Wir haben in der Vergangenheit viel zu häufig Antibiotika eingesetzt – und zwar nicht nur in der Human- sondern auch in der Veterinärmedizin. Die Folgen dieses Missbrauchs sind fatal: immer mehr Erreger sprechen heute nicht mehr ausreichend gut auf eine antibiotische Therapie an, und Infektionen, die früher als banal galten, wachsen sich zu lebensbedrohlichen Erkrankungen aus.

Für die Vertreter der Alternativmedizin ist das ein gefundenes Fressen. Sie standen schon immer den Antibiotika kritisch gegenüber  und behaupten nunmehr, dass ihre Therapie die Lösung des Problems biete – allen voran die Homöopathen. Sie argumentieren, dass wir jede Menge Antibiotika einsparen könnten, wenn wir sie durch Homöopathika ersetzen würden. Zweiflern zeigen sie sogar Studien, die dieses Phänomen zu belegen scheinen.  Homöopathisch arbeitende Ärzte verschreiben demnach signifikant weniger Antibiotika,  und wenn ihnen nur mehr Kollegen folgen würden, so wär das leidige Problem der Antibiotika-Resistenz bald in den Griff zu bekommen, behaupten sie.

Diese Logik überzeugt viele. In Bayern hat sogar die Landesregierung beschlossen, hierzu große Forschungssummen zu investieren. Und wieso auch nicht? Die Evidenz scheint den Homöopathie Anhängern doch Recht zu geben. Sogar Prinz Charles ist begeistert und lässt nunmehr sein Kühe homöopathisch behandeln, um Antibiotika einzusparen. Aber andererseits wissen wir recht gut, dass Homöopathika reine Placebos sind.

Wo also liegt der Denkfehler?

Niemand wird allen Ernstes behaupten, dass Homöopathika antibiotisch wirken, also Bakterien abtöten oder ihr Wachstum verhindern – selbst Homöopathen tun das nicht – denn das ließe sich ja sehr einfach im Reagenzglas überprüfen. Somit sind die Homöopathika also kein eigentlicher Ersatz für Antibiotika. Sie sind lediglich Ablenkungsmanöver. Sie ersetzen keine Therapie, sondern vermindern die Wahrscheinlichkeit, dass ein Antibiotikum verschrieben wird.

Ist doch prima, oder?

Nicht wirklich! Denn der gleiche Effekt wäre natürlich auch zu erzielen, wenn bei Infektionen gar kein Medikament - also auch kein Homöopathikum - verschrieben würde. Denn falls eine Infektion nach Gabe von Homöopathika verschwindet, bedeutet das nichts anderes, als dass sie auch von alleine weggegangen wäre.

Tatsächlich ist es so, dass Experten schon seit Jahrzehnten die Ärzteschaft daran erinnern, dass bei vielen banalen Infektionen am besten keine Antibiotika gegeben werden sollten. Ich habe das bereits vor fast einem halben Jahrhundert auf der Uni gelernt. Und in den meisten Leitlinien steht es ebenso seit geraumer Zeit. Mit anderen Worten, die Studien, die implizieren, dass sich durch Homöopathie-Gabe Antibiotika einsparen lassen, zeigen in Wirklichkeit nur, dass banale Infekte oft auch von alleine weggehen und dementsprechend keiner antibiotischen Therapie bedürfen.

Im Klartext heißt das, dass viele von uns - inklusive die Bayerische Landesregierung - auf einen simplen und von Homöopathen kräftigst geförderten Denkfehler hereingefallen sind. Wenn wir weniger Antibiotika verwenden wollen, dann geht das am ehesten dadurch, dass wir weniger Antibiotika verschreiben. Mit Homöopathie oder Alternativmedizin hat das aber rein gar nichts zu tun. Es ist einzig und allein die Umsetzung dessen, was uns die evidenzbasierte Medizin vorgibt und was Ärzte leider viel zu lange missachtet haben.

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