Die hysterisch übertriebene Beschäftigung mit ein und demselben Thema und dessen Meinungen geht auf Kosten des Erwerbs von universitärem Wissen. Jeder scheint ein Experte in seiner speziellen Nische zu sein. In Wahrheit sind wir wohl fast alle Idioten, im besten Fall Fachidioten, wenn es ganz blöd kommt, Vollidioten.
Ein Thema – Corona mitsamt Impfungen und Massnahmen – dominiert seit einem Jahr den Diskurs. Und zwar weltweit. Nur einmal wurden wir kurz aufgescheucht (Terrornacht in Wien), ansonsten geht es großteils immer nur um dasselbe Thema. Dabei wurden wir alle sensibilisiert mit den Themen Virus, Hygiene Impfungen und dergleichen mehr. Durch die übertriebene Meinungsflut, die eine solche intensive Beschäftigung mit einem Thema mit sich bringt, kommt es auch zu einer stark verunsicherten Öffentlichkeit. Die Flucht in soziale Schutzräume von Ideologien, Verschwörungstheorien, Impfgegner/-befürworter, Migrationsbefürworter/-gegner und Veganismus führen zu Leitmeinungen, die Ersatzreligion sein können. Wichtig ist, „gut“ und „richtig“ zu sein. So schnell wir aber auch von einer Meinung zur anderen wechseln, so sehr krampfen wir oftmals am eigenen Leben fest. Standortbestimmungen an sich selbst durchzuführen ist schwierig. Wer hinterfragt schon gerne sein Leben ob es auch tatsächlich dieses ist, welches man leben möchte. Substanzielle Änderungen sind schwierig und anstrengend. Leichter ist es die Standortbestimmung an anderen durchzuführen und die „Welt zu retten“. Oder zumindest oberflächlich so zu tun als ob. Bio, smart, sozial, gerecht, solidarisch… Die Bedürfnisindustrie hat für jeden von uns etwas parat um sich zumindest im sozialen Nahraum „besser“ und „richtig“ fühlen zu können. Selbst wenn das eine Produkt dem anderen ähnelt werden Meinungskriege teilweise innerhalb von Familien und Freundschaften geführt. Der Treibstoff ist die Emotion, die die vermeintlichen Unterschiede bringt. Das Produkt kann ein Auto sein, eine spezielle Supermarktkette, Toilettenpapiermarken oder gar ein spezieller Impfstoff. Argumentativ fundiert muss dabei nichts sein. Emotional aufgeladen schon. Mit der richtigen Dosis an Emotion weiß man, was richtig und was falsch ist. Vor allem dann, wenn man keinen stabilen Fixstern (Mantra) hat, der einen durchs Leben führt. Die Addition, also das mehr von allem (was auch immer, Hauptsache mehr ist besser) scheint zwar aus der Mode gekommen zu sein, die Abhängigkeit von ihr ist aber noch immer da. So leicht findet man dann nämlich doch keine Alternative und drum bleibt man auch gerne bei Meinungen ohne Begründung – eine Schwester der Denkfaulheit.
Es ist völlig wurscht wann das Virus weg ist, weil es für jeden etwas anderes bedeutet. Das Leben vor der Pandemie wird es genauso wenig geben wie das Nachher. Die Zeit steht nicht still. Es gibt nur das eigene Leben und die eigenen Wirklichkeiten die wir uns auch selbst erschaffen. Politik, Unterhaltungsindustrie und dergleichen sind nicht vollumfänglich für unser tägliches Tun verantwortlich. Diese Verantwortung – so praktisch das wäre – können wir in Österreich nicht komplett abgeben. Hilfe annehmen und anderen helfen ist wichtig, kann aber nicht alles übernehmen. Zufriedenheit mit sich selbst und somit in weiterer Folge mit der Mitwelt kann man nicht erkaufen, sondern muss sich selbst angeeignet werden. Das ist oft mühsam. Bevor man immer „Weltretter“ spielt (das natürlich einfacher ist als sich mit sich selbst auseinanderzusetzen) und emotional wie ein Rumpelstilzchen sich und andere in einen Daueralarm versetzt, sollte man vor der eigenen Türe zusammen räumen. Mit Meinungsscharfmachern gleich welcher Couleur setzt man langfristig sicher aufs falsche Pferd.
Mag. Dr. Wolfgang Glass ist Politologe in Wien. Glassiker.wordpress.com