Seid ihr bereit für den Abschluss des Themas POTS nach HPV? Ich auch. Es war ein langer weg, doch wir nähern uns dem Ende. Nach weiterer Recherche, die ich meistens betreibe, wenn ich eigentlich fertig bin, konnte ich noch eine weitere Arbeit von Mehlsen finden, die sich ebenfalls POTS widmet und im Grunde genauso miserabel ist. Die verlinke ich hier nicht, sondern verweise dankend auf den Artikel der Ruhrbarone10, die im Rahmen einer Kritik an Impfgegnergeschwurbel im SWR dieses Thema aufgegriffen haben:

Aber nicht nur der hat sich diesem Märchen gewidmet. Der Report Mainz11 (ARD, vom 19.12.2018) hat das Thema in einem wirklich miserablen achtminütigen Beitrag aufgewärmt. Sogar ein Interview mit Mehlsen war dabei, wo er sich unwidersprochen als Experte einbringen durfte und bestätigte, dass es hunderte solcher POTS-Impfschäden gäbe, die ja nachweislich gar keine sind. Dazu möchte ich nach einer kurzen Zusammenfassung nochmal meine zwei Cent abgeben.

Zusammenfassung

Als Aufhänger wird die Geschichte eines Mädchens erzählt, dass die Symptome von POTS nach einer HPV-Impfung erlebte. Sie sei kaum in der Lage, am Alltag teilzunehmen, musste ihren Lieblingssport aufgeben. Ihre Mutter fühlt sich nicht ernst genommen, sie habe sich auf die Aussage des BZgA verlassen, dass die Impfung nebenwirkungsfrei wäre. Ihr Kinderarzt hat vermutlich im Interview eine vernünftige Einschätzung des Zustandes abgegeben, wird aber nur mit wenigen Sätzen eingespielt, in denen er den zeitlichen Zusammenhang darstellt und wie er dementsprechend die Nebenwirkung meldete. Im weiteren Verlauf wird aber nicht mehr von Nebenwirkung gesprochen, sondern von einem Impfschaden. In der nächsten Szene kommt Prof. Ingrid Mühlhauser zu Wort und bestätigt, dass die Informationen aus der Broschüre des BZgA in ihrem Wortlaut falsch wären und Risiken heruntergespielt würden. Danach erfolgt eine Erklärung der Wirkung der Impfung und ihrer Effektivität. Dann jedoch kommt Mehlsen zu Wort und schwurbelt Unsinn. Gleich darauf wird noch das Vorgehen in Japan zitiert, wo die HPV-Impfungen aus den Empfehlungen entfernt wurden. Das BZgA verweigere Auskunft und verweise auf das PEI, welches korrekt angibt, dass auch schwere Nebenwirkungen in den Zulassungsstudien festgestellt wurden. Zur Einschätzung dieser wird dann Jörg Schaaber von Bukopharma befragt, der ebenfalls zu Recht die Eingriffe von Lobbyisten in die Politik bemängelt. Zum Abschluss darf noch Klaus Hartmann seine Kritik am Impfgedanken abgeben, am Ende erklärt das BZgA der Mutter, es könne statistisch keinen Zusammenhang zwischen Impfung und Zustand ihrer Tochter geben.

Hjech. Nicht zufriedenstellend. Ganz und gar nicht.

Immerhin wurde die Geschichte der Nebenwirkung wirklich umfassend betrachtet. Leider fehlen etliche Erklärungen und berechtigte Kritik verwässert in unsinnigem Gewäsch.

Erstmal die Nebenwirkung des Mädchens. Der zeitliche Zusammenhang besteht, kein Zweifel. Einen kausalen Zusammenhang herzustellen ist schwierig, für die Anerkennung eines Schadens aber nicht erheblich. Das wurde nicht erwähnt. Ebenso unerwähnt blieb die Tatsache, dass es sich im beschriebenen Fall gar nicht um einen Impfschaden handelt, da der Zustand reversibel war. Nach 3 Monaten waren die meisten Symptome vergangen, was dann auch gegen POTS spricht. Das macht die Erfahrung des Mädchens nicht besser, aber hinterlässt im Gegensatz zu dem Beitrag auch nicht das Gefühl, dass da eine Impfung das Leben ruiniert hätte. Mangelhafte journalistische Arbeit zugunsten emotionaler Beteiligung der Zuschauer oder auch Clickbait genannt.

Die Mutter hat sich laut ihrer Aussage auf eine Broschüre des BZgA verlassen, dass es keine schweren Nebenwirkungen im Zusammenhang mit der HPV-Impfung gäbe. Da hätte man angeben müssen, dass ihre Tochter auch keine solche erlebt hat. Nun ist der Schweregrad für Betroffene unerheblich, rein objektiv kam es aber zu keinem Zeitpunkt zu einer lebensgefährlichen Situation, noch war der Zustand dauerhaft. Daher handelt es sich nicht um eine schwere Nebenwirkung.

Die Broschüre des BZgA war zu dem Zeitpunkt jedoch tatsächlich inhaltlich falsch. So sehr ich auch den Hintergedanken respektiere, in Zeiten der Desinformation nicht unnötig Ängste zu schüren und daher schwere Nebenwirkungen nicht in den Fokus setzen möchte, so falsch ist es aber auch, diese nicht nur zu verschweigen, sondern gar zu leugnen. Die Studien sind für jeden einsehbar und damit auch eine detaillierte Auflistung und Einschätzung der Nebenwirkungen. Zwar versteht die wohl nicht jeder, aber sie sind da. Gerade von der Bundeszentrale für gesundheitliche AUFKLÄRUNG erwarte ich, dass auch tatsächlich Aufklärung betrieben wird. Argumente für die Impfung gibt es mehr als genug, was im Beitrag von Report Mainz anschließend auch bestätigt wird. Man muss dafür nicht die Methoden von Impfgegnern kopieren.

Sowohl Frau Prof. Mühlhauser als auch Herr Schaaber geben fachlich korrekt an, dass die Broschüre inhaltlich falsch sei und vermutlich auch Lobbyismus zu diesen verzerrten Angaben geführt haben. Keiner war dabei, als die Broschüre verfasst wurde, aber es liegt im denkbaren Rahmen. Leider wird ihnen beiden zusammen nicht einmal die Zeit eingeräumt, die Jesper Mehlsen bekommt. Und der lügt nun mal wie gedruckt mit seinen über 800 schwer durch die Impfung geschädigten Mädchen. Das haben wir ja bereits besprochen.

Das Vorgehen Japans mit einzubringen ist nun wirklich der Gipfel. Mit Journalismus hat das nichts mehr zu tun. An dieser Stelle zeigt sich lediglich die Einstellung der „Reporter“, HPV-Impfungen möglichst schlecht darzustellen. Wie auch im Titel „Werden Risiken systematisch verschwiegen“, wenn lediglich eine Behörde sie verheimlicht, während alle anderen ihre Möglichkeit einräumen. Das ist negatives Framing, um den Zuschauer in seiner Meinungsbildung zu beeinflussen und eigentlich dem ÖR grundsätzlich untersagt.

Die Aussagen zu Japan sind derart falsch, dass ich dazu noch einen eigenen Beitrag bringen werde. Im Moment ist nur wichtig, dass saubere journalistische Arbeit diesen Einwurf verhindert hätte.

Was noch fehlt ist also der Einwurf von Hartmann, der als „Gutachter für Impfschäden“ seine Meinung abgeben darf. Dazu kann man nur sagen, dass seine Meinung zumindest vor Gericht nicht viel wert ist. Seine Tätigkeit als „Gutachter“ ist nur ein Vorwand, um Eltern Impfschäden einzureden und sie dann abzukassieren. Seine mittlerweile gelöschte Homepage (seit 2018 ist er hauptberuflich als Berufsmediziner tätig) warb mit der Aussage:

