Das Schlitzohr
Wir hatten übrigens im zweiten Aufsichtsrat nicht geschlafen und schon ab Mitte 92 Leute gesucht, um den Vorstand aufzufüllen und oder Geschäftsführer für zu gründende oder zu erwerbende Tochterunternehmen zu sein. Arnfried Schurig sagte damals, als wir dieses Thema die Geschäfte vorsichtig auszuweiten, um wieder eine wirtschaftliche Basis zu schaffen, behandelten: "Ich hätte da vielleicht jemanden, aber der hat sooolche Schlitze in den Ohren". Die beschreibende Geste mit den Armen hätte jedem Anglerlatein alle Ehre gemacht. Es waren Meterlange Schlitze. Einhellige Meinung war her damit. Ich weiß nicht ob ich da noch im Vorstand zugange war, oder wieder im Aufsichtsrat mein Restgastspiel gab. Ich hatte ja immer noch AGROS nach dem Vorstandsgastspiel an der Backe. Diesmal halt als "leitender Mitarbeiter".
Das bedeutete, dass ich, als sich Karl-Heinz Bindel am Horizont abzeichnete, mein Büro aus der ersten in die zweite Etage verlegte, damit das Vorstandszimmer frei würde. Karl-Heinz Bindel war übrigens von Rolf Heidrich aufgetan worden und, wenn ich mich recht entsinne, vorher Chef der Maschinenbau Jonsdorf (MaJo) gewesen und vermietete nun einen einsamen Minibagger. Er bestand darauf diese Nebentätigkeit in seinen Anstellungsvertrag aufzunehmen und so stand sein Vermietobjekt ab dann bei AGROS auf dem Hof. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass es sich einmal bewegt hätte...
Das neue Büro hatte noch ein freies Nebenzimmer. Die Bewerbungen trafen ein. Unvergessen ist ein Herr Kost, seine Unterschrift füllte die halbe Seite des Bewerbungsschreibens. Den nahmen wir nicht. Auch nicht den namhaften Wessi-Jungspund, der Bewerbungskostenerstattung in fünfstelliger Höhe erwartete und sich bei Agros die Hörner abstoßen sollte. Ich hab ihm lakonisch mitgeteilt Pech gehabt, im Osten ist eine Bewerbungskostenerstattung unüblich, das hätte er im Vorfeld abklären sollen. Auch ein Ehrenfried Hiller, bitte nicht verwechseln mit dem Ehrenfried Hiller aus Dittelsdorf, obwohl die zwei hätten Brüder sein können, bewarb sich. Den nahmen wir, irgendwie hatte er Potential. Dann kam Arnfried Schurigs "Schlitzohr mit den ellenlangen Schlitzen". Ein gewisser Norbert Niegsch, Ex-Molkereidirektor, Ex-Marktleiter, ein bisschen selbständig tätig. Den nahmen wir auch. Norbert Niegsch wurde in mein freies Nebenzimmer einquartiert. Auch für Ehrenfried Hiller II fand sich ein Zimmerchen in der Nähe seines "Bruders". Arnfried Schurig renovierte unterdessen mein altes Büro, um dann dort einzuziehen, damit der neue Vorstandsvorsitzende das ihm standesgemäß zustehende Büro sofort beziehen könnte. AGROS war für Karl-Heinz Bindel bereit.
Das erste was "Schlitzohr" Norbert Niegsch bewunderte war mein Aschebecher, eine ARCOROC Glaskeramikvase, extra für diesen Zweck bei Plus gekauft, sechseckig und ständig voll. Er bastelte dann einige Wochen an einem Unternehmenskonzept, bis ich von der Gesellschafterversammlung bei KOS wiederkehrte. KOS war im Prinzip platt und wir haben dann erst einmal Herrn Niegsch mit dem Auftrag, er möge sich ein Bild machen in die Firma geschickt. Mehr Informationen hatten wir ihm nicht gegönnt. Herr Schurig und ich waren der Auffassung dass sich eine Tochter der KOS, nämlich die Zittauer Wasser und Kulturbau eventuell lohnen könnte, wenn man in Maschinen investiert. Aber das sollte Herr Niegsch alleine rausfinden. Was Herr Niegsch herausfand war, dass die Lage noch schlimmer als gedacht aussah. Wir haben uns daraufhin vollständig aus der Beteiligung bei KOS zurückgezogen...
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Coverbild: Pixabay CC0
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