Sie stehen immer und immer wieder im Raum: Kaufprämien für fossil betriebene PKW und Plug-In-Hybride. Wie jede andere Branche durchläuft die Automobilindustrie 2020 eine fundamentale Krise. Nach einem fulminanten Jahr 2019 mit Abverkaufszahlen in Rekordhöhe und Unternehmensergebnissen, die gerade hohe Dividenden ausschüttbar machen. Sollte darauf ideenlos und klimafeindlich mit Abverkaufsprämien reagiert werden - oder bedarf es am Dienstag, zum Autogipfel im Kanzler:innenamt, nicht etwas mehr Kreativität, um eine weniger exklusive Prämie für wenige auszuloben? Ich habe in meinem Artikel versucht, einen Überblick über die aktuelle Diskussion zu geben. In Zeiten der Klimakrise haben sich die Vorzeichen von wirtschaftlichem Eingriff durch unsere Bundespolitik geändert. Das sollte sich gerade auch in der Krise zeigen - und nicht gegen uns wenden.  Wie sehen Sie das Instrument Abwrackprämie?

Ich stehe ein für inklusive Mobilität.

#Kaufprämien für Autos sind das Gegenteil, weil sie viele Menschen ausschließen. Finanziell Schwache, Mobilitätseingeschränkte, Menschen ohne Führerschein und Jene, die bereits bewusst ihre Mobilität ohne Auto gestalten. Echte inklusive Mobilität bietet immer eine Wahl. Sie mobilisiert. Sie macht frei von einem Angebotsmonopol. Aktuell sind aber viele von den Autofahrenden nicht frei in ihrer Entscheidung, sondern frei von einer Wahl - mangels Alternativen.

Es macht mich fassungslos, dass der Autoindustrie und Politik scheinbar nichts Besseres einfällt, als den Verkauf eines Produktes künstlich anzukurbeln, das jenseits aller Innovation steht:

Der fossil betriebene PKW gehört der Vergangenheit an, auch wenn er leider heute noch verkauft werden darf.

Fossil betriebene Fahrzeuge sind NICHT umweltfreundlich, wie oft von der Industrie behauptet, weil sie Emissionen ausstoßen, die giftig sind, weil sie Stadtraum rauben, der allen gehört, und weil sie Unfälle verursachen, die zu oft tödlich enden. Abwrackprämie - das hatten wir schon. Und es war vernichtend für Klima UND deutsche Autoindustrie. Es ging zwar von durchschnittlich 3,3 Millionen Autos (2000 bis 2008) auf 3,8 Millionen 2009. Und dann!? Zurück auf 2,9 Millionen 2010. Die Prämie bewirkte also nur ein Vorziehen des Kaufes und regte nicht, wie erhofft, zusätzlichen Absatz an. Zudem wurden damals überwiegend ausländische Hersteller bevorzugt. Das Geld kam nicht in dem Maße in der Autoindustrie an, wie es gedacht war.

Daher rät die Deutsche Bank deutlich von einer weiteren Autoprämie ab. Und diese Institution ist sicher nicht für Umweltlobbyismus bekannt - sondern für wirtschaftliche Betrachtung von Maßnahmen seitens der Politik.

Eine Abwrackprämie führt zu Mitnahmeeffekten. Viele Kunden würden sich auch ohne Prämie ein Auto kaufen. Auch aus sozialpolitischer Sicht ist die Prämie daher problematisch, denn Neuwagenkäufer gehören in der Regel zu den Besserverdienern.

ver.di-Chef Frank Werneke warnt ebenfalls vor Neuaufnahme dieser bereits einmal gescheiterten Finanzierung.

Ich bin für Kaufanreize, um gezielt den Konsum und damit die Konjunktur wieder anzukurbeln. Aber ich denke da nicht zuallererst an die Automobilindustrie, sondern an Bereiche, die wirklich darben, wie etwa die Gastronomie oder Kulturbetriebe.

