Wir machen es jeden Tag. Für einige ist es das leichteste auf der Welt, für andere das allerschwerste: miteinander kommunizieren. WhatsApp soll uns eigentlich dabei helfen, uns miteinander zu verbinden. Das Problem: Für höhere Downloadzahlen spielt die App mit unserem Kommunikationsverhalten.

Seit ich WhatsApp kenne und selbst benutze, kam es in meinem Freundes- und Bekanntenkreis des Öfteren zu stundenlangen Gesprächen über Nachrichten, die jemand geschrieben hat und über Missverständnisse, die daraus resultieren. Weil es in einem ganz komischen Ton geschrieben wurde. Weil jemand total angepisst reagiert habe. Weil man nicht wisse, wie das jetzt gemeint gewesen sei.

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Seit ich WhatsApp kenne und selbst benutze, kam es in meinem Freundes- und Bekanntenkreis des Öfteren zu stundenlangen Gesprächen über Nachrichten, die jemand geschrieben hat und über Missverständnisse, die daraus resultieren. Weil es in einem ganz komischen Ton geschrieben wurde. Weil jemand total angepisst reagiert habe. Weil man nicht wisse, wie das jetzt gemeint gewesen sei. ? Geht es euch auch so? Habt ihr auch schon schlecht Erfahrungen mit Messengern wie Whatsapp gemacht? #texten #textezumnachdenken texte #texter #textagram #schreiben #schreibt #schreibenmachtglücklich #readersoninstagram #keepreading #literatur #literaturliebe #lesenswert #lesenistschön #berlin #berlinstagram #berliner

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Kommunikation bedeutet Arbeit und die macht man sich oft nur in Intimbeziehungen, der Familie oder im Freundeskreis. Bei all den Unbekannten, auf die man den ganzen Tag so trifft, gibt man sich meistens nicht so viel Mühe.

„In einer Fünftelsekunde kannst du eine Botschaft rund um die Welt senden. Aber es kann Jahre dauern, bis sie von der Außenseite eines Menschenschädels nach innen dringt.“ Charles Kettering

Je nachdem, wie gut man die andere Person kennt, ihr vertraut oder sie mag, zwingt man sich etwas Small-Talk raus, plaudert locker über die Erlebnisse der letzten Zeit, oder schüttet sein Herz und den ganzen deepen Shit voreinander aus.

Wie wir reden, labern, witzeln, jemanden ins Vertrauen ziehen, über andere lästern und wie wir streiten haben wir gelernt. Und dass das Reden immer von der Situation abhängt, in der wir uns befinden. WhatsApp ist eine von diesen Situationen. Aber um das Spezielle an dem Messenger-Dienst zu verstehen, müssen wir kurz zwei andere Situationen betrachten.

Wie wir mit anderen Menschen reden, hängt vom Umfeld ab, in dem wir sie treffen.

U-Bahn

Nehmen wir nur einmal die öffentlichen Verkehrsmittel. In keinem Transportmittel der Stadt steht, wie man sich zu verhalten hat – außer dem Verbot zu essen, Alkohol zu trinken oder seinem Hund keinen Maulkorb anzulegen. Dennoch gilt eine weiteres ungeschriebenes Gesetz: sei leise. Vielleicht ist es so für alle am besten zu ertragen, mit hundert anderen unbekannten Menschen auf engstem Raum zusammen zu sein.

Die Stille spiegelt die Anonymität wider. Die Stille ist die Akzeptanz der unbekannten Anderen. Denn wer still ist, nervt die anderen nicht. Und so soll es auch bleiben für die Dauer der Fahrt. Die U-Bahn-Situation bestimmt, dass wir nicht reden und das kommuniziert, dass wir kooperieren. Wenn es alle machen, ist es okay und akzeptabel. Wir befolgen die gleiche Kommunikationsregel. Das lernen wir. Wir lernen es über das Verhalten der anderen. Aber die anderen haben es wieder von anderen gelernt und niemand hat es irgendwo nachgelesen. Die Situation an sich bestimmt die Kommunikation. Anonyme Menschen in Großstädten auf der ganzen Welt sind in öffentlichen Verkehrsmitteln leise.

Mit jeder neuen Situation müssen wir die Kommunikationsregeln, die für diese Situation gelten, neu lernen.