„Profitieren Sie von dieser in Deutschland (und vermutlich ganz Europa) einmaligen Expertise unserer Praxis. Glauben Sie nicht unbedingt sofort die Aussage, dass etwas ‚mit der Impfung nichts zu tun hat‘. Auch moderne Impfstoffe haben Nebenwirkungen, oft harmlose und sehr selten schwere. Aber genau diese müssen auch als impfbedingt erkannt werden, sonst ändert sich der ‚wissenschaftliche Kenntnisstand‘ nie.“

Die tatsächliche Expertise vermissten seine Kunden, denn in keinem einzigen Verfahren, bei dem er auftrat, wurde ein Impfschaden gerichtlich anerkannt. Sollte es jemandem gelingen, mir ein solches Urteil zu präsentieren, ändere ich den Absatz gerne. Wahrscheinlich ist das aber nicht.

Reicht? Noch nicht ganz. Um all dem noch einen draufzusetzen, gab es zu dem Beitrag auch noch ein Autorengespräch12mit den Verantwortlichen. Die unglaubliche Ahnungslosigkeit der beiden „Journalistinnen“ offenbart sich da erst recht.

Zu Beginn erfolgt natürlich die ewig gleiche Aussage, sie seien gar nicht gegen Impfungen und es ginge ihnen ja nur um ausgeglichene Informationswiedergabe (false balance), aber schon nach 32 Sekunden schießt Manuela Dursun den Vogel ab mit der Behauptung, die HPV-Impfung sei viel weniger nützlich als eine Masernimpfung und viel risikoreicher. Wo bitte schön hat sie denn die steile These her? Je nach Impfschema bieten beide nach Abschluss ca. 95% Schutz. Bis 2020 wurden weltweit mehrere Milliarden Impfdosen verschiedener Hersteller der Impfstoffe verabreicht und tatsächlich Impfschäden bewegen sich bei allen zugelassenen Impfstoffen noch nicht einmal im Promillebereich. In der Wirksamkeit und Sicherheit sind sich HPV- und Masernimpfstoffe sehr ähnlich. Hinzu kommen dann noch die kaum zu beziffernden sekundären Erfolge. In Kanada oder Australien konnten seit Einführung der HPV-Impfungen Infektionen mit den Hochrisikotypen, die später Krebs verursachen, um über 95% gesenkt werden. Die Krebsneuerkrankungen durch HPV wurden bereits zu über 60% gesenkt. Bedenkt man den Zeitraum seit Einführung sind das in beiden Ländern mehrere Millionen Menschen, die effektiv vor Krebs geschützt wurden. Die Masernimpfungen hingegen schützen zwar nicht vor späteren Krebsinfektionen, aber vor dem Verlust des Immungedächtnisses sowie vor der tödlichen Folgeerkrankung SSPE. In beiden Fällen ist das Interesse des Staates an einer durchgeimpften Bevölkerung sehr hoch, da dadurch Milliarden an Behandlungskosten eingespart werden können. Das rechtfertigt nicht die Falschaussagen in der Broschüre des BZgA, aber allein aufgrund dessen muss man die Impfung auch nicht künstlich schlecht reden.

Als würde das nicht reichen, fabuliert Frau Dursun gleich darauf, dass die von ihr präsentierten Informationen wichtig wären, um Impfschäden anerkennen lassen zu können. Zitat: „Dann geht’s vor Gericht, und dann fragen die Richter natürlich: ‚ist das möglicherweise tatsächlich eine Folge einer Impfung?‘ Und wenn dann das Robert-Koch-Institut, das Paul-Ehrlich-Institut sagen: ‚nein, nein, ne ne, ne… ähm, ähhhh, ne HPV-Impfung hat überhaupt keine schweren Nebenwirkungen‘, dann sagt `n Richter natürlich: ‚Na dann kann ich das auch nicht als Impfschaden anerkennen.“

