Vorbemerkung:

Am 9. Mai 2021 jährt sich zum 100. Mal der Geburtstag von Sophie Scholl, die als junge Frau mit ihren Freund*innen in der „Weißen Rose“ Widerstand gegen den NS-Staat leistete und hierfür mit 21 Jahren hingerichtet wurde.

Fast alle Mitglieder des innersten Kreises der „Weißen Rose“ waren Jugendliche, als sie von den Nazis ermordet wurden: Hans Scholl (24 Jahre), Alexander Schmorrel (25 Jahre), Sophie Scholl (21 Jahre), Christoph Probst (23 Jahre), Willi Graf(25  Jahre) und Prof. Kurt Huber (49 Jahre).

Es ist erschreckend, dass heute rassistische, völkische und nationalsozialistische Ideologie in Deutschland wieder Zustimmung findet und Rassisten und Nazis wieder zu mörderischen Taten schreiten.

Zum Weg von Sophie und Hans Scholl in den Widerstand

Inge Scholl, die Schwester von Sophie und Hans Scholl veröffentlichte 1952 das Buch „Die Weiße Rose“, das in vielen Auflagen in Deutschland in in vielen Übersetzungen über Deutschland hinaus den Widerstand der „Weißen Rose“ bekannt machte. Inge Scholl charakterisierte in diesem Buch auf sehr persönliche Art ihre Geschwister, deren Mut, Leidenschaft, Schmerz aber auch deren Hoffnung.

Auch wenn der Widerstand der „Weißen  Rose“ heute vor allem mit den Namen von Sophie und Hans Scholl verbunden ist, so umfasste die Widerstandsgruppe doch eine Vielzahl junger Menschen in vielen Städten Deutschlands, die unter dem Eindruck der Nazi-Verbrechen zum aktiven Widerstand gegen NS-Deutschland schritten. Mit illegalen Aktionen – Drucken, Verschicken und Verteilen von Flugblätter, Malen von Parolen nachts an Häuserwände, geheimen Diskussionsrunden, geheimen Materiallagern und einer Druckerei und dem Knüpfen von Netzwerken mit Gleichgesinnten in vielen Städten Deutschlands und Österreichs – gehörten sie zu der Minderheit der Deutschen, die sich nicht einschüchtern ließen.

„Was wir sagten und schrieben, denken ja so viele. Nur wagen sie nicht, es auszusprechen.“
Sophie Scholl zum Nazi-Richter Freisler während des Prozesses.

Hans und Sophie Scholl wuchsen in einem liberalen Elternhaus auf. Der Vater Robert war ein Demokrat und die Mutter Magdalene war eine fromme Christin. Beide erzogen ihre Kinder zu selbstbewussten und kritischen Kindern. Neben Hans und Sophie hatten sie noch die Kinder Inge, Elisabeth und Werner.

Sophie  hatte ein ausgeprägtes  Selbstbewusstsein und ein untrügliches Gefühl für Gerechtigkeit. Ungerechtigkeiten im Elternhaus oder in der Schule widersetzte sie sich. Sophie liebte es, sich in der Natur aufzuhalten, den Duft der Wiesen und das kalte Wasser der Bäche an ihren Füßen zu spüren. Ihre Gedanken und Empfindungen hielt sie in vielen Tagebuchaufzeichnungen, Briefen und in Zeichnungen fest.

Und dann kam mit dem Sieg der NSDAP 1933 ein Einschnitt in ihrem Leben:

Hans trat der Hitlerjugend (HJ) und Sophie dem Bund Deutscher Mädel (BDM) bei. Sie begeisterten sich für das Zelten, Wandern, die Geländespiele und das Singen am Lagerfeuer. Aber auch das Versprechen der NS-Propaganda, nun ein unabhängiger, glücklicher und freier deutscher Jugendlicher und Teil einer gemeinschaftlichen Bewegung sein zu können, verfehlte bei ihnen seine Wirkung nicht.

Als Hans vom Parteitag in Nürnberg 1936 heimkehrte, hatte sich seine Einstellung jedoch verändert. Das Erleben  des Drills, der vormilitärischen Aufmärsche, der Uniformierung und das Geschwätz von Treue sowie das Verbot von Literatur und Liedern war der Beginn der Loslösung vom Nationalsozialismus. Hatte der Vater bereits früh seine Kinder vor den nationalsozialistischen Rattenfängern gewarnt, so führten nun die Gespräche in der Familie über die Erfahrungen in der HJ und im BDM dazu, dass die Familie als Ganzes sich in der Ablehnung der NS-Ideologie und des NS-Staates einig wurde.

Hans gründete mit Gleichgesinnten in Ulm  eine bündische Jungengruppe in der illegalen d.j.1.11. Die Jungen  organisierten regelmäßige Treffen, auf denen Sie aus verbotenen Büchern lasen, Postkarten „undeutscher“ Maler tauschten und russische, skandinavische und Roma-Lieder sangen. Sophie und Inge Scholl, obgleich sie als Mädchen in der d.j.1.11 nicht Mitglied sein durften, waren in diese Aktivitäten eingebunden. Als im Herbst 1937 die Gestapo gegen die  d.j.1.11 vorging, wurden auch Hans, Sophie, Inge und ihre Freunde wegen „bündischer Umtriebe“ verhaftet. Hans wurde 5 Wochen im Gefängnis festgehalten und dann wieder zu seiner Militäreinheit entlassen.

"Die Stunde kommt, da man Dich braucht,
dann sei Du ganz bereit,
Und in das Feuer, das verraucht,
wirf Dich als letztes Scheit."
3. Stophe eines Bündischen Liedes, das die Geschwister Scholl gerne sangen.

Sophies kritische Einstellung verbarg sie auch im BDM nicht. Sie schlug dort etwa vor, Heinrich Heine zu lesen! 1938 wurde Sophie Scholl zusammen mit ihrer Freundin Susanne Hirzel wegen „Untreue“ und „unbotmäßiger Äußerungen“ ausgeschlossen.

Im Sommer 1942 begannen zuerst Hans Scholl und Alexander Schmorell den aktiven Widerstand. Sie schrieben die ersten vier Flugblätter und verbreiteten diese in München. Ihnen schloss sich bald Sophie Scholl, Christoph Probst, Willi Graf und Prof. Kurt Huber an. Diese sechs waren der Kern der Widerstandsgruppe, die bald ihr Netzwerk in vielen Großstädten knüpfte.

Im Januar 1943 druckte die „Weiße Rose“ ihr fünftes Flugblatt in hoher Auflage und verbreitete es in vielen  Städten Deutschlands. In München malten sie nachts Parolen, wie „Nieder  mit Hitler“, „Hitler Massenmörder“ und „Freiheit“ an die Häuserwände.

Beim Auslegen des sechsten Flugblatts an  der Münchner Universität wurden Hans und Sophie entdeckt und verhaftet, wenige Tage später fiel auch Christoph Probst in die Hände der Gestapo. Am 22. Februar 1943 wurden die drei vom „Volksgerichtshof“ zum Tode durch das Fallbeil verurteilt und noch am gleichen Tage hingerichtet.

9. Mai 2021   Dr. Peter Milde

Quellen: