In Frankreich hat eine Rechtspopulistin ernstzunehmende Chancen auf den Gewinn der anstehenden Präsidentschaftswahlen. Kurioserweise erhält sie aus Deutschland auch von Liberalen Zuspruch. Ihre EU-feindliche Position lässt sie die offensichtlichen Gefahren einer rechtspopulistischen französischen Präsidentin übersehen. Ich halte das für eine gefährliche Haltung, Liberale haben sich in der Geschichte schon oft genug zu nützlichen Idioten von Autokraten gemacht.


Gerhard Papke ist in der liberalen Bubble bestens bekannt: als dogmatischer Unterstützer des erklärten Illiberalen Orban. Warum? Orban ist gegen die EU und gegen “Wokeismus”. Positionen die man im liberalen Spektrum wiederfindet. Ich habe selbst meine Probleme mit der EU (dazu später mehr) und der woken Bewegung. Nur interessanterweise veranlasst diese Übereinstimmung in einigen wenigen Punkten sonst überzeugte Liberale und Libertäre sich mit einem erklärten Putinversteher, LGTQ-Feindlichen und offen Anti-Liberalen zu verbinden.

Ähnlich ist die Unterstützung für Le Pen zu verstehen. Ihre EU-Feindlichkeit lässt einige Liberale übersehen, dass auch sie eine erklärte Putinversteherin, Anti-Liberale und Fremdenfeindliche ist. Einige Liberale sind dazu bereit, ihre Feinde zu unterstützen, um punktuelle Überschneidungen durch die Politik zu drücken.


Diese Liberalen denken nicht weit genug. Sie sehen die punktuellen Gewinne und übersehen die Vielzahl an Konflikten mit dem Liberalismus. Roland Baader sagte einst, dass die schlimmsten Feinde der Freiheit nicht ihre erklärten Gegner, sondern die vielen Lauen und Laschen unter ihren angeblichen Freunden seien. Wer Autokraten, Möchtegern-Diktatoren und Anti-Liberale unterstützt gehört zweifelsohne zu diesen Lauen und Laschen.

Diese Rethorik ist sicherlich nicht auf Harmonie ausgelegt, das ist auch nicht mein Ziel. Liberale, die Autokraten unterstützen oder gutheißen, müssen endlich aufwachen. Zu oft schon haben sich Liberale zu nützlichen Idioten von Illiberalen gemacht.

Grade der Liberalismus kann auf eine unglaublich facettenreiche Theorie zurückgreifen, die in ihrer Systematik bisher nicht übertroffen wurde. Walter Eucken, Friedrich Hayek, Ludwig von Mises und ihre intellektuellen Ahnen aus der Aufklärung betonten immer wieder die Bedeutung der Interdenpendenz der Ordnungen, das eine Änderung in einer Ordnung auch Auswirkungen auf die anderen Ordnungen haben wird.

Dass einige Liberale offensichtlich blind gegenüber den weitreichenden Konsequenzen sind, ist besonders aus dieser Position heraus unverständlich. Mehr noch, wenn wir dieses Szenario in unsere Zeit einordnen – der Ukraine wird es nicht helfen, wenn sich Europa in einer politischen Krise verliert und mit sich selbst beschäftigt. Putin aber sehr wohl.

Deshalb gilt es, ein Problem nach dem anderen anzugehen und nicht kurzzeitige Gewinne zu priorisieren. Die EU ist aus meiner Sicht nicht reformierbar. Zu viele Anreize stehen einer nachhaltigen Verbesserung im Weg. Der einzige Weg ist, nochmal von vorne anzufangen. Nur sollte man dafür den richtigen Zeitpunkt abwarten. Das scheinen mir die liberalen Orban- und Le Pen-Unterstützer nicht zu realisieren.

Eine EU als europäische Freihandels- und Sicherheitsunion wäre nämlich in jeder Weise vorteilhaft. Ludwig von Mises schrieb in seinem vor 100 Jahren erschienenen Klassiker „Die Gemeinwirtschaft“: „Erst die Arbeitsteilung läßt gesellschaftliche Bindung entstehen, sie ist das Soziale schlechthin. Wer für nationale und staatliche Wirtschaftsgebiete eintritt, sucht die ökumenische Gesellschaft zu zersetzen.“ (S. 281)

Die EU als Institution zur Sicherung von Frieden, Freiheit und Sicherheit in Europa, als Schutzherrin der innereuropäischen Kooperation und Arbeitsteilung kann genau diese Vergesellschaftung vorantreiben: „Die vornehmste Wirkung der Arbeitsteilung ist die, daß sie aus dem unabhängigen Individuum den abhängigen Gesellschaftsmenschen macht.“ (S. 274)

Denn Freiheit entsteht erst wirklich, indem wir uns als Menschen aufeinander beziehen, anstatt uns voneinander abzugrenzen. Sie speist sich daraus, dass wir nicht mehr Herrscher und Beherrschte sind, sondern viele voneinander abhängige Menschen; dass der Mensch sein Leben nicht verbessert, indem er etwas wegnimmt, sondern tauscht. Clemens Schneider vom Prometheus-Institut hat das bereits perfekt niedergeschrieben.

Es ist jedoch klar, dass das kein einfaches Unterfangen ist. Macht schafft auch immer einen Anreiz zum Missbrauch. Jedoch ist allein diese Korrelation keine hinreichende Begründung, die Suche nach einer institutionellen Verbesserung aufzugeben.

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