Uff. Nein, verdammt, von vorn bis hinten falsch. Bevor irgendwas vor Gericht geht, muss erstmal das Meldeverfahren eingehalten werden. Zuständige Ärzte melden eine „über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung" an das Paul-Ehrlich-Institut, damit die Reaktion überhaupt erst erfasst wird. Betroffene in der EU können Verdachtsfälle und Reaktionen auch selbst an das PEI und die Hersteller übermitteln. Ein Impfschaden selbst ist dann die gesundheitliche und wirtschaftliche Folge dieser Reaktion und ein Antrag auf Anerkennung kann dann auch von Betroffenen oder Angehörigen direkt beim Versorgungsamt ihres Bundeslandes gestellt werden. Das läuft unabhängig von der Meldung der Impfreaktion. Zusätzlich muss dann noch der „"Antrag auf Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz" gestellt werden, ebenfalls beim jeweiligen Versorgungsamt. Das Gesundheitsamt kann dann auch über die notwendigen Unterlagen, den weiteren Verlauf, Meldefristen etc. beraten. Für die Anerkennung ist kein tatsächlicher Nachweis nötig, dass die Impfung den Zustand bewirkt hat. Es reicht lediglich die Wahrscheinlichkeit, dass es so sein könnte. Daher sollte man ja auch immer die Nebenwirkungen melden. Wenn kurz nach der Impfung eine unerwartet starke Reaktion und Schädigung auftritt, womöglich mit Symptomen, die auch bereits berichtet wurden, und aus den Unterlagen keine plausible andere Erklärung hervorgeht, dann wird der Antrag auch ohne Gericht bewilligt. Der Weg führt erst zum Sozialamt, wenn eine etwaige Schädigung nicht wahrscheinlich durch die Impfung bewirkt wurde. Beispielsweise, wenn ich wie ein typischer Impfgegner keine Nebenwirkung melde, weil Big Pharma oder irgendwas. Und dann erst Monate nach Auftreten der Symptome die Anträge stelle, am besten dann, wenn sie gar nicht mehr akut sind. Dann wird das nix.

Wirkt übrigens auch komisch, wenn man von vornherein mit einem Gutachter kommt, der den Schaden schon bestätigt. Man kann zwar einen engagieren, aber in der Regel stellen Versorgungsamt oder Gericht Gutachter an.

Und um zu der zweiten Hälfte des obigen Zitats zu kommen: In dem Fall, Frau Dursun, dass es vor Gericht geht, sind zwar die Aussagen von PEI und RKI wichtig - das ist aber kein Grund für ihren schlecht recherchierten und falsch ausgeglichenen Beitrag, indem konkret als einzige Partei, die Impfschäden verheimlichen oder kleinreden wollte, das BZgA genannt wurde. Das RKI haben Sie nicht befragt, das PEI hat ihnen direkt geantwortet und erklärt, dass die Aussagen aus der Broschüre nicht gültig sind!

Geht es noch schlimmer? Aber natürlich, das beweist im letzten Teil ihre Kollegin Monika Anthes, die ja zu Besuch bei dem Kind aus dem Beitrag gesehen haben will, dass „niemand das Kind behandelt.“ Was ist das denn für eine unmögliche Aussage? Die Diagnose steht doch. Der Kinderarzt hat die Diagnose gestellt und übermittelt. Es gibt eine konkrete Therapie. Sollte keine stattfinden, dann ist die einzig logische Erklärung, dass der vorgestellte „Impfschaden“ tatsächlich gar keiner ist. Denn wir leben hier in einem Land mit einem umfassenden Gesundheitssystem. Wir leben dermaßen in Wohlstand, dass wir sogar auf Kassenleistung Zuckerkügelchen erstatten. Und da will diese Frau allen Ernstes behaupten, dem Kind würde eine Behandlung verweigert? Sorry, aber dann ist an der Geschichte nichts dran.

Quellen:

10        https://www.ruhrbarone.de/oeffentlich-rechtliche-impfkritik/161503/

11        https://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/report-mainz/werden-risiken-systematisch-verschwiegen-102.html

12        https://www.ardmediathek.de/video/report-mainz/autorengespraech-werden-risiken-systematisch-verschwiegen/das-erste/Y3JpZDovL3N3ci5kZS9hZXgvbzEwODA3Nzk