlichkeit und stetes Bemühen.

Weiter hängt er noch jede Menge Zahlen und Statistiken an, die seine Ausführungen untermauern sollen. Zum Schluss spricht er noch die oben genannte Twitterin an, die wohl durch seine Aussage viele neue Follower begrüßen durfte und schließt mit einem “Gern geschehen”.

Respekt ist keine Einbahnstraße

Sehr geehrter Herr Blome, natürlich können Sie über das Thema in Ruhe reden. Sogar öffentlich.

Sie fordern jedoch einen Respekt, den sie selber anderen verwehren. Sie geben den Anschein zu den ewig Gestrigen zu gehören, die sich die alten Zeiten zurückwünschen.

Zucht und Ordnung. Brot und Wasser. Den Zucker lassen wir weg, die Peitsche reicht.

Sie starten auf einem großen Medienportal ein Mimimi, Beifall heischend und voller verächtlicher, diskriminierender Aussagen und wundern sich, wenn das Echo zurück schallt.

Während SIE das Glück hatten, noch nie unterstützende Hilfe in Anspruch nehmen zu müssen, hatten Millionen Arbeitnehmer dieses Glück nicht. Auch diese haben fleißig ihre Sozialversicherungsbeiträge geleistet.

Was hinter dem Gedanken der Sozialversicherung und damit von Ihnen geforderten Solidarität steht, habe ich Ihnen kurz aus einem Kinderlexikon herausgesucht, damit Sie auch ganz sicher den Sinn von Sozialversicherung und Solidarität verstehen.

 Der Gedanke der Solidarität  Hinter der Sozialversicherung steht der Gedanke, dass die Gemeinschaft der versicherten Arbeitnehmer/innen dem Einzelnen hilft, wenn er oder sie in Not gerät, krank oder arbeitslos wird, einen Unfall erleidet oder im Alter pflegebedürftig ist.
Quelle:www.hanisauland.de

#IchBinArmutsbetroffen|e nehmen also eine Leistung in Anspruch, für die sie in eine Pflichtversicherung eingezahlt haben.

Die Schicksale, die sich dahinter verbergen sind unterschiedlich: Insolvenzen, Stellenabbau, Corona-Pandemie, Pflege von Angehörigen, Erziehungszeit, Krankheit, Behinderung, Unfallopfer, Opfer sexuellen oder psychischen Missbrauchs, körperliche Misshandlungen, Gewaltopfer. Hinzu kommen noch Arbeitnehmer in prekären Beschäftigungen, für die ein Auskommen mit dem Einkommen durch die Arbeit im #Niedriglohnsektor unmöglich gemacht wird.

Die Armutsrente ist keine Ausnahme mehr

Von der dadurch zu erwartenden #Armutsrente rede ich erst gar nicht. Kaum ein Arbeitnehmer, dessen Beifall Sie sich durch Ihre Aussagen erhoffen, wird später mit seiner Rente auskommen und Sozialleistungen beantragen müssen.

Schon heute können Arbeitnehmer, die ihr Leben lang gearbeitet haben, kaum bis gar nicht von ihrer Rente überleben und müssen ergänzende #Grundsicherung beantragen. Auch solche Berichte finden sich unter #IchBinArmutsbetroffen.

Erst kürzlich sprach ich mit einer Pflegefachkraft, deren Eltern man wohl als wohlhabend bezeichnen könnte. Fürs Alter war gut vorgesorgt, es sollte für einen angenehmen Lebensabend reichen. Bis der Steuerberater seiner Sorgfaltspflicht nicht nach kam und sich wohnhaft ins Ausland absetzte. Die Eltern standen vor dem Nichts und die Mutter arbeitet mit 81 immer noch, damit sie wenigstens etwas über die Runden kommen. Das ist kein Einzelfall. #Altersarmut kann jeden treffen. Sogar Sie.

Nach Angaben des Mikrozensus waren im Jahr 2005 rund 520.000 Personen im Alter von 65 Jahren und älter erwerbstätig, was 3,3 Prozent der Bevölkerung entsprach. Im Jahr 2019 arbeiteten hingegen 1,3 Millionen oder 7,8 Prozent der Personen über 64 Jahre.13.09.2021 Quelle: iwköln

Alleinerziehend als Armutsgefahr

Familien mit Kindern sind ebenfalls #Armutsbetroffen. Kinder, die übrigens wichtig sind, damit Sie verehrter Herr Blome, später eine Rente erhalten. Während Sie vermutlich privat vorgesorgt haben, können die meisten Armutsbetroffenen dies nicht. Nicht einmal, wenn sie nicht im #Niedriglohnsektor arbeiten. Der Großteil aller Arbeitnehmer wird von #Altersarmut betroffen sein.

Besonders betroffen sind übrigens #Alleinerziehend|e.

Bei Haushalten mit einer erwachsenen Person mit Kind(ern) lag die Armutsgefährdungsquote im Jahr 2020 bei 40,5 Prozent. Dies bedeutet, dass 40,5 Prozent der Haushalte mit einer erwachsenen Person mit Kind(ern) in Deutschland von relativer Einkommensarmut betroffen waren. Quelle:de.statista
Laut dem Statistischen Bundesamt waren rund 2,09 Millionen Mütter und etwa 435.000 Väter im Jahr 2020 alleinerziehend in Deutschland. Dabei ist auffallend, dass die Zahl der alleinerziehenden Mütter deutlich höher ist, als die der Väter. Dennoch ist ein tendenzielles Wachstum bei den alleinerziehenden Vätern zu verzeichnen, während die Zahl der alleinerziehenden Mütter im Jahr 2019 deutlich niedriger im Vergleich zu 2015 ist. Quelle:de.statista

Die von Ihnen gefeierten Sozialdemokratischen Freunde haben den #Niedriglohnsektor erst möglich gemacht. Andere Regierungsparteien haben, statt die Lage zu verbessern, den Boden für Billigarbeit und wachsende Armut in der Bevölkerung weiter vorangetrieben.

Moderne Sklavenarbeit von der eins nicht leben kann und mit Sozialleistung aufstocken muss. Diese Menschen zahlen neben Sozialversicherung einen hohen Preis dafür. Sie bezahlen mit ihrer Gesundheit und müssen sich als faules Pack beleidigen lassen.

Eine hübsche Sammlung von Beleidigungen und Herabwürdigungen durch bekannte Persönlichkeiten finden Sie übrigens hier.

Unsere Pflege - Ihre Armut

Kommen wir zum größten Pflegedienst in Deutschland, #PflegendeAngehörige. Auch sie leisten einen wertvollen Teil und tragen zur staatlichen Entlastung bei. Rund 2,1 Millionen Euro jährlich spart der Staat durch Pflegende Angehörige. 56 Prozent der Pflegebedürftigen (4,1 Millionen siehe Grafik) werden Zuhause von Angehörigen gepflegt.

Pflegebedürftige nach Versorgungsart 2019 in Prozent. Insgesamt 4,1 Millionen . 56% Pflegebedürftige zu Hause versorgt(überwiegend durch Angehörige),24& Pflegebedürftige zu Hause (ambulante Pflege/Pflegedienste), 20% Pflegebedürftige vollstationär in Heimen- 56

Es gibt Pflegende Angehörige die sind berufstätig, viele davon in einer Partnerschaft, also zwei  Einkommen. Andere arbeiten oft in Teilzeit, häufig im #Niedriglohnsektor. Das ist unter anderem abhängig vom Pflegegrad des zu Pflegenden.

Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, wurden Ende 2019 hierzulande 2,1 Millionen Menschen mit Pflegegrad 2 bis 5 und damit mehr als die Hälfte aller 4,1 Millionen Pflegebedürftigen (51,3 %) allein durch Angehörige zu Hause versorgt. 72 700 von ihnen hatten den höchsten Pflegegrad (5) und wiesen damit schwerste Beeinträchtigungen mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung auf. Quelle:destatis

Auch die Pflegegrade darunter haben individuelle Bedürfnisse, die der Pflegeperson kaum Spielraum für ein eigenes Erwerbseinkommen lassen. Die gesundheitliche Belastung durch Pflege und Beruf ist enorm. Mit Beginn der Coronapandemie haben sich die Bedingungen noch verschärft.

