Das hat aber gerade für mächtig Aufregung gesorgt: Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock hat angekündigt, dass sie im Falle eines Wahlsiegs ihrer Partei den Benzinpreis schrittweise um 16 Cent pro Liter anheben möchte (s. hier). Dies soll dabei helfen, dass Deutschland seine Klimaschutzziele erreichen kann, wozu der Verkehr bisher doch recht wenig beiträgt. An und für sich ein guter Ansatz, wie ich finde, nur leider noch reichlich unausgegoren.
Natürlich regen sich die deutschen Autonarren und auch zahlreiche Politiker, die sich als Dienstleister der Automobilindustrie sehen, über diesen Vorschlag ziemlich auf. Doch es gibt auch Zustimmung, wie beispielsweise von Detlef Reepen in einem Kommentar für den WDR, der betont, dass die jahrzehntelange Untätigkeit beim Klimaschutz nun eben zu schmerzhaften Maßnahmen führen würde. Das stimmt sicherlich, aber dann doch bitte nicht so unausgeglichen und wenig visionär, wie eben einfach nur (den „heiligen“ Marktmechanismen folgend) über den Preis zu gehen.
Ich finde auch, dass Sprit viel zu billig ist. Das sieht man ja schon daran, wie viele Leute nach wie vor jeden kleinen Weg mit dem Auto zurücklegen. Und auch dass immer mehr riesige PS-Schleudern auf den Straßen rumfahren, spricht sehr dafür, den Sprit doch mal teurer zu machen. Andererseits: Wer einen 400-PS-SUV fährt, dem ist es vermutlich auch vollkommen schnuppe, wie teuer das Benzin ist – sonst würde er ja nicht so eine Kiste haben, sondern einen Wagen, der deutlich weniger schluckt.
Womit ich aber bei Baerbocks Idee schon so ein bisschen ein Problem habe: Menschen können sich heutzutage vor allem auch wegen der hohen Mieten nicht aussuchen, wo sie leben, sodass sie häufig gezwungen sind, eine Wohnung zu beziehen, die nicht gerade dicht dran an ihrer Arbeitsstätte ist und eventuell auch keine gute Anbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln hat.
Und dann ist ja Arbeit nach wie vor auch noch Mangelware, sonst gäbe es nicht so viele Arbeitslose und Menschen, die gern mehr arbeiten würden. Dazu kommt, dass aufgrund der jahrzehntelangen Reallohnstagnation in vielen Familien beide Partner arbeiten müssen, um über die Runden zu kommen, sodass es noch mal schwieriger wird, Wohnen und Arbeiten in eine räumliche Nähe zu bekommen. Und seinen Job einfach so kündigen möchte auch niemand im Angesicht der Drohkulisse des Hartz-IV-Regimes.
Die Menschen werden also quasi zur Mobilität genötigt, und dem liegen eben auch wohnungs- und arbeitspolitische Entscheidungen zugrunde.
Wenn man nun den Sprit teurer machen möchte, was ich, wie gesagt, grundsätzlich begrüßenswert finde, dann sollte man vielleicht erst mal für die Menschen, die auf Mobilität angewiesen sind, Alternativen schaffen.
Das könnte dann kurzfristig ein Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) sein, der dann am besten kostenlos benutzt werden kann. Doch nicht nur die Quantität gilt es hier zu erhöhen, sondern auch die Qualität. Es gibt ja genug Ecken in Deutschland, wo nicht nur keine Busse und Bahnen fahren, sondern wo das auch nicht sinnvoll ist, weil nur wenige Menschen dies überhaupt nutzen würden. Und ein großer Bus, der mit drei Fahrgästen durch die Gegend fährt, ist nicht wirklich ökologisch. Also könnte man beispielsweise mit (gern auch elektrisch betriebenen) Kleinbussen einen flexiblen und individuellen Transport der Menschen anbieten. So in Richtung Sammeltaxi, nur eben im ÖPNV integriert. Und auch kostenlos.
Zugleich sollte man Radwege massiv ausbauen, Konzepte verbessern, bei denen Fahrrad und ÖPNV kombiniert werden, öffentliche Leihfahrräder bereitstellen und Innenstädte autofrei machen.
Apropos Autos, an die müsste man natürlich auch ran. Ein Tempolimit auf Autobahnen will Baerbock ja auch einführen, was schon mal recht löblich ist, denn das verringert auch schon mal die CO2-Emissionen. Ich würde aber noch einen Schritt weitergehen und keine Neuwagen mehr zulassen, die einen Verbrauch von über – sagen wir mal – fünf Liter auf 100 Kilometern haben. Natürlich ohne Betrug ermittelt. Und genauso könnte man eine Gewichts- und PS-Obergrenze für Pkw einführen. Da könnten dann nicht nur beim Verbrauch, sondern auch schon bei der Herstellung richtig viel Ressourcen eingespart werden.
Langfristig müsste zugesehen werden, die Distanz zwischen Wohnen und Arbeiten generell zu verringern. Da wäre zum Beispiel ein Vorgehen gegen die immer mehr aus dem Ruder laufenden Mieten angebracht. Und die Digitalisierung müsste vorangebracht werden, damit mehr Arbeiten von zu Hause aus gemacht werden können. Lohnerhöhungen wären auch sinnvoll, denn dann müsste vielleicht in vielen Familien nur noch eine Person einer Lohnarbeit nachgehen. Und Arbeitszeitverkürzungen würden dazu beitragen, dass die Menschen nicht so gehetzt auf ihren Wegen wären, sondern sich ein bisschen mehr Zeit lassen könnten.
Und dann, wenn das alles getan ist, dann könnte man auch den Spritpreis anheben. Und das würde dann wohl wirklich kaum noch jemanden großartig stören.
Das Problem dabei: So etwas ist in unserer derzeitigen neoliberalen Wirtschaftsordnung nicht möglich, und dieser sind letztlich auch die Grünen sehr ergeben. Denn hierfür bräuchte es einen aktiven und regulierenden Staat, öffentliche Investitionen und vor allem eine Politik, die nicht nur darauf ausgerichtet ist, absurd hohe Vermögen einiger weniger noch weiter anwachsen zu lassen. Wer allerdings meint, dass in diesem System auch wirksam gegen die drohende Klimakatastrophe vorgegangen werden kann, der sucht sich dann eben solche „Feigenblätter“ wie eine Benzinpreiserhöhung …
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