Über Ostergrüße freut man sich immer … fast immer. Am Ostermontag erhielt ich eine Email, die ich eher bedenklich finde. Es handelt sich offensichtlich um ein Rundschreiben von Homöopathen:

Liebe/r edzard,

wir senden dir herzliche Feriengrüße. Das Fest der Auferstehung Christi steht als Symbol des Neubeginns und der Hoffnung.

In diesen turbulenten Zeiten ist das für viele von uns ein bedeutsames Fest und Friedenszeichen.

Auch die Homöopathie steht mehr denn je im Zeichen der Auferstehung und des Aufbruchs. Warum können wir das so zuversichtlich behaupten? Laut einer Studie im angesehen British Medical Journal vom 16. März 2022 ist die so häufig zitierte und geforderte evidenzbasierte Medizin letztlich als Illusion zu betrachten. Dies liegt daran, dass die Pharmaindustrie die Studien finanziert und daher negative Ergebnisse einfach nicht veröffentlicht. Außerdem werden lediglich Studien durchgeführt, die im Anschluss einen lukrativen Gewinn versprechen. Intuitiv wussten wir das alle schon, aber dass es dazu eine Studie gibt, die dieses Wissen offiziell bestätigt, ist wahrlich bahnbrechend.

Anbei findest du den Link zu dieser Studie und kannst es selbst nachlesen.

https://www.bmj.com/content/376/bmj.o702

Damit wird deutlich, dass es es gar nicht um die Menschen und deren Gesundheit geht, sondern um möglichst viel Absatz von Pharmaprodukten.

Auch wenn die Pharmalobby momentan ihre Interessen noch mit aller Gewalt weltweit durchsetzt, wird auch dieses Narrativ bröckeln und eines Tages zugunsten einer menschen-orientierten Medizin Platz machen. Die Evolution wird ihren Weg finden.

Mit diesem Wissen können wir beruhigt und entspannt die Osterzeit genießen.

Wir wünschen dir noch einen sonnigen Feiertag und grüßen dich herzlich.

Herzlichst

Doris

Ich finde das Schreiben vor allem deswegen bedenklich, weil es sicher einige Menschen gibt, die den Inhalt für bare Münze nehmen. Aus diesem Grund ist es vielleicht angemessen, ihn einmal kritisch zu beleuchten.

Die ‚Studie‘ im British Medical Journal ist keineswegs eine Studie, sondern eine bewusst provozierende Meinungsäußerung zur evidenzbasierten Medizin. Die Autoren kritisieren vor allem, dass heutzutage zu viele Untersuchungen von der Industrie gefördert werden, mit Interessenskonflikten belastet und somit nicht immer objektiv sind. Lesen Sie selbst; ich habe den Artikel für Sie übersetzt; er beginnt wie folgt:

Die Einführung der evidenzbasierten Medizin war ein Paradigmenwechsel, der die Heilkunde auf eine solide wissenschaftliche Grundlage stellen sollte. Die Gültigkeit dieses neuen Paradigmas hängt jedoch von zuverlässigen Daten aus klinischen Studien ab, von denen die meisten von der Pharmaindustrie durchgeführt und im Namen hochrangiger Wissenschaftler veröffentlicht werden.

Die Autoren dieses Artikels sind also keineswegs gegen die evidenzbasierte Medizin – im Gegenteil, sie wollen sie reformieren! Und sie schlagen sogar konkrete Maßnahmen vor, die dieses Zeil verwirklichen sollen. Sie beenden ihren Artikel mit folgenden Worten:

Zu unseren Reformvorschlägen gehören: keine Finanzierung der Zulassungsbehörden durch Pharmaunternehmen; Besteuerung der Pharmaunternehmen, um die öffentliche Finanzierung unabhängiger Studien zu ermöglichen; und, was vielleicht am wichtigsten ist, Veröffentlichung anonymisierter Patientdaten und der Studienprotokolle, so dass Dritte die Methodik und die Studienergebnisse kritisch bewerten können. Mittels Änderungen der Einwilligungserklärungen