Boris Becker wurde in Großbritannien zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt, weil er seinen Insolvenzverwaltern ein paar Millionen an Werten verschwiegen hat. Nun kommt er nach circa einem halben Jahr wieder auf freien Fuß – was man gerade letzte Woche in zahlreichen Medien lesen und hören konnte (z. B. hier).

Ich muss gestehen, dass ich als Teenager Boris Becker durchaus sympathisch fand und viele Stunden vor der Glotze verbracht habe, um ihm beim Tennisspielen zuzusehen. Seine Art zu spielen war spektakulär und attraktiv, und auch in der Niederlage zeigte er meistens Größe.

Nach seiner aktiven Laufbahn hat er dann allerdings vor allem in der Klatschpresse für Schlagzeilen gesorgt: ständig neue Liebschaften, Scheidungen, uneheliche Kinder … Und spätestens als er für irgendwelche Online-Poker-Portale Werbung gemacht hat, konnte man sich denken, dass da einiges nicht so ganz rund läuft im Leben des ehemaligen Tennisidols.

Na ja, nun ist er nicht der erste Sportler, der nach seiner Karriere dann auf die schiefe Bahn gekommen ist, und offensichtlich hat er sich eben auch nicht besonders pfiffig dabei angestellt, seine verdienten Millionen dann so anzulegen, dass er damit bis ans Ende seines Lebens gut auskommen kann. Und wenn er dann noch Schmu betreibt, wenn er schon mal Insolvenz anmelden muss, dann spricht das auch nicht eben für Cleverness. Aber sei’s drum, dafür ist er dann ja auch verurteilt worden und ins Gefängnis gekommen.

Und auch wenn die nun gerade vollzogene Haftverkürzung wohl in erster Linie mit einem Abschiebegesetz zur Entlastung britischer Gefängnisse zu tun hat, so bleibt doch das „Geschmäckle“, dass prominente Straftäter mal wieder besser behandelt werden als Normalbürger, die sich etwas haben zu schulden kommen lassen.

Wobei das nicht für alle prominenten Gefangenen gilt. Und damit wären wir nämlich auch schon bei einem sehr krassen Gegenbeispiel, nämlich Julian Assange.

Der sitzt nach wie vor in Großbritannien in Haft, und das wohl auch unter sehr üblen Bedingungen, und wartet dort auf seine Auslieferung in die USA, wo ihm mit großer Wahrscheinlichkeit noch Übleres widerfahren dürfte.

Sein Verbrechen: Er hat Informationen über Kriegsverbrechen des US-Militärs in Afghanistan und im Irak auf seiner Plattform Wikileaks publiziert. Also letztlich journalistisch gearbeitet, wobei er keine Falschinformationen verbreitet hat, sondern nur gut belegte Tatsachen.

Da kann man sich nun fragen, was daran überhaupt ein Verbrechen sein soll, und genau das beschäftigt ja auch (leider viel zu kleine) Teile der Öffentlichkeit seit einigen Jahren.

Aber während um Boris Becker, seine Verurteilung und jetzige Freilassung nun ein ziemliches mediales Bohei gemacht wird, verrottet Assange weitgehend außerhalb des öffentlichen Fokus in seinem Verlies. Und das, obwohl eigentlich ein viel größeres öffentliches Interesse am Fall Assange bestehen sollte, denn schließlich geht es dabei auch um nichts Geringeres als die Bewahrung des hohen demokratischen Gutes der Pressefreiheit, die von Assanges Anklägern gleich mit ramponiert wird.

Wieso wird weder politisch noch medial gerade mal laut und vernehmlich die Frage gestellt: „Hey, wenn ihr schon einen abgehalfterten Ex-Sportprofi, der zum windigen Finanzbetrüger wurde, aus dem Gefängnis abschiebt, warum dann nicht jemanden, der dabei geholfen hat, richtig üble Kriegsverbrechen aufzudecken?“ Assange ist nämlich auch kein britischer Staatsbürger.

Aber mit so einer Frage würde man sich ja beim „großen Bruder“ USA nicht eben beliebt machen, und dann stellt man eben menschenrechtliche Ambitionen gern mal hintenan – auch wenn die Gelegenheit dafür gerade super wäre und durch die öffentliche Aufmerksamkeit für den Fall Becker auch ordentlich Resonanz finden dürfte.

Und so werden die Menschen im Land eben mit den Trivialitäten von Beckers Entlassung abgespeist, während Julian Assange (den bestimmt nach wie vor weniger Menschen hierzulande kennen dürften als Boris Becker, was auch wieder bezeichnend für unseren Zeitgeist ist) weiter in Haft bleibt.

Manchmal wünsche ich mir den politischen Spirit der 68er wieder zurück …

Dir gefällt, was Karl Haas schreibt?

Dann unterstütze Karl Haas jetzt direkt: