Stein des Anstosses: ein link, der zum Archiv von
linksunten-indymedia führt

Mittlerweile fand es in zahlreichen Artikeln Erwähnung[1], dass es eine Durchsuchung bei RDL gegeben hat aufgrund eines Artikel über das Verfahren der angeblichen Betreiberinnen von linksunten-indymedia. In diesem Zusammenhang wurde auch das
Archiv des inzwischen eingestellten Mediums — denn um ein solches handelt es sich — verlinkt.

Diese Verlinkung soll nun dagegen verstoßen, dass das Bundesinnenministerium linksunten.indymedia bzw. dessen
HerausgeberInnen-Kreis oder beide 2017 als ‚Verein‘ verboten hatte. (Was nun tatsächlich verboten wurde, ist aufgrund widersprüchlich Formulierungen in der damaligen Verbotsverfügung, der begleitenden Presseerklärungen und Urteilen des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim sowie des Bundesverwaltungsgericht nicht völlig klar). Aber damit wurde zumindest die Durchsuchung begründet.

(Screenshot von der Startseite von Radio Dreyeckland)

Da ich selber (zusammen mit Peter Nowak und Detlef Georgia Schulze) gegen das Verbot von linksunten-indymedia eine Presseerklärung unterschrieben hatte, die mir ein Verfahren eingehandelt hatte (was Gott sei dank vom Gericht
verschleppt wurde und dadurch in die Verjährungsfrist geriet) interessiert mich dieser Fall natürlich brennend. Dabei stehen für mich keineswegs die politischen Inhalte der autonomen Szene oder der freien Radios im Vordergrund, sondern für mich ist die Freiheit der Meinung, der Presse und der [wissenschaftlichen] Forschung unabdingbar erforderlich für ein halbwegs sinnvolles politisches Engagement. Wenn diese nicht mehr gegeben sind durch eine Rechtsauffassung, die jede Redaktion einer Zeitung, eines online-Portals oder eines Radiosenders potentiell kriminalisieren kann durch das Nachkommen ihres ureigenen Auftrages, nämlich beizutragen zu Information und Meinungsbildung (im Fall von RDL durch Verlinkung des Archivs von linksunten-indymedia), dann ist dieses ’sinnvolle politische Engagement‘ zumindest gefährdet durch das Damoklesschwert der Einschüchterung. Es ist ohnehin kaum nachzuvollziehen, dass ein internet-Portal, das seit der Verbotsverfügung 2017 nicht mehr publiziert, noch zum Anlass für solch inbrünstige Verfolgung(en) wird. Es scheint fast so, als ob die letzten Reste autonomer (Selbst-)Organisierung noch ausgetrocknet werden sollen. Und mit dieser ‚Austrocknung‘ hofft man wohl, auch noch den gesamten linken Restsumpf mit einzudämmen (ganz zum Schweigen wird man ihn nicht bringen können).

Um so wichtiger ist es jetzt, dass viele Stimmen laut werden (auch und gerade über die Szene der üblichen Verdächtigen hinaus), die sich mit Radio Dreyeckland solidarisieren und sich vehement für die Meinungs- und Pressefreiheit einsetzen. Ein internet-link ist kein ‚Verein‘ und auch keine ‚Vereinstätigkeit‘- und schon gar nicht, wenn dieser ‚Verein‘ ein Medium ist, das nicht mehr aktiv ist[2]. Hier geht es schlicht und ergreifend um nichts anderes als Zeitgeschichte! (Wenn auch ohne Frage mit aktuellem politischen Bezug)
Und wer sich davor scheut, muss verdammt viel zu verlieren haben. Es sei in diesem Zusammenhang daran erinnert, dass es immer noch nicht gerichtlich geklärt ist, ob die Verbotverfügung von 2017 nicht einen Verfassungsbruch darstellt[3].

Viele Psychologen sagen, dass es keinen schlechteren Ratgeber als ‚Angst‘ geben kann für Handlungen aller Art.
Das sollte doch auch für staatliche Strukturen gelten!

[1] zum Beispiel: https://uebermedien.de/80833/durchsuchung-wegen-links-wie-der-staat-gegen-einen-unliebsamen-sender-vorgeht/
https://www.kontextwochenzeitung.de/medien/617/voll-auf-die-presse-8666.html und https://www.telepolis.de/features/Pressefreiheit-Wenn-ein-Link-zur-Durchsuchung-eines-Senders-fuehrt-7463405.html

[2] Detlef Georgia Schulze hat in einem zweiteiligen Artikel im taz-blog sich mit der juristischen Seite des RDL-Falls auseinandergesetzt: https://blogs.taz.de/theorie-praxis/zwei-fragen-an-das-amtsgericht-karlsruhe/ und https://blogs.taz.de/theorie-praxis/zwei-fragen-an-das-amtsgericht-karlsruhe-2/

[Nachtrag]: siehe auch das Interview im Untergrundblättle mit DGS: https://www.xn--untergrund-blttle-2qb.ch/politik/deutschland/interview-zu-der-durchsuchung-bei-dem-freiburger-radiosender-dreyeckland-7494.html

[3] „Wenn der Staat Publikationen verbieten kann, ohne die eigentlich gebotene verfassungsrechtliche Abwägung überhaupt vorzunehmen, dann ist der Schritt zu einer staatlichen Zensur durch die Hintertür nicht mehr weit. Wenn jede Webseite über ihre tatsächlichen oder vermeintlichen Betreiber zum „Verein“ erklärt und verboten werden kann, dann nützt die Pressefreiheit im Zweifelsfall nicht mehr viel.“ https://uebermedien.de/41162/das-verbot-von-linksunten-indymedia-ist-zweifelhafter-denn-je/ [22.08.2019]