Dennoch befürworten die Ministerpräsidenten der Autoländer Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Bayern erneut eine wie auch immer genannte Abwrackprämie. Armin Laschet (CDU), Stephan Weil (SPD) und Markus Söder (CSU) fürchten um die Arbeitsplätze. Sinkende Absatzzahlen. Andere Branchen begegnen diesen mit der Aufnahme von Krediten und Kurzarbeit. Doch die Autoindustrie geht darüber hinaus - sie verlangt staatliche Unterstützung mit Kaufprämien für Neuwagen – auch für Diesel und Benziner!!! Das hat u.a. Herbert Diess deutlich platziert. Gleichzeitig will die Branche Milliarden Euro an Dividenden für die Aktionäre ausschütten. Weil 2019 ein sehr erfolgreiches Jahr war.

Alles für die Wirtschaft, Rückwärtsgang für das Klima?

Schon die bisherigen Anreize für den Kauf von Elektroautos haben nicht gegriffen. Denn ja: Da ist immer noch diese Innovationsprämie von 6.000 Euro. Warum sollte eine neue Prämie also jetzt dafür Sorge tragen, dass elektrische Autos angeschafft werden?

Fazit: Diese Prämie wird geplante Autokäufe vorziehen und fossil angetriebene Autos auf unsere Straßen spülen. Wo jetzt schon 47 Millionen PKW im Stau stehen.

Claudia Kemfert wurde in meinem #SheDrivesMobility #Livetalk sehr deutlich: „Wenn wir diesen Fehler wiederholen, werden wir die Klimaziele 2030 nicht erreichen.“ Und weiter: "Kaufprämien sollten an Innovation und Umweltentlastung geknüpft werden."

Menschen wie Raul Krauthausen setzen sich für inklusive Mobilität ein - Raul hat aber keinen Führerschein, sondern will - in Berlin wohnend - eigenständig und unabhängig seine Mobilität abbilden. Seine Behinderung startet da, wo andere in immobilisieren, in an einer eigenen autarken Mobilität hindern. Auch er hat sich dazu in meinem Livecast geäußert. Und auch Menschen mit geringem Einkommen wird diese Prämie nicht erreichen. Weil sie schon jetzt den geringsten Autobesitz in unserer Gesellschaft haben. Denn das Auto ist für sie zu teuer. Wie in meinem Livetalk mit Christoph Aberle thematisiert, fahren arme Menschen viel ÖPNV, Fahrrad und gehen vor allem sehr viel zu Fuß.

Experten wie Thomas Krautscheid von der Beratung Quotas wollen eine "enkeltaugliche Abwrackprämie". Also eine, die unser Klima im Fokus hat. Und Innovationen vorantreibt. Und nicht Produkte aus der Vergangenheit pusht, die schon kurz vor der Abwahl standen. Denn: Es gibt da Klimaziele. Marion Tiemann von Greenpeace fasst die Fakten in einem Video zusammen.

Bündnis von Umweltverbänden setzt sich daher für eine Mobilitätsprämie ein. Denn: Kauf von E-Lastenrad oder ÖPNV-Abo scheitert oft am Geld. Burkhard Stork vom ADFC: „Wir wollen nicht, dass die Regierung Bürger:innen Verkehrsmittelwahl diktiert, sondern ihnen alle Optionen ermöglicht!" Ich habe mich mit Wasilis von Rauch darüber unterhalten, wie der "Schock" einer drohenden VerkehrTwende durch eine Abwrackprämie innerhalb weniger Stunden zu einem breiten Bündnis von Verbänden führte.

Am 5. Mai ist der Autogipfel, zu dem Bundesumweltministerin Schulze und Verbände von Natur- und Umweltschutz nicht geladen wurden - obwohl der Verkehrssektor der einzige Sektor mit steigenden (!) Emissionen ist. Per Finanzmittel in diesen Sektor einzugreifen, ist daher enorm klimarelevant. Ich hoffe, mit diesem Artikel viele Hilfe zur eigenen Positionierung in dieser Sache gegeben zu haben. Gerne ergänzen!

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