Mit der Veröffentlichung des sogenannten Gutachtens des  Inlandgeheimdienstes, durch das die Verfassungsfeindlichkeit der AfD  bewiesen werden soll, geschah das, was in dem Märchen „Rumpelstilzchen“  erzählt wird. „Niemand weiß, dass ich Rumpelstilzchen heiß.“ Als die  Müller-Tochter wusste, wie der Gnom im Märchen der Gebrüder Grimm hieß,  war der Zauber verflogen und die Macht des kleinen Männlein löste sich  in Nichts auf.

Genau wie in diesem Märchen scheint es aktuell mit dem ominösen  Gutachten des Inlandsgeheimdienstes zu sein, das den Bürgern nun schon  seit Monaten immer wieder angekündigt wurde und durch das ganz schlimme,  staatsfeindliche Verhaltensweisen der AfD bewiesen werden sollten.

Jetzt, wo dieses sogenannte Gutachten dankenswerterweise von freien  und unabhängigen Journalisten der staunenden Bevölkerung zugänglich  gemacht wurde, stellt sich heraus, dass es auch nicht ausreichend ist,  über tausend Seiten zu schreiben, um damit den Eindruck einer  gesicherten Erkenntnis zu vermitteln. Das Gutachten des  Inlandsgeheimdienst ist kein Gutachten, sondern eine Ansammlung von  kopierten Passagen über Aussagen von Mitgliedern der AfD und sonstiger  Personen und Institutionen, die nach Auffassung des  Inlandsgeheimdienstes eine Gefahr für unser Land darstellen könnten.  Dieses Zusammenschreiben von Quellen, die jeder interessierte Bürger und  erst recht jeder Journalist auch ohne sich mit dem Rubrum eines  Schlapphutes wichtigmachen zu müssen, hätte wahrscheinlich jeder  Realschüler auch zustande gebracht, wenn man ihm Zeit und einen guten  Kopierer zur Verfügung gestellt hätte. Es wäre für die Bürger doch sehr  interessant, wie viele Stunden hochdotierte Mitarbeiter des  Inlandgeheimdienstes mit diesem sogenannten Gutachten verbracht haben  und welche Kosten dem Steuerzahler dadurch entstanden sind.

Das Lesen des über tausend Seiten langen Pamphlets war mehr ermüdend,  als dass es neue Erkenntnisse an das Licht brachte. Die wichtigste  Wirkung entfaltete es mit großer Wahrscheinlichkeit nur dadurch, dass es  seit Monaten angekündigt wurde und dann als Verschlusssache den Bürgern  vor die Nase gehalten wurde, ohne dass sie die Möglichkeit hatten, den  Inhalt lesen zu dürfen.

Worin besteht denn nun die Verfassungsfeindlichkeit der AfD? Und  welche Gründe gibt es jetzt, diese zweitstärkste Partei im Bundestag zu  verbieten?

Aus dem gesamten Konvolut der „geheimdienstlichen Ermittlungen“ lassen sich vier Vorwürfe herauslesen.

  1. Die AfD propagiere ein ethnisch-abstammungsmäßiges Volksverständnis.
  2. Die AfD verbreite eine pauschale Fremden- und Islamfeindlichkeit.
  3. Die AfD würde die Verbrechen des Nationalsozialismus relativieren.
  4. Die AfD untergrabe mit ihren Äußerungen gezielt das Vertrauen in demokratische Institutionen.

Selbst wenn die Aussagen, die vom Inlandsgeheimdienst gegenüber der  AfD zutreffen würden, wäre es fraglich, ob diese den Tatbestand eines  Verfassungsbruchs rechtfertigen. Es ist keinesfalls verfassungswidrig,  wenn Parteien und im Übrigen auch jeder Bürger Auffassungen vertritt,  die nicht vollinhaltlich mit dem Grundgesetz übereinstimmen. Für eine  Verfassungsfeindlichkeit ist nur entscheidend, ob eine solche Meinung  aktiv und kämpferisch umgesetzt wird.

Auf der Internetseite des Bundesverfassungsgerichts wird dazu ausgeführt:

Verbotsverfahren

Das Verfahren ist in Art. 21 Abs. 2 GG und §§ 43 ff.  Bundesverfassungsgerichtsgesetz geregelt. Parteiverbotsverfahren  erhalten das Aktenzeichen „BvB“.

Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer  Anhänger darauf ausgehen, die freiheitlich demokratische Grundordnung  zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der  Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig (vgl.  Art. 21 Abs. 2 GG). Nach der bisherigen Rechtsprechung des  Bundesverfassungsgerichts genügt alleine die Verbreitung  verfassungsfeindlicher Ideen hierfür nicht. Hinzukommen müssen eine  aktiv kämpferische, aggressive Haltung gegenüber der freiheitlich  demokratischen Grundordnung, auf deren Abschaffung die Partei abzielt,  sowie konkrete Anhaltspunkte dafür, dass ein Erreichen der von ihr  verfolgten verfassungsfeindlichen Ziele nicht völlig aussichtslos  erscheint.

Ein solches Verhalten ist bisher bei der AfD weder aus ihren  offiziellen Parteiprogrammen noch aus irgendwelchen Handlungen  ersichtlich. Es reicht eben nicht, irgendetwas zu behaupten, auch wenn  man dazu mehr als tausend Seiten benötigt. Solche Behauptungen müssen  konkret und justiziabel nachgewiesen werden. Davon kann in dem  sogenannten Gutachten des Inlandgemeindienstes auch nicht ansatzweise  die Rede sein.

Es ist keinesfalls verfassungswidrig, wenn man darauf hinweist, dass  auch eine Gemeinschaft sich auflösen kann, wenn man zu schnell zu viele  unbekannte Leute aufnimmt. Kein Land der Welt – vielleicht ist hier  Deutschland der „Vorreiter“, der alles anders sieht – verzichtet darauf,  dass neue Bürger sich mit dem Staat identifizieren, bevor sie dessen  Staatsbürgerschaft erhalten. Das hat nichts mit Diskriminierung zu tun.  Natürlich ist es auch in Deutschland erlaubt, den Wunsch zu haben, dass  Deutschland auch weiterhin Deutschland bleibt und man unterscheidet sich  damit keinesfalls von den Franzosen, Engländern oder den Amerikanern.

Damit ist es auch erlaubt, auf Probleme hinzuweisen, die dann  entstehen, wenn Menschen unterschiedlicher Kulturen mit  unterschiedlichen Weltauffassungen zusammenkommen. Auch dies hat mit  Diskriminierung und Menschenverachtung nichts zu tun.

Weder aus Schriften der AfD noch aus Aussagen von Repräsentanten der  Partei wurde der Nationalsozialismus geleugnet oder relativiert. Es ist  jedoch auch zulässig, wenn darauf hingewiesen wird, dass die deutsche  Geschichte eben nicht nur aus ca. dreißig Jahren der Nazizeit bestanden  hat, sondern diese dreißig Jahre im Vergleich zur gesamten Entwicklung  der abendländischen Kultur in der Tat nur ein kurzer zeitlicher Ablauf  der Geschichte gewesen ist. Nichts anderes hat im Übrigen Gauland  formuliert. Relativiert werden die Naziverbrechen dadurch, wenn der  Bundestagsabgeordnete von Notz in einer Bundestagsrede eine Analogie  zwischen Naziherrschaft und der demokratischen AfD herstellt.

Geradezu lächerlich ist der Vorwurf, wenn eine Partei oder ihre  Repräsentanten die Regierung kritisieren und auf fachliche Mängel von  Funktionsträgern dieser Regierung hinweisen. Daraus ein  verfassungsfeindliches Veralten zu konstruieren, ist nicht nur  lächerlich, sondern gefährlich. Ein solches Verhalten sollte mit Ende  der Monarchie endgültig nicht mehr tragbar sein, denn Politiker sind  keine Majestäten, die beleidigt werden können, sondern gewählte  Volksvertreter, die es sich gefallen lassen müssen, wenn sie kritisiert  werden. Der Souverän ist eben nicht der Inlandsgeheimdienst, sondern der  Wähler, der zu bestimmen hat, ob eine Regierung im Amt bleibt oder eben  nicht.

Aktuell kann abschließend nur festgestellt werden, dass das jetzt  öffentlich zugängliche sogenannte Gutachten, das man nicht als  Gutachten, sondern als politische Agitation ansehen muss, keinesfalls  die Reputation dieses Staates fördert. Der Bürger darf von seinen  staatlichen Repräsentanten erwarten, dass diese nicht mit Polemik gegen  missliebige politische Gegner vorgehen, sondern sich sachlich und  fachlich fundiert darum kümmern, dass sich alle Bürger mit diesem Staat  identifizieren können. Das vorliegende eintausendseitige Papier ist  lediglich ein Beleg dafür, auf welchem Niveau gegenwärtig Politik  gemacht wird. Ein Glanzstück des Inlandgeheimdienstes war es mit  Sicherheit nicht. Hoffentlich landet es schnell dort, wo nicht mehr  benötigte Schriftstücke abgelegt werden.

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