Telefon

Eine weitere Situation ist das Telefonieren, das Gespräch zwischen meist zwei Personen, die nicht am selben Ort sind, sondern nur miteinander reden. Den Trick, dass man die andere Person nicht sieht und sich deswegen vorstellen muss, ist für kleine Kinder alles andere als selbstverständlich. Die nötigen Begrüßungs- und Verabschiedungsformeln müssen erlernt werden. Und dass man zwischendurch Geräusche von sich geben muss, damit der Andere weiß, dass man noch da ist und zuhört. Das Problem: Es braucht immer etwas Überwindung, zu telefonieren, weil man nie weiß, ob man den anderen gerade stört. Und uns fehlt das Bild zum anderen, kann Emotionen nur an der Stimmlage erkennen.

Whatsapp

Wer ein Smartphone besitzt, kann per WhatsApp kostenlos Nachrichten, Bilder, GIFs, Emojis und Videos an jede Person verschicken, deren Telefonnummer man kennt und die ebenfalls WhatsApp benutzt. Alles ohne lästige Zeichenbegrenzung (wie bei der SMS). Der kostenlose Messenger-Dienst wird weltweit von 1,5 Milliarden Menschen genutzt – das ist ein Fünftel der gesamten Weltbevölkerung.

Der Bedarf an Kommunikation ist also da und die Technik sowie Internet-Infrastruktur mittlerweile so verbreitet, dass sich die Nutzung von WhatsApp wie ein Virus auf dem ganzen Planeten verbreitet hat.

Gegründet wurde das Unternehmen mit der grünen Sprechblase 2009. Fast zehn Jahre hatten wir nun Zeit, die Kommunikationsregeln dieser neuen Situation zu erlernen. Denn wie in der U-Bahn und beim Telefonieren bestimmt das Medium oder das Umfeld, wie wir miteinander Kommunizieren.

Eigentlich gibt es da nicht viel zu sagen, denn die Funktionsweise ist so einfach, dass wir die App intuitiv bedienen können. Dennoch gibt es ein paar Funktionen, die fehl am Platz wirken in diesem Medium und auf die wir intuitiv falsch reagieren.

Es wird zum Beispiel angezeigt, wann jemand

  • das letzte Mal online war.
  • eine Nachricht gelesen hat.
  • selbst eine Nachricht schreibt, während er oder sie diese Nachricht schreibt.

Wir bekommen mehr Informationen als nötig und das führt zu Missverständnissen. Der Grund dafür? Wir interpretieren alle Informationen, die uns gegeben werden. Und wir finden es gut, zu wissen, wann jemand online war und wann jemand unsere Nachrichten gelesen hat, weil wir Nachrichten in der Hoffnung schreiben, dass wir schnell eine Antwort darauf bekommen, weil wir ungeduldig geworden sind und weil wir planen müssen. Diese Funktionen befriedigen unser Kontrollbedürfnis.

Whatsapp ermöglicht uns, andere Menschen unglaublich zu nerven.

Das Problem dabei? Die andere Person schreibt uns eine Nachricht mit einer ganzen bestimmten Information, z.B.: „Donnerstag können wir telefonieren.“ Eigentlich eine klare Sache. Aber es wird noch mehr Information mitgeliefert, nämlich dass die Person auf die Frage „Wann hast du die Woche Zeit zum Telefonieren?“ erst drei Stunden später geantwortet hat, obwohl sie die ganze Zeit online war.

Wir haben verlernt zu entscheiden, in welchen Situationen es besser ist, nur zu schreiben und auf eine Antwort zu warten, oder wann wir einfach anrufen sollten, weil wir dringend eine Antwort haben wollen. Statt einfach zum Hörer zu greifen, werden lieber die ungeduldigen drei Punkte mehrmals hintereinander in den Chat getippt.

Information ohne Emotion?

Aber auch die Nachrichten selbst werden oft missverstanden, denn der Ton macht die Musik, aber in Kurznachrichten hört man keinen Ton. Der Messenger-Dienst hat für uns Menschen den Nachteil, dass wir zum Gesagten kein Gesicht und keine Stimme haben, die uns einschätzen lassen, wie eine Nachricht gemeint ist.

