Wenn man, wie ich, die Homöopathie öffentlich kritisiert und sich über sie lustig macht, wird man oft von einer Scheinargumente-Lawine überrollt. Meist endet jeder Diskurs mit der Aussage, dass hinter dem Engagement ein finanzielles Interesse, jenes der Pharma-Mafia steckte. Doch welche Pharmamafia ist gemeint? Doch nicht die Paten unter den Big Playern, in deren Chemieküchen Homöopathie köchelt? Und die sich auch Pharmaindustrie nennt. Ich verstehe mich als einen Sozialpaten und werde nicht bezahlt. Weder für Tweets noch für Cartoons. Susannchen hat mir mal einen Kuchen gebacken, den konnte ich bisher jedoch nirgends gegen einen Aston Martin eintauschen. Gegen etwas fremdfinanzierte Blecherotik hätte ich natürlich nichts einzuwenden. Gerne darf ein Werbeaufkleber auf der Karre sein.

Weshalb der Vorwurf, es ginge den Skeptikern nur um Kohle, so oft zu lesen ist

Es ist die einfache Erklärung. Einfache Erklärungen sind beliebt. Man braucht Kritiker nicht ernst zu nehmen und muss sich und seine Wahnvorstellungen nicht hinterfragen. Es ist ein scheinbar beliebter Wunsch, auf alle Fragen eine einfache Antwort parat zu haben: Wenn ein Butterbrot zu Boden fällt, kann man entweder ‘Murphy’ rufen oder man muss sich Gedanken über Falldistanz, Fallgeschwindigkeit, Rotation etc. machen. Dann doch lieber ‘Murphy’ und Opfer sein. Wer von der Homöopathie überzeugt ist, macht damit entweder viel Geld (die Hersteller), versteht den Unterschied zwischen Korrelation und Kausalität nicht (meist die Homöopathen), oder denkt sich «nützt’s nichts, so schadet’s nicht» (die Patienten). Wirkung wird nicht hinterfragt. Man muss kein Kompetenzriese sein, um zu verstehen, was dahinter steckt. Es ist die Unwissenheit, die viele Menschen diese Pseudomedizin nicht hinterfragen lässt. Gerade deshalb ist die Arbeit des INH so wichtig. Ich begegne oft Menschen, die meinen, dass ich als Homöopathie-Gegner auch etwas gegen ihren Kräutertee hätte. Oder ein Medizinfan sei, der Antibiotika und dergleichen promote. Nein! Ich bin gegen Pseudomedizin und natürlich auch bei wirksamen Medikamenten kritisch und vorsichtig. Und ich toleriere die Zuneigung zu Placebos. Und zwar in allen Spielarten!

Wie alles begann

Im November 2017 trat ich Twitter bei. Damals war ich noch fest entschlossen, nur zu lesen, aber nie zu twittern. Ende Mai 2018 setzte ich dann doch den ersten ‘Covefe’ ab. Es gab keinen bestimmten Auslöser. Ich kann nicht einmal behaupten, es wäre der berühmte Tropfen im Fass gewesen. Die Idee ist mir einfach vorher nicht gekommen. Und: Ich hatte gerade viel Zeit zu vertreiben, da ich abermals mit einem gebrochenen Bein im Krankenbett lag. So wollte ich mit Satire kritisches Denken befördern und Themen exponieren, die Menschen hinters Licht führen. Auf Twitter findet man viel Rechtsextremismus, Esoterik und Verschwörungstheorien. Auch als besonders avantgardistisch verpackte Idiotie. Ich sehe diese Multiplayer-PostIt-Notes-Plattform als eine weltweite, interaktive Toilettentür: Alle können ihren Standpunkt, und somit manchen Schwachsinn, hinkritzeln. Und dass Postulate aus den Bereichen Religion und Esoterik wie ein Kult verteidigt statt hinterfragt werden, provoziert mich. Manchmal persönlich. Eines der besten Mittel über (Pseudo-) Autorität zu lachen, ist die Satire und sie wird für mich so zum unerlässlichen Regulativ. «Der Satiriker ist ein gekränkter Idealist: Er will die Welt gut haben, sie ist schlecht, und nun rennt er gegen das Schlechte an», schrieb Kurt Tucholsky. Ich mag das Bild des gekränkten Idealisten, weshalb ich mich in meiner Twitter-Bio so bezeichne. Zuckerkugelfanatiker hatte ich bis dato nicht wirklich auf dem Schirm. Sie sind bis heute nicht meine Lieblinge als Sparringspartner. Aber: Deren Lobby ist auf Twitter sehr aktiv. Man könnte meinen, da wäre Geld im Spiel *hust*! und das bietet immer wieder Anlass und Motivation etwas zu schreiben, oder eben zu zeichnen.

Die Anonymität

Ich war in der Schule schon nie der Klassenclown, aber dessen Gag-Writer. Das hatte damals natürlich pragmatische Gründe, denn so kam ich meist ohne Schelte davon. Heute hat es andere Gründe. In einer Zeit in der Meinungen wichtiger als Fakten sind, und auch mehr Gewicht darauf gelegt wird, wer etwas sagt, als was gesagt wird, habe ich mich entschieden, anonym aufzutreten. Ich wollte eine Kunstfigur erschaffen, die uninteressant genug ist, um sie nicht wirklich ernst zu nehmen. Das, was Sankt Johann sagt, rückt so in den Vordergrund. Und jeder hat die Möglichkeit, es entweder gut zu finden oder es mit einem Schulterzucken links liegen zu lassen. Oder rechts. Oder hinter sich.

Das war, retrospektiv betrachtet, eine gute Entscheidung, denn wir Homöopathie-Kritiker bekommen einige Liebesbriefe - meist per PM, damit die Absender keinen Shitstorm kassieren. Man wollte mich schon steinigen, mir die Hände abhacken, bezeichnete mich als «Skeptiker-Taliban», als «behinderten Pharma-Troll», als «Chemie-Nazi». Wäre man arrogant, könnte man das als primitiv-kreative Wortschöpfungen titulieren. Besonders schön: Die Posts kommen meist mit, um beim Thema zu bleiben, «alternativer» Rechtschreibung daher. Was eigentlich die größte Beleidigung ist. Man drohte mir - einem erklärten Atheisten - übrigens auch schon öfter mit der Hölle. Das ist stets ein ironisches Highlight für mich. Jemand anders schrieb, er (oder sie?) schicke mir heilende Gedanken, damit ich auf den richtigen Pfad zurückfände. Ich antwortete nur: «Schick lieber Nacktfotos.» und wurde sofort geblockt. Die Sache war erledigt.

Wer heilt hat recht, oder?

Nein, eben nicht. Das wäre wieder ein einfaches, aber ein falsches Argument. Wer den Nachweis für die Ursache der Heilung hat, hat Recht. Es gibt viel plausiblere Erklärungen. Ein Zuckerkügelchen hat Informationen von verdunstetem Wasser, welches die Informationen eines Stoffes (der das Symptom nicht bekämpf, sondern ‘bestenfalls’ verursachen kann) übermittelt bekommen? Diese Smarties sollen für die Heilung verantwortlich sein? Das ist nicht nur physikalisch völliger Nonsens, sondern ganz bestimmt die falsche Schlussfolgerung. Was ist wahrscheinlicher: Naturgesetze treten temporär für einzelne Individuen ausser Kraft - oder man unterliegt einem Irrtum?

Weshalb die Homöopathie heute noch so viele Anhängerinnen und Anhänger hat

Die Befürworter haben stets einen riesigen Argumentationswackelpudding voller positiven Erfahrungen mit Homöopathie. Aber mehr als diese Anekdoten bieten sie nicht an. So gottschalken sie täglich über vermeintliche Erfolge, haben jedoch nur anekdotische Evidenz zu bieten. Oft argumentieren sie ad hominem, weichen aus, rufen ihren besten Freund, den Whataboutism, zu Hilfe oder sie ignorieren jedes Gegenargument. Die Studienlage ist klar: Homöopathische Mittel haben keine Wirkung über den Placebo-Effekt hinaus. Zudem ist Placebo eine sehr unzuverlässige, somit gefährliche Therapieform. Natürlich ist die Intuition, die subjektive Wahrnehmung, ein nicht ernstzunehmendes Argument, da sie keine wissenschafliche Grundlage und keine objektive Überprüfbarkeit hat. Ich will aber nicht mit Popper langweilen oder überfordern: Je komplexer die Frage, umso schwieriger wird es, sie intuitiv zu beantworten. Wenn man fragt, wie dick ein Zeitungspapier wäre, würde man es 100 Mal falten, denken die meisten Menschen intuitiv, sie sei etwa so dick wie ein Ziegelstein. Versuch das jedoch einmal mit einem handelsüblichen Taschenrechner zu berechnen!

Wenn uns die Geschichte etwas gelehrt hat, dann hoffentlich die Einsicht, dass der menschliche Sinn für Vernunft manchmal ein bisschen Hilfe braucht, den Boden unter seinen Füßen zu finden.

Negative Erfahrungsberichte zur Homöopathie gibt es auch kaum, da diejenigen, die damit eine schlechte Erfahrung machten, keinen Anlass haben darüber zu berichten. Es hat halt nicht funktioniert. Nein, Homöopathie heilt nicht, sie schadet.

Wie die Homöopathie schadet

Paragraph 2 SGB V: «Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.» Damit müsste das Thema eigentlich erledigt sein. Homöopathie sollte, da sie sich als Arzneimittel ausgibt, die Arzneimittelprüfungen bestehen. Auch dann wäre das Thema erledigt. Dass Homöopathie apothekenpflichtig ist und von den meisten Krankenkassen (in der Schweiz von allen Krankenkassen) gedeckt wird, ist eine Farce. Dass auf Latein formuliert wird, was als Ursubstanz verwendet wurde, ist durchschaubar und lächerlich. Das muss sich ändern.

Patienten vertrauen sich in ihrer Not einer Fachperson an, manche rennen jedoch erst zum Meditonsin-Mann (aka Heilpraktiker). Ein Mensch, der kranke Menschen behandelt, muss eine seriöse Fachausbildung haben und über den aktuellsten Stand medizinischen Wissens verfügen. Menschen kommen zu Schaden, gar zu Tode, weil sie zu spät oder gar nie einen richtigen Arzt aufsuchen. Und es ist naiv zu glauben, dass jeder Homöopath einen Patienten zu einem Arzt schickt, wenn eine wirkliche Gefahr für dessen Leben besteht. Ich bezweifle, dass die Gefahren überhaupt immer erkannt werden.

Globuli für Sankt Johann

Meine Eltern gaben mir nie Globuli. Wenn ich krank war, bekam ich Medizin verabreicht oder es wurde, unter Beobachtung des Krankheitsverlaufes, verantwortungsbewusst abgewartet. Ich bin ihnen sehr dankbar. Geschichten vorgelesen zu bekommen, oder mit meinem Vater zu zeichnen, habe ich damals schon Süssigkeiten (ob Globuli oder Gummibärchen) vorgezogen. Das hat meiner Entwicklung auch mehr gebracht und ich wurde somit nicht konditioniert, bei jedem Wehwehchen ein Mittelchen einzuwerfen. Mit 15 Jahren hatte ich die Erleuchtung und ich riss mich von der Religion frei, denn ich musste mich entscheiden, ob ich mich konfirmieren lassen wollte. Ich stellte mir erstmals (zumindest bewusst) die Frage, ob ich an den ‘Big G’ glaubte. Nein. Ich wurde so erzogen, zu hinterfragen, was mir seltsam vorkam, nicht alles zu glauben, selbst zu denken, eben skeptisch zu sein. Und auch wenn ich beobachte, dass die Homöopathie eine Art Religion ist, gibt es doch einen grossen Unterschied: Die Falsifizierbarkeit. Nein, Pseudomedizin hat mich nie interessiert, ich bin ihr nie auf den Leim gegangen.

Als ich im Jahr 30 nach Sankt Johann mit einer komplizierten Femur-Fraktur im Krankenhaus lag, brachte mir eine Freundin «schmerzlindernde» Globuli mit. Ich bedankte mich höflich und kippte das ganze Fläschchen auf einmal runter.

Und siehe da, ich hatte weiterhin kaum Schmerzen. Vielleicht lag es auch an den Opiaten, die ich bekam?

Nein, ich habe sie nie angewendet, aber schon geschluckt.


(30. Mai 2019)

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