120.000 Menschen folgen Attila Hildmann auf Telegram. Dort wütet er gegen alle Menschen, die er als Feind betrachtet. Das sind Juden, Politiker, Promis und einfach ganz normale Menschen, die nicht wie er an die ganz große Verschwörung glauben. Denn Attila Hildmann beschwört täglich den Untergang des Deutschen Volkes. Gerade das Corona-Virus dient ihm dabei als Grundlage vieler Ideen und neuer Feindbilder. Eines davon, das bin ich.
Dieser Ich, das ist ein kleiner Netzaktivist mit einem noch kleineren Youtube Kanal. Dort veröffentliche ich regelmäßig Videos zu Themen, die mir wichtig sind. Egal ob es dabei um Netzpolitik, die Verrücktheit des Internets oder aber um alltägliche Themen geht. Eines meiner Videos war ein Erfahrungsbericht über die Impfung im Impfzentrum. Dieser ist auch hier auf Publikum nachzulesen. Viele Menschen warten derzeit auf einen Impftermin und informierten und informieren sich deswegen auch über mein Video. Und einige sahen darin einen Angriff auf ihre Überzeugungen und ihren Glauben.
Xavier Naidoo, Michael Wendler und Attila Hildmann
Über Umwege teilten sie mein Video auf Telegram in einer Gruppe, welche sich selbst "Daumen Runter Blitzkrieg" nennt. Als Logo nutzt sie SS-Runen und hat sich darauf spezialisiert Kanäle und Nutzer*innen mit Hass und Wut zu überschütten. Dahinter steht der Autor veganer Kochbücher, Attila Hildmann. Neben Xavier Naidoo und Michael Wendler ist er eine der drei Galionsfiguren des rechten bis rechtsextremen Lagers der Querdenken-Bewegung. Auf Telegram folgen seinem öffentlich einsehbaren Hauptkanal knapp 120.000 Menschen. Teilweise mehrmals in der Minute bekommen sie Nachrichten von Hildmann zugespielt. Teilweise wirr, manchmal beleidigend aber immer voller Hass, voller Antisemitismus und immer auf Krawall gebürstet. In besonders manischen Phasen kommt Hildmann auf bis zu 100 Nachrichten am Tag.
Die Geschichte vom gekauften Youtuber
In einer dieser Nachrichten fand auch mein Kanal eine Erwähnung. In einem geteilten Beitrag von "Daumen Runter Blitzkrieg" empfahl er seinen Jüngern den "gekauften Youtuber" zu attackieren. Kurz darauf strömten mehr als eintausend Nutzer auf meinen kleinen Kanal und überzogen ihn mit negativen Kommentaren und negativen Bewertungen. Viele davon persönlich beleidigend und bedrohend. Davon bekam ich jedoch alles erstmals nichts mit. Anders als Attila Hildmann und viele seiner Anhänger neige ich nämlich dazu zwischen 24 und 7 Uhr zu schlafen. Am nächsten Morgen hatten sich dadurch bereits unzählige Bewertungen und Kommentare angehäuft. Die erste Reaktion: Schock. Unsicherheit. Vielleicht auch ein bisschen Traurigkeit.
Immerhin steckt in jedem Video Zeit und Mühe. Gerade am Anfang ist es eine Aufgabe sich selbst, seinen Ton und vor allem auch die richtige Technik zu finden. Eine Flut aus negativen Bewertungen und Kommentaren tut daher sehr weh. Doch mit der Zeit wichen dieses Gefühl vor allem einer Emotion: Verblüffung. Denn, Freunde und Bekannte, die den Kanal von Hildmann immer wieder kritisch beobachten, informierten mich über meine Erwähnung in seinem Hass-Netzwerk. Die Menschen, die gerade also auf meinem Kanal wüteten, waren nicht wegen meines Videos oder seiner Qualität sauer. Sie sahen in mir einen Feind, den sie im Auftrag ihres Anführers vernichten mussten.
Mitten im Shitstorm
Wenn Medienhäuser, Unternehmen, Journalisten oder Promis von so einer Welle des organisierten Hasses erwischt werden, spricht man von sogenannten Shitstorms. Wie auf sie am besten zu reagieren ist, ist eine Frage der Medientheorie und Experten verdienen viel Geld damit sie zu beantworten. Für mich selbst war klar: Humor und ein bisschen Ironie sollen meine Strategie sein. Neben hoffentlich möglichst lustigen Antworten auf gemeine Kommentare produzierte ich auch eine Antwort im Form eines Videos. In diesem beschrieb ich meine Gefühlslage und wie ich die Situation empfand. Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte. Auf jeden Fall war einer meiner ersten Zuschauer Attila Hildmann.
Die Antwort seiner Follower folgte rasch. Innerhalb weniger Stunden folgten viele hunderte negative Kommentare und Reaktionen - gefüllt mit Hass und Wut. Der erste Shitstorm verblasste im Licht des zweiten Angriffs. Wie reagieren? Nun... meine erste Reaktion war ein Blick auf den Account von Attila Hildmann, welcher Adolf Hitler verehrt, Antisemitismus beschwört und die Ermordung von Politikern und Kritikern fordert. Wer ihm folgt, der stellt sich zumindest hinter all diese Äußerungen. Und kommentiert nun auch auf meinen kleinen Youtube Kanal.
Wie begegnet man dem absoluten Wahnsinn?
Ich habe keine gute Antwort wie man mit solchen Menschen umgeht. Und wie man richtig auf so einen Hass reagiert. Ich für meinen Teil habe jedoch beschlossen mit Humor zu reagieren - und über das Positive zu sprechen. Immerhin haben sehr viele Menschen sich hinter mich gestellt, mich verteidigt und mir den Rücken gestärkt. Nicht nur durch Abos und nette Kommentare, sondern auch dadurch, dass sie sich gegen die aggressiven Querdenker stellten und mir damit das Gefühl gaben: du bist nicht alleine. Und das bedeutet mir sehr viel. Und dafür bin ich dankbar. Denn: koordinierten Hass kann man nur gemeinsam besiegen.
Diese Lehre möchte ich daher herausstreichen: In Zeiten in denen sich einige wenige zu gewaltigen Massen im Internet zusammenschließen können, braucht es eine Zivilgesellschaft, welche auch im digitalen Raum sagt: hier ist Schluss. Denn, wenn wir alle gemeinsam wegsehen, gewinnen die wenigen lauten Schreihälse, deren Strategie Einschüchterungen und Bedrohungen beinhalten. Nur gemeinsam können wir dieser Wut etwas entgegensetzen. Damit wir nicht Opfer werden eines brüllenden Scheinriesen, der in Wirklichkeit ein kleiner brauner Gnom voller Hass ist.