Das ist für unsere zwischenmenschliche Kommunikation ein Problem, denn wir achten bei Gesprächen von Angesicht zu Angesicht zu einem Großteil auf die Körpersprache und die Stimmlage des Gegenübers. Nur knapp 20 Prozent unserer Wahrnehmung bezieht sich auf das wirklich Gesagte, die Information.

Das heißt im Umkehrschluss, dass wir uns bei einer kurzen Textnachricht total unterfüttert vorkommen, weil uns Körpersprache und Stimmlage, also die emotionale Einordnung des Gesagten fehlen.

Emojis und Sprachnachrichten

Als Gegenmittel für die emotional unterfütterte digitale Kommunikation wurde das Emoji erfunden. Zusammen mit allen Tieren, Sonderzeichen, Herzchen und Flaggen, die WhatsApp zur Verfügung stellt, hat man eine Auswahl von 1.575 Symbolen. Eigentlich genug Möglichkeiten, um Missverständnissen vorzubeugen.

Damit es mit der Kommunikation auf inhaltlicher und emotionaler Ebene aber wirklich klappt, gibt es natürlich noch die gute alte Sprachnachricht. Der Vorteil zum Telefonat liegt auf der Hand: Niemand redet einem rein und man kann sie aufnehmen, wann immer man gerade Zeit hat, ohne sich mit jemand anderem abstimmen zu müssen.

Immer erreichbar

Vielleicht ist das mit der wichtigste Faktor, warum wir bevorzugt digital kommunizieren: Wir können jede noch so kleine Pause nutzen, um Treffen zu planen, jemandem von seinem Tag zu erzählen oder sagen, dass man zu spät kommt, egal ob man gerade in der Bahn steht, durch die Straßen läuft oder auf dem Klo sitzt. Sogar, wenn man mit Freunden in einem Restaurant sitzt, schrecken viele nicht davor zurück, mal “kurz jemandem zu antworten.”

Dadurch geben wir Chats, die wir auch später weiterführen könnten, eine höhere Gewichtung als die Gesprächssituation mit Freunden vor Ort – man will ja niemanden warten lassen, weil das mittlerweile fast als Affront gilt.

Die 24/7-Verfügbarkeit des Internets verlangen wir mittlerweile auch von unseren Gesprächspartnern.

Die digitalen Kanäle haben Gespräche entzerrt. Manchmal weiß man nicht mehr, wann und wie sie angefangen haben. Und selbst der Versuch, Gruppen zu erstellen, in denen man Geburtstagsgeschenke oder Partyabende organisieren will, werden nicht selten zu Witzhöllen und unwichtigem Palaver, in dem die wichtigen Informationen des eigentlichen Themas untergehen. So ziehen sich Gespräche zum Teil über Tage und Wochen hinweg.

Die digitale Kommunikation ist zu einem jederzeit geöffneten Gesprächskanal geworden, der über das Brummen und Blinken des Handys den Tag in unvorhersehbaren Momenten unterbricht und unsere Konzentration in kleine Ablenkungssituationen zerstückelt.

Fazit

WhatsApp wurde, wie jeder digitale Kommunikationskanal, nicht nur als Hilfsmittel programmiert, das unsere Kommunikation erleichtern soll. Die App wurde mit ganz bestimmten Funktionen ausgestattet, die unsere Kontrollbedürfnisse und Unsicherheitsgefühle ansprechen und wir so emotional jeden Tag wieder in die Interaktion gezwungen werden.

WhatsApp gibt uns Informationen an die Hand, die unsere Gesprächspartner eigentlich gar nicht kommunizieren wollten, was Gespräche ungemein komplizierter macht. So fordert WhatsApp erlernte und etablierte Verhaltensmuster heraus und verändert die Art und Weise, wie wir mit anderen Menschen umgehen.

Wer die Macht über sich selbst wieder gewinnen will, sollte sich diesen Manipulationsmechanismen entziehen. Zusatzinformationen wie den Onlinestatus und Empfangsbestätigungen kann man ausschalten. Chats können stummgeschaltet werden.

Wir müssen lernen, Apps so zu nutzen, dass sie unserem Privatleben und unserem Kommunikationsverhalten gerecht werden, anstatt uns von ihnen sabotieren zu lassen.

Headerbild von: Dani Vivanco on Unsplash