Jeder zweite Pflegedienst (53 Prozent) gab darin an, in den vergangenen drei Monaten kein Personal für unbesetzte Stellen gefunden zu haben. Für die Studie hat das Zentrum für Qualität in der Pflege bundesweit 535 ambulante Pflegedienste befragt.26.09.2019 Quelle:häusliche-pflege.net

Gab es vor Corona schon Probleme einen Pflegedienst für entlastende Dienstleistungen zu engagieren, hat sich die Lage seitdem dramatisch verschärft. Der Pflegenotstand in Krankenhäusern und bei Pflegediensten bedeutet auch für Pflegende Angehörige eine starke Belastung.

Insbesondere dann, wenn die Pflegeperson selbst erkrankt oder körperlich erschöpft ist, kann sie keine entlastenden Dienstleistungen in Anspruch nehmen, da das #Pflegepersonal bei den Pflegediensten schlichtweg fehlt.

Eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) nahm Haushalte mit und ohne Hartz-IV-Bezug in den Blick: Derzeit pflegen über 280.000 Bezieher von ALG II Angehörige - macht sieben Prozent der Erwerbsfähigen, verglichen mit fünf Prozent bei Personen, die nicht im Hartz-IV-Bezug stehen.03.11.2016 Quelle:pflegebetten-24.de

Neben der aufwendigen Pflege der Angehörigen werden erwerbsfähige, erwerbslose Pflegende Angehörige jedoch angehalten sich um eigene Lohnarbeit zu bemühen. Dafür stehen der Pflegeperson Hilfen zur Verfügung. Wie etwa Entlastung durch einen Pflegedienst, der keine ausreichenden Kapazitäten hat.

Unter den Pflegepersonen sind auch #Alleinerziehende, die ihre kranken oder behinderten Kinder pflegen.

Beispiel einer Alleinerziehenden Mutter mit einem pflegebedürftigen Kind.

Übrigens warten wir beide immer noch auf Ihre Antwort auf unser seriöses Angebot mit uns zu tauschen. Sie bietet ihnen immerhin noch einen Pflegebonus, wie Sie in dem Tweet unter meinem lesen können.

Nicht selten ist die gesundheitliche Belastung für Pflegende Angehörige immens. Überlastung, körperlich wie auch psychisch, sind keine Seltenheit. Gepflegt wird bis zum eigenen Ausfall.

Wo wir gerade beim Pflegethema sind. Ist ihnen bewusst, dass große Teile Beschäftigter in Pflegeberufen auch mit #HartzIV aufstocken müssen? Allen voran Alleinerziehende, Teilzeitbeschäftigte und (ungelernte) Helfer. Ein Beispiel aus der Altenpflege:

September 2022 sollen die Mindestlöhne für Pflegekräfte in Deutschland in drei Schritten steigen. Für Pflegehilfskräfte empfiehlt die Pflegekommission eine Anhebung auf 14,15 Euro pro Stunde, für qualifizierte Pflegehilfskräfte eine Anhebung auf 15,25 Euro pro Stunde und für Pflegefachkräfte auf 18,25 Euro pro Stunde.08.02.2022 Quelle:bmas.de

Allen gemeinsam ist, dass sie von #Altersarmut betroffen sein werden.

Ist das die Würde der “malochenden” Arbeiter mit kleinem Einkommen von der Sie gesprochen haben?

Ist das die Solidarität von der Sie erwarten, dass sie gelebt wird, um im gleichen Atemzug die gleiche Solidarität jenen zu verweigern, die für den Ernstfall dafür bezahlt haben, um sich abzusichern?

Ganz frisch dazu ein Bericht der Süddeutschen von Thomas Balbierer. Immer mehr sind auf die Tafeln angewiesen. Junge Familien, Alleinerziehende, Rentner.

Zu Ihrer Eingangs gestellten Frage, ob Sie ein schlechter Mensch seien…

Das sollte jeder Leser für sich selbst entscheiden.

Ich habe extra den Duden bemüht um Ihre Frage richtig einordnen zu können:

“charakterlich schlecht, moralisch nicht einwandfrei, böse”

Dem ist nichts hinzuzufügen.

Bitte gern geschehen!

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