Der Mensch kommt zu kurz im Unternehmen: seine und ihre Bedürfnisse nach Anerkennung, nach Möglichkeiten, die eigenen Fähigkeiten lustvoll ins Spiel zu bringen, um stolz zu zeigen, was sie und er drauf hat, um die Effekte der Emergenz zu nutzen, die in der sozialen Kollaboration schlummern und nur darauf warten, geweckt zu werden. Stattdessen prägen nach wie vor hierarchische Muster die Interaktionen, Silos bilden den Normalfall. Allem, was nach „New Work“ und „New Learning“ riecht, begegnet die große Mehrheit in Ökonomie, Bildung und Politik mit Argwohn.
Und jetzt gibt es Working Out Loud. Ein revolutionär einfaches Konzept, um verkrustete Strukturen wenn nicht automatisch aufzubrechen, so doch mindestens in ihrem negativen Impact auf arbeitende Menschen abzufedern. Nach anfänglichen Bedenken und Vorbehalten werden Mitarbeitende Feuer und Flamme, weil sie in WOL-Circles Interesse verspüren und Wertschätzung: für ihre Person und für ihre Themen, und weil sie selber lernen, wertschätzend auf andere Menschen und deren Anliegen zu- und einzugehen.
Endlich agile Personalentwicklung
WOL sorgt dafür, dass Menschen sich öffnen und dass dadurch eine neue Kultur der Kommunikation in Unternehmen und über deren Grenzen hinweg entsteht. Damit wird eine wichtige Voraussetzung für die heiß ersehnte und pausenlos herbeigeredete Schaffung agiler Arbeitsumgebungen und Arbeitskulturen in Angriff genommen. Mit WOL scheint ein Weg gefunden, auf dem Mindsets und Kulturen in Richtung Kollaboration in Bewegung kommen.
Denn WOL ist auch eine innovative Form der Personalentwicklung mit hohem Impact auf die Art und Weise, wie Menschen in Unternehmen und über dessen Grenzen hinweg miteinander arbeiten. Besonders eindrücklich wirkt WOL dort, wo allzu altmodische und hierarchische, eher „geschlossene“ Unternehmenskulturen den Menschen das Leben schwer machen. Einer der ersten und wichtigsten Effekte von WOL ist der, dass Menschen besser mit konservativen Unternehmenskulturen und -umgebungen klar kommen.
WOL bringt Menschen in Bewegung – wohin auch immer
Darüber hinaus führt WOL mit der Zeit dazu, dass sich dichte, tragfähige Netzwerke zwischen Menschen entwickeln, die nicht auf Unternehmen begrenzt sind, sondern durch persönliche Anliegen bestimmt und von ihnen geleitet werden. Hier und da führt WOL sogar dazu – wie immer, wenn gutes Coaching „anschlägt“ –, dass Menschen allzu träge und reaktionäre Unternehmen verlassen und sich nach menschliche(re)n Arbeitsbedingungen umsehen – oder sie gemeinsam erschaffen, in dem sie z.B. ein Startup gründen. Oder sie halten es einfach dort besser aus, wo sie erst einmal bleiben.
WOL stärkt Individuen, es lässt Selbstbewusstsein wachsen und hilft, eigene berufliche Ziele zu formulieren und zu verfolgen. WOL greift die meisten Aspekte des Coaching, der Super- und Intervision und der kollegialen Beratung auf, und es arbeitet mit Methoden aus den Koffern der unterschiedlichen Coachingschulen. Ein großer Vorteil gegenüber klassischen Beratungsformaten ist der, dass WOL von Anfang an Digitale Technologie nutzt und damit den engen Rahmen physischer Präsenz sprengt.
WOL kommt zur rechten Zeit, weil die Arbeitsbedingungen in sehr vielen Unternehmen die Menschen an den Rand ihrer Möglichkeiten bringen. Aufgrund der Digitalen Transformation und einer großflächigen Abwartehaltung der nach wie vor meisten Unternehmen, wird „Arbeiten“ in den klassischen Strukturen und Gefäßen nämlich immer unerträglicher.
Ob WOL seine eigene Professionalisierung überlebt?
Ursprünglich als rein kollaboratives Tool des Mindset-Change zur Etablierung alternativer Arbeitskulturen gedacht, entwickelt sich WOL derzeit in die Richtung einer Professionalisierung und Zertifizierung – es tritt seinen Weg an in Marktfähigkeit und Pekuniarisierung, sprich: mit WOL kann ich heute und in Zukunft auch Geld verdienen – womöglich um den Preis seines ursprünglichen USP der originären sozialen Kollaboration. Nehmen wir hinzu, dass die Möglichkeiten von WOL, Mitarbeitende in relativ kurzer Zeit und mit wenig Aufwand in ein agiles Mindset zu führen, mittlerweile in mehr und mehr Chefetagen ankommen, dann steigen die Chancen, dass WOL zu einem weiteren, ergänzenden Produkt unter anderen der Personal- und Persönlichkeitsentwicklung wird.
Wird WOL als ursprünglich still revolutionäres, sozial-kollaboratives Werkzeug seine eigene Professionalisierung überleben? Die Gegner in diesem Prozess sind nach wie vor mächtig: Gemeint sind damit jene Strukturen und Traditionen, gegen die WOL erst vor kurzem angetreten war. Auf mich macht es den Eindruck, dass es den alten Dinosauriern sehr zu pass kommen würde, wenn WOL möglichst rasch in den digitalen Regalen (LMS) der Personalabteilungen verschwindet um dort bei Gelegenheit und unter zertifizierter Anleitung zur Anwendung zu kommen.
Spannend und zu beobachten bleibt also, ob WOL in Zukunft Menschen dabei hilft, Emanzipation, Autonomie, Empowerment, Selbststeuerung und Kollaboration zu verwirklichen im Sandwich zwischen traditionellen Vorstellungen, Strukturen und Kulturen von Arbeit und Unternehmen auf der einen Seite und den brutalen ökonomischen Herausforderungen auf der anderen Seite; ob WOL also das Zeug hat, die dringend benötigte und nach wie vor ausbleibende Bewegung und Dynamik in eingerostete Unternehmenskulturen zu bringen, oder ob es das Sterben dieser Kulturen verlängert, indem es Menschen ermöglicht, besser mit und in ihnen zu leben.
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