Der drohenden Vereinsamung entgehe ich, indem ich exzessive und ausführliche Selbstgespräche führe. Das bringt mich auch geistig extrem weiter.
Denn ich diskutiere gerne auf Augenhöhe. Und meine Meinung ist mir sehr wichtig. Hin und wieder, als auch ab und zu komme ich jedoch an meine Grenzen.
Da bin ich dann mit mir und meiner Argumentation nicht einverstanden.
Gerade bei philosophischen Grundsatzthemen liege ich mit mir häufig im Clinch. Zwar toleriere ich mich als Mensch, jedoch fühle ich mich zuweilen missverstanden. Ja ich verspüre dann sogar eine gewisse Feindseligkeit. Dann ziehe ich mich meist zurück und vermeide so jegliche Konfrontation. Tagelang gehe ich mir aus dem Weg, wobei sich das im Alltag als recht schwierig erweist. Ich meide zwar den Blick in den Spiegel, jedoch bringt dies äußerliche Einbußen mit sich, wie ich schmerzhaft feststellen musste. Blutüberströmt musste ich den Versuch einer Rasur beenden, da mir das Heftpflaster ausging. Und Blutkonserven hatte ich auch keine mehr vorrätig, die meine bleichen Wangen wieder mit Farbe versorgen konnten. Als wandelnder Leichnam erschreckte ich meine Lieblingsbäckereifachverkäuferin, die, aus Solidarität zu mir, sich beim Halbieren meines gewünschten Brotes, in den Mittelfinger schnitt. So konnte es nicht weitergehen, wie ich einsehen musste.
Bloß weil ich einige Unstimmigkeiten mit mir hatte, konnte ich ja nicht zulassen, dass sich, nur mir zuliebe, die Menschheit sich zum Ausbluten veranlasst sieht. Andererseits sah ich jedoch eine gewisse Wertschätzung für mich in ihrem Handeln, was mich wiederum glücklich machte. Es gibt eben doch noch Menschen, denen ich nicht egal bin. Dennoch sah ich den Augenblick gekommen, wieder auf mich zuzugehen. Als der Klügere sah ich mich in der Pflicht, den ersten Schritt zu gehen. Den ein Fünkchen Eigenliebe blühte ja noch im Verborgenen. Und ich wollte es aus dem Dunkeln ins Licht zerren.
Dazu wählte ich einen neutralen Ort aus und entschied mich für eine Parkbank, in unmittelbarer Nähe der Universitätsklinik. Man weiß ja nie, wie sich so eine Aussprache entwickelt. Denn das Böse ist unberechenbar.
Per Einschreiben mit Rückschein übermittelte ich mir mein Ansinnen, sowie Datum und genauen Ort, als auch eine von mir festgesetzte Uhrzeit, die ich unbedingt einzuhalten hätte. Denn ich hasse nichts mehr als Unpünktlichkeit. Einige der wenigen Gemeinsamkeiten, die uns verbindet.
Überpünktlich erschien ich an der angegebenen Parkbank und stand vor einem unüberwindlichen Problem. Die notwendige Aussprache, die dem Erhalt der Menschheit dienen sollte, erwies sich als ernstlich gefährdet.
Denn obwohl ich eine rechtzeitige Platzreservierung beim zuständigen Grünamt der Stadt schriftlich eingereicht hatte, war die Parkbank okkupiert, von einer obskuren Person. Sofort stellte ich ihn zur Rede. Jedoch erwies er sich als wenig bis gar nicht kooperativ.
Auch schien ihn die Menschheit, wie er sich ausdrückte, am Arsch vorbeizugehen.
Ich empörte mich in angemessener Weise und warf ihm vor, bewusst die Welt zu zerstören. Leider war er geistig nicht in der Lage meiner Argumentation zu folgen.
Ich sah keinen anderen Ausweg, als aushäusliche Gewalt einzusetzen und ihn von der Bank zu zerren. Leider war er mir kräftemäßig leicht bis mittelschwer überlegen. Aber in weiser Vorausschau hatte ich ja die Parkbank in Nähe der Uniklinik ausgewählt, was mir nun zugutekam.
Bedauerlicherweise musste ich zwar den Ortstermin mit mir au unbestimmte zeit verschieben, da mir doch meine Gesundheit am Herzen lag.
In den folgenden zwei Wochen, in denen ich mich meiner Rekonvaleszenz widmen konnte, fand ich auch wieder zu mir. Ich konnte alle Diskrepanzen ausräumen und war wieder mit mir im reinen. Manchmal lösen sich einfach schwerwiegende Probleme von selbst. Entweder durch das Ignorieren derer, dem Verlangen wieder miteinander zu sprechen oder aber durch die plötzlich eingetretnen äußerliche gewalttätige Umstände, die einen erkennen lassen, was das Leben ausmacht. Von nun an achte ich verstärkt darauf, mich weniger mit mir anzulegen, und bemühe mich, mich meiner Meinung mehr anzuschließen. Dies gebietet der Respekt vor mir. Nur so ist es möglich, ein friedliches Miteinander zu garantieren. Denn es dient nicht nur meiner persönlichen Zufriedenheit, sondern es ist auch ausschlaggebend für den weiteren Erhalt der menschlichen Rasse. Wobei, wenn ich ehrlich bin, auf den ein oder anderen könnte ich gut verzichten. Aber das ist ein anderes Thema und in dem Punkt liege ich mit mir noch hoffnungslos überkreuz. Jedoch gebe ich nicht auf an das Gute zu glauben und eines Tages werde ich sicher wieder mit mir einen Umgang pflegen, der geprägt ist von gegenseitiger Achtung und Wertschätzung. Bis es jedoch so weit ist, habe ich einen praktikablen Weg gefunden, mich nicht mehr von mir abhängig zu machen.
Ich lasse mir solange einen Bart wachsen, der mir Mahnung und Warnung zugleich sein soll. Man muss sich eben nur zu Helfen wissen.
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