„Ein Weib tut wenig, plaudert viel.“
So spricht der weise Hohepriester Sarastro in Mozarts Die Zauberflöte. Der Satz ist ein grosser Favorit in der Diskussion über das Frauenbild in dieser ungewöhnlichen Oper, welche heutzutage fundamental als Konstellation freimaurerischer und aufgeklärter Ideale verstanden wird. Viele der erzählerischen Elemente dieses Werks sind unüblich für Opern oder Singspiele aus dieser Zeit und gehen vor allem von Ideen der Selbstüberwindung und Erleuchtung aus.

Ein Element, welches seit eh und je für Kopfzerbrechen gesorgt hat, ist die dramatische Wendung gegen Ende des ersten Aktes: Bis zu diesem Zeitpunkt war die Handlung die, dass die Königin der Nacht den jungen Prinzen Tamino beauftragt, ihre vom bösen Sarastro entführte Tochter zu befreien. Bei Taminos treffen mit Sarastro wendet sich diese Situation aber, und stattdessen nimmt die Geschichte den Standpunkt an, dass die Königin der Nacht Tamino in die Irre geführt hat, und der eigentliche Bösewicht sei, welcher das Volk verführen und den Weisheitstempel stürzen will. Die erzählerische Wendung ist so extrem im Vergleich zu den üblichen musikalischen Bühnenwerken der Epoche, dass zeitweise sogar theoretisiert wurde, dass die Geschichte während der Entwicklung plötzlich aus Konkurrenzgründen geändert wurde, obgleich spätere Recherchen nachwiesen dass dem nicht so ist, und dies von Beginn an so konzipiert war.

Vieles in diesem Werk wird aus moderner Sicht als misogyn eingestuft, so der o.g. Satz, aber auch dieser:
„Ein Mann muss eure Herzen Leiten,
Denn ohne ihn pflegt jedes Weib
Aus ihrem Wirkungskreis zu schreiten.“

Dieses Frauenbild wird der Thematik um die aufgeklärten Vorstellungen, die sehr idealistisch dargestellt werden, gegenübergestellt, und als Paradox gesehen, wobei der Rückschluss wäre, dass dies ein veraltetes, falsches oder ungerechtes Frauenbild darstellt, welches nicht zu den anderen, aufgeklärten Idealen passt. Die Möglichkeit aber, dass Mozart und sein Librettist Emanuel Schikaneder genau wussten, was sie schrieben und weshalb, wird hierbei gar nicht in Betracht gezogen. Es ist eine kognitive Dissonanz gegenüber der heutigen, aus einst aufgeklärten Idealen hervorgegangenen und abgewandelten Dogmen, in diesem Falle das, welches sich gegen die traditionellen Geschlechterrollen sträubt. Das dogmatische pseudo-aufgeklärte Ideal besagt, dass Männer und Frauen praktisch gleich sind, bis hin zu den neuesten und absurdesten Auswüchsen, wo man allen ernstes behauptet, dass auch Männer schwanger werden können, oder Tampons in Männertoiletten bereitstellt.

Dass Männer und Frauen nicht gleich sind, ist an sich eine biologische Tatsache, und dass es auch geistige Unterschiede aufgrund der evolutiven Konsequenzen dieser biologischen Unterschiede gibt, ist insofern nur logisch. Tatsächlich werden diese Unterschiede gut und gerne anerkannt, sofern sie natürlich für die Frauen vorteilhaft ausfallen: „Frauen sind die besseren Führungskräfte“ titelt plakativ die Handelszeitung einen Artikel von 2021. Businessinsider schrieb 2022 „Es gibt einen wissenschaftlichen Grund, warum Frauen die besseren Führungskräfte sein könnten“, hier ist es sogar wissenschaftlich erwiesen. Mit einer kurzen Internetsuche lassen sich viele solche Publikationen finden. Der Dogmatismus dieser als durch aufgeklärte Erörterung erreichte Tatsache der Gleichheit der Geschlechter entlarvt sich stets durch solche Doppelmoral: Sind Frauen in etwas vermeintlich besser, ist dies offen zu verkünden. Behauptet man das Gegenteil, ist es Frauenfeindlich. Das zum Dogma erhobene einstige Ideal, keine Vorurteile aufgrund des Geschlechtes zu hegen, erreicht per Hufeisentheorie den status quo ante, dass Frauen eigentlich als minderwertig gesehen werden, und man deshalb nur positives über ihr Geschlecht verkünden darf, aber nichts negatives. Im Nachhinein wird dieser offensichtliche Gegensatz damit beschmückt, dass es sich um die Kompensierung historischer Ungerechtigkeit handle, ganz im Sinne dass zweimal falsch richtig ergibt, oder eines identitätspolitischen Racheaktes.

Ebenso verhält es sich mit der Analyse des Frauenbildes in der Zauberflöte, welches als wider den anderen, aufgeklärten Werten dieses Werkes gesehen wird, weil es nicht mit dieser dogmatischen Idee der Gleichheit übereinstimmt. Wobei die Folgerung, die eigentlich aufkommen sollte die ist, ob dieses Frauenbild im Grunde nicht „aufgeklärter“ ist, als das heute geltende Gleichheitsdogma. Diese Frage ist sehr ideologisch geprägt, denn sie setzt auch eine Gesamtvorstellung des gesellschaftlichen Konstruktes voraus. Hier ist heutzutage ein weiteres, dogmatisches pseudo-aufgeklärtes Ideal zu finden, nämlich das, dass Individualismus und Freiheit gleichbedeutend mit Egoismus und Hedonismus seien. Versteht man die Aufklärung in ihrem historischen Kontext, wo die absolute Monarchie noch eine vollkommen geläufige Staatsform war, und Menschen zumal Untertanen oder gar Leibeigene waren, deren individuelle Freiheiten stark beschränkt und der Willkür des Herrschers unterlagen, so sind diese Ideale auf eine viel grundlegendere Ebene anzuwenden, welche trotzdem dem Erhalt der Zivilisation, der Nation, des gesellschaftlichen Friedens, gar des Lebens selbst untergeordnet sind. So wäre individuelle Freiheit zu verstehen als z.B. die Möglichkeit, durch Bildung einen höheren Stand zu erlangen (zumal dies auch der Gesellschaft etwas beiträgt), anstatt sein Leben lang an den ursprünglichen Stand gebunden zu sein, jedoch wohl eher nicht als die „Freiheit“, der Wunschtraum-Karriere nachzugehen, und dann von der Allgemeinheit durchgefüttert zu werden, weil dieses keinen Unterhalt gebührt, obgleich es der Gemeinschaft nichts praktisches beiträgt.

Aus dieser, zugegeben sehr konservativen Sicht, wären auch Geschlechterrollen selbst innerhalb des aufgeklärten Denkens logisch, da sie dem Erhalt und Zusammenhalt der Gesellschaft unentbehrlich sind, und zugleich die biologischen Unterschiede zwischen Mann und Frau miteinbeziehen. Geschlechterrollen, egal wie diese seien, haben sich in praktisch allen Zivilisationen dieser Welt entwickelt, als logische Konsequenz biologischer Realität. Diese Entwicklung kann als Beispiel darwinscher Selektion verstanden werden, worin die Auffassung der Geschlechterrollen, welche am angepasstesten für den existenziellen Erfolg der Gesellschaft war, sich schliesslich durchsetzte.

Die Behauptung könnte zwar nahe liegen, dass dies in der modernen Gesellschaft nicht mehr der Fall ist, jedoch ist es vielsagend, dass praktisch alle (wenn nicht alle) modernen westlichen Industriestaaten unter dem Ersatzniveau der Fertilität sind, und folglich die Immigration von Bevölkerung aus zumeist unterentwickelten Ländern diese fehlende Fertilität ergänzt. Entsprechend bedeutet dies auch, dass ohne diese Möglichkeit, die Gesellschaft auf kurz oder Lang dem Kollaps und dem Aussterben geweiht wäre. Von einem Blickpunkt des Erhaltes der Gesellschaft gesehen, ist die Situation also unzulänglich. Die Gründe für diese fehlende Fertilität sind bekanntlich mannigfaltig, doch wird der Zerfall der traditionellen Familie, und damit auch der traditionellen Geschlechterrollen, als einer der Gründe dafür aufgezeigt.

So gesehen, gibt es eigentlich keinen Grund, ohne Weiteres das Frauenbild, welches in der Zauberflöte präsentiert wird, unverweilt als wider den aufgeklärten Idealen zu verwerfen. Man kann zwar sicherlich diese These argumentieren, jedoch auch die gegenteilige, dass die aufgeklärten Ideale, folgend der Vorgabe von Logik und Rationalität, auch als begrenzt verstanden werden, und gewisse existenzielle Bedenken einen höheren Stellenwert haben, und in einem Gleichgewicht zu diesen Idealen stehen müssen. Unter dem Deckmantel vermeintlich aufgeklärter Werte werden in der Postmoderne nun Dogmen verbreitet, welche zwar gewissen emotionalen Ansprüchen gerecht werden (das, was der Autor in seinem Buch Epistemologie der Postmoderne als „emotionale Realität“ bezeichnet), sich aber in der Praxis als mangelhaft erweisen, diese Mängel jedoch entweder in der Diskussion unterbunden werden, oder einfach anderen Faktoren zugeschrieben werden. So verschwindet das Problem zwar nicht aus der Realität, wohl aber aus dem Wahrnehmung, welche schliesslich die Erkenntnis der Realität verdrängt und ersetzt.