In den Medien kommen Jugendliche als Thema vor – nur selten persönlich. In den Medien der Jugendlichen sind Sie und ich nicht präsent. Zeit für Austausch und Perspektivwechsel dachten Paul (17) und ich beim Frühstückstisch. Sein Text (leicht gekürzt, aber unzensiert) unten. Wir freuen uns über Feedback, über Beiträge anderer Jugendlicher, über Diskussion und über noch mehr großartige Tipps wie die von Paul:
- Humor hilft, wenn man keine Ahnung hat von Sechsring-Kohlenstoffsystemen
- Oldschool-Sachen wie frische Luft und Bewegung erleben ein Revival
- “Houseparty” ist keine Corona-Party und total okay
- Auch Jugendliche können Verantwortung
- Tritte in den Allerwertesten sind gar nicht so unerwünscht
Wie Paul das sieht:
Ich heiße Paul, bin 17 Jahre alt und bin der Sohn von Cornelia. Ich gehe in die elfte Klasse.
Der normale Wochenrhythmus von mir sieht wie folgt aus: Ich stehe morgens um 6:30 Uhr auf, dusche, frühstücke und gehe dann zur Schule, nach einem durchschnittlichen Schultag komme ich zwischen 14:00 und 18:00 Uhr nach Hause und bin meistens komplett geschafft, aber habe noch meine Hobbys, Freunde und Hausaufgaben. Anders gesagt, mein Tag ist gefüllt.
Im Moment ist das natürlich anders. Ich werde von meinen Lehrern mit Arbeitsaufträgen überschüttet und sitze pro Tag 4-8 Stunden an schulischen Aufgaben. Ich habe keinen Unterricht via Skype, Microsoft Team oder ähnliches, dadurch kommt es recht häufig vor, dass ich komplexe mathematische oder chemische Zusammenhänge nicht begreife, das kann die Motivation und Laune sehr stark beeinträchtigen. Meine Eltern bieten mir ihre Hilfe an, doch ehrlich gesagt wissen sie bei meinen Chemie Aufgaben meist nicht, wovon ich rede. Wenn ich von einem Kohlenstoffatom als „C“ rede, wackeln sie plötzlich mit ihrem Fußzeh. Was ich damit sagen will ist, auch wenn sie bei den schulischen Problemen ihrer Kinder nicht weiter wissen, hilft Humor sehr, denn dadurch habe ich persönlich gemerkt, dass meine Eltern zwar in dem Punkt keine Ahnung haben, aber trotzdem für mich da sind.
Durch die lange Aufenthaltszeit in meinem Zimmer (gemeinsam mit Netflix) habe ich langsam aber sicher einen Budenkoller entwickelt, der bei mir zu schlechter Laune führte, meine Produktivität geschwächt hat und sich auch negativ auf die Familiendynamik ausgeübt hat. Also was tun? Ich habe mich dann irgendwann dazu aufraffen können, spazieren zu gehen und Sport zu machen. Generell, Aktivitäten an der frischen Luft tun mir gut und wirken der schlechten Laune entgegen. Mal aus seiner Höhle rauszukommen und frische Luft zu atmen ist das Beste, was man im Moment machen kann. Am besten schnappt man sich ein Familienmitglied oder einen Hund und lässt mal an der frischen Luft die Seele baumeln, dadurch wird die Laune besser und man kommt wenigstens ein wenig auf die nötige Bewegung.
Der Kontakt zu Freunden und Gleichaltrigen ist essenziell, damit man sich weniger alleine fühlt. Meine Freunde und ich haben dafür die App „Houseparty“ wiederentdeckt, auf dieser kann man mit maximal acht Personen videochatten und sich mal wieder über Themen austauschen, die vielleicht eher alterstypisch sind und die man eher nicht mit seiner Familie bereden möchte.
Für mich ist das im Moment alles sehr wichtig, da meine Hobbys wegfallen und damit ich mit meinen Freunden in Kontakt bleibe, obwohl ich sie nicht sehen darf. Klar würde ich lieber mit meinen Freunden im Park oder so sitzen, das schöne Wetter genießen und bei einem Bier die freie Zeit feiern. Doch mir ist es wichtig, dass diese Pandemie möglichst schnell vorbei ist und möglichst wenige Menschen erkranken. Ich weiß, Jugendliche werden im Moment in den Medien verteufelt, weil wir angeblich so viele Coronapartys feiern, aber das sind sicherlich nicht alle. Wir wollen auch nur, dass es vorbei ist und wir endlich wieder raus dürfen.
Zum Schluss noch eine kleine Sache: Wenn sie mit jemandem wie mir zusammenleben, geben sie der Person, die nur im Zimmer hockt und langsam unerträglich wird, einen Arschtritt. Gehen sie auch gemeinsam mal ein paar Minuten an die frische Luft, schaden tut es niemandem und vielleicht findet man dadurch eine tägliche Aktivität in diesem ganzen Durcheinander. Doch immer schön Hände waschen und zwei Meter Abstand halten.