Am letzten Freitag (3. Mai) wurde in Dresden der SPD-Politiker Matthias Ecke angegriffen und krankenhausreif geprügelt, als er gerade Wahlplakate für die Europawahl aufhing. Wenige überraschend: Die Tatverdächtigen kommen aus dem rechten Spektrum (s. hier).
Kurz vor dieser feigen Attacke von vier gegen einen wurde auch noch in ziemlicher Nähe ein Wahlhelfer der Grünen von vier Männern (vermutlich dieselben, die auch Ecke zusammenschlugen) körperlich angegangen, und das ebenfalls beim Plakatieren (s. hier).
Und dann wurden ein paar Tage später zwei Kandidaten der Grünen beim Plakatieren ebenfalls in Dresden von einigen ebenfalls offensichtlich Rechtsextremen beschimpft, bedroht, gestoßen und bespuckt – und das auch noch am helllichten Tag und obwohl einige Journalisten (u. a. ein Fernsehteam der Deutschen Welle, das den Vorfall auch aufgezeichnet hat) vor Ort dabei waren (s. hier).
So widerwärtig solche Angriffe sind, so wenig überraschen sie mich leider. Denn schließlich ist Gewalt schon immer das bevorzugte Mittel der politischen Auseinandersetzung von Rechten und Rechtsextremen gewesen. Und von denen gibt es ja nun immer mehr, zudem bekennen sie sich ganz offen zu ihren Ansichten, die so eklig, antidemokratisch und menschenverachtend sind, dass man sie vor 20 Jahren noch nicht mal am Stammtisch einfach so vom Stapel gelassen hätte.
Tja, und da mit der AfD mittlerweile auch noch eine Partei, die für genau diese Ansichten steht, im Bundestag, in Landtagen, Kreistagen und Stadtparlamenten sitzt und zudem noch ständig in Medien anzutreffen ist, wo dann ebendiese Ansichten als vermeintlich legitime Standpunkte herausgeplärrt werden, fühlen sich die Rechten im Lande eben auch immer mehr im Recht. Auf diese Entwicklung weise ich ja schon seit bald zehn Jahren hin (gerade hier und hier erst in den letzten Monaten), das ist also keineswegs irgendwie auf einmal vom Himmel gefallen.
Dazu kommt, dass viele Politiker, die nicht in der AfD sind, und viele Medien mittlerweile rechte Narrative und Schlagworte einfach so übernommen haben, was natürlich die Rechtsaußen dann noch mehr bestärkt: „Siehste, jetzt will sogar der Scholz, dass hart abgeschoben wird – hab ich doch schon immer gesagt!“ Von der Union und der FDP war so was ja auch irgendwie zu erwarten, aber wenn selbst die Grünen beim Thema Rechtsterrorismus lieber mit der AfD zusammen abstimmen auf Landesebene, als dass man eventuell seinen Koalitionspartner brüskieren und somit die eigenen Pöstchen gefährden könnte (s. hier), dann ist die immer wieder gern in Sonntagsreden beschworene Brandmauer gegen Rechts nicht nur sehr löchrig, sondern schlichtweg nicht mehr vorhanden.
Dazu kommt dann eine Stimmungsmache auf BILD-Niveau gegen die Ampel-Regierung und hier insbesondere die Grünen, die nichts mehr mit sachlicher (und durchaus angebrachter) Kritik zu tun hat, sondern vor allem auf Diffamierung, Unwahrheiten und die Verbreitung von falschen Stereotypen setzt (s. hier, hier und hier). Das solche Worte dann irgendwann Taten zur Folge haben, wie gerade geschehen, dürfte eigentlich niemanden wundern, denn auch hier gilt wieder: Die Täter dürften sich schlichtweg im Recht fühlen. Zumal ja auch die Verrohung und Unanständigkeit des politischen Diskurses, wie er von Rechts geführt wird, seit einigen Jahren immer offensichtlicher wird (s. hier).
Aus diesem gesellschaftlichen Gebräu resultiert dann eben, dass man den politischen Gegner nicht nur bei einer Wahl besiegen, sondern vielmehr vernichten möchte, und das geht eben am besten mit Gewalt. Dass dann ausgerechnet diejenigen, die immer jammernd behaupten, es gäbe ja keine Meinungsfreiheit mehr hierzulande, wenn ihnen mal jemand widerspricht, dann andere Meinungsäußerungen mit dumpfer Gewalt zu unterbinden suchen, ist zwar eine erhebliche kognitive Dissonanz, aber davon gibt es Rechtsaußen ja leider umso mehr, je weniger gut es dort um die kognitiven Fähigkeiten bestellt ist – was da ja eher die Regel als die Ausnahme ist.
Was wir hier also gerade erleben und (natürlich zu Recht) für reichlich Empörung sorgt, ist ein Resultat der Entwicklung, an deren Anfang nicht die AfD stand. Die Blaubraunen sind vielmehr auch ein Symptom dessen, was seit Jahren Maxime des neoliberalen politischen Handelns ist: Entsolidarisierung, Hetze und Aufwiegelung im Zuge des Teile-und-herrsche-Prinzips, das Präsentieren von Sündenböcken, um von eigenen Verfehlungen und ideologischen Unzulänglichkeiten abzulenken, sowie natürlich die fortschreitende forcierte Entpolitisierung und Verblödung.
Und wir werden leider noch nicht am Ende dieser Entwicklung sein, denn dass da noch ganz andere Eskalationsstufen möglich sind, hat man ja gesehen, als Trump-Anhänger das Kapitol in Washington gestürmt haben. Die USA sind uns in dieser Entwicklung eben ein Stück weit voraus, da der Neoliberalismus dort ein paar Jahre früher und noch rabiater als in Deutschland implementiert wurde.
Nun kann man nur hoffen, dass ein paar von diesen rechten Gewalttätern eine saftige Strafe bekommen mögen, aber ob das dann genügend abschreckt? Vermutlich nicht, denn sonst hätten diejenigen, die da vor Zeugen und laufenden Kameras ausgerastet sind, sich etwas mehr zurückgehalten. Wie schon gesagt: Dieses Pack fühlt sich im Recht und wird sich daher auch bei eventuellen Strafen als Opfer sehen. Märtyrertum ist leider eine Sache, die einer Abschreckung durch Strafe für gewalttätige Aktionen entgegensteht.
Und da rechte Ideologien ohnehin auf Gewalt basieren (angefangen mit Ausgrenzung unliebsamer Menschen über deren verbale Entwertung bis hin zur Legitimation, gegen solche „Feinde“ auch Gewalt anwenden zu dürfen), können die Rechtsextremen nun immer schön weiter eskalieren – und diejenigen, die sich an zivilisatorische Spielregeln halten möchten, haben dem dann recht wenig entgegenzusetzen.
Was nun nicht heißen soll, dass hier nun gar nichts gemacht werden kann. Dass man diesem Pack entschlossen entgegentreten sollte, wenn es einem über den Weg läuft, hab ich ja bereits vor ein paar Monaten in einem oben schon mal verlinkten Artikel beschrieben. Nun sieht man gerade, dass das immer notwendiger wird, sich da auch notfalls so zu verhalten, dass es gerade noch nicht justiziabel ist, aber eben schon auf gern heftige Weise den Rechten zu verstehen gibt, dass sie ekelhafter, unzivilisierter gesellschaftlicher Bodensatz und ihre menschenverachtenden Ansichten komplett inakzeptabel sind.
Von Politik und Medien darf man dabei allerdings so gut wie keine Unterstützung erwarten, denn da tickt die Mehrheit nach wie vor nach dem Motto: lieber rechtsextrem als nicht neoliberal. Zudem scheint man ja auch aus den Fehlern am Ende der Weimarer Republik nichts gelernt zu haben, als sogenannte Bürgerliche schon einmal versuchten, Rechtsradikale für ihre eigenen Interessen zu instrumentalisieren.
Aber wie bei so vielen Dingen zurzeit gilt auch hier mal wieder: Aufgeben ist keine Option!
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