Die Wende im Individualverkehr ist nicht aufzuhalten. Allerdings passiert sie nicht so, wie von vielen Klimaschützer*innen gewünscht. Der bequeme Mensch steigt eben nur ungern vom klimagekühlten SUV in einen Backofen-Bus um. Da kommen E-Autos gerade recht. Um den individuellen Emissionsfußabdruck zu reduzieren, wird nur die Antriebsart des SUV gewechselt, bei gleichbleibendem Komfort.
Jede neue Technologie bringt augenblicklich Kritiker*innen auf den Plan. Wobei, so neu ist ein Elektroantrieb im Auto gar nicht. Schon vor 100 Jahren wurden Fahrzeuge elektrisch bewegt, aber das billigere Öl hat sich eben durchgesetzt. Großer Reibebaum für die Kritiker*innen der Elektromobilität ist allerdings die dafür notwendige Batterie, vor allem die Herkunft ihrer Bestandteile und ihr Schicksal nach der Nutzungsphase in einem E-Auto.
Keine Frage, die Art und Weise, wie derzeit Lithium in Südamerika gewonnen wird, ist ethisch mehr als fraglich. Allerdings wird hier mit der Lupe auf eine Technologie geschielt, die gerade mal ein Sechstel so alt ist wie der klassische Verbrennungsmotor. Es wird ihr kaum Zeit gegeben, sich zu entwickeln und zu verbessern. Alles soll von Anfang an perfekt sein. Dabei wird gerne übersehen, dass auch in klassischen Verbrennungsmotoren kritische Bestandteile wie Neodym enthalten sind, die ausschließlich aus fraglichen chinesischen Quellen stammen. Und dass die ständig mehr werdenden Fahrerassistenzsysteme eine Unmenge an Sensoren und Steuerelementen erfordern, die haufenweise Seltene Erden und kritische Rohstoffe enthalten, ebenfalls größtenteils aus nicht-europäischer und damit oft fraglicher Herstellung.
Eine Lösung zur Verbesserung dieser Misere stellt das stoffliche Recycling der ausrangierten Lithium-Ionen-Batterien dar. Hartnäckig wird in den Medien immer noch das Bild gezeichnet, es gäbe keine vernünftige Recyclinglösung dafür - ein weiterer Grund, warum man die Elektromobilität ablehnen müsste. Erst kürzlich konnte man auf einem renommierten Business Medienportal lesen, es gebe keine Lösung, weil sich die Autohersteller nicht dafür interessieren würden. So kann man auch Meinung machen.
Der Verfasser des Artikels unterliegt allerdings einem großen Irrtum. Warum sollte es Aufgabe der Autohersteller sein, sich um das Recycling der Batterien zu kümmern? Welcher Möbelhersteller sorgt sich um das Recycling seiner längst abgewohnten Erzeugnisse? Welcher Ziegelhersteller um jenes abgerissener Häuser? In Wahrheit sind es Entsorgungsunternehmen, die sich schon seit Jahrzehnten unserer aller Verlassenschaften annehmen. Und das ist bei E-Batterien nicht anders!
Wer sich etwas näher mit der Materie beschäftigt (und als kritische*r Journalist*in ausreichend recherchiert), der wird innerhalb von Minuten nachlesen können, dass sich in Deutschland und Österreich bereits seit mehr als zehn Jahren Entsorgungsunternehmen, Metallindustrie und Universitäten darum bemühen, effiziente und wirtschaftliche Recyclingverfahren für Lithium-Ionen-Batterien zu entwickeln - mit Aufbereitungstandorten in Europa, nicht in China! Aktuell rittern bereits mehrere verschiedene Verfahren um den stetig größer werdenden Kuchen der Altbatterien. Nur einige wenige davon werden langfristig die von der EU geforderten hohen Recyclingquoten auch erreichen. Darunter jenes der Firma Redux Recycling, einer Tochtergesellschaft eines österreichischen privaten Entsorgers, der sich seit 2010 intensiv mit dem Thema beschäftigt. Effiziente Lösungen sind auch notwendig, werden doch für 2030 (ja, das ist bereits in neun Jahren!) ca. 86.000 Tonnen solcher Abfälle jährlich erwartet. Nicht nur aus den Elektrofahrzeugen, sondern auch aus Produktionsausschuss der aktuell gepushten europäischen Batterieproduktion.
Zu behaupten, es gäbe in Europa noch keine Recyclinglösung für Lithium-Ionen-Batterien aus Elektrofahrzeugen, ist also schlichtweg falsch, und irreführend. Gerade in einer Phase hitziger Diskussionen über Fluch und Segen einer neuen Technologie sind solche Meldungen daher wenig hilfreich. Bereits in wenigen Jahren wird ausreichend Lithium aus Recyclingquellen für die Batterieproduktion verfügbar sein. Was wird dann der nächste Reibebaum für die Kritiker*innen sein?
Elektromobilität wird in Zukunft eine zentrale Rolle im Individualverkehr - und mitunter auch im öffentlichen Verkehr - spielen, ob als Übergangstechnologie oder als bleibende, das spielt keine Rolle. Und ja, die Betankung eines E-Fahrzeugs mit Strom aus nicht erneuerbaren Quellen macht keinen Sinn, da der "Dreck" nur verlagert wird. Und nein, uns wird nicht der Strom ausgehen, weil die Hersteller der E-Fahrzeuge ja keine Millionenschaften von Fahrzeugen von heute auf morgen aus dem Zauberhut ziehen können. Damit hätten wir auch diese Reibebäume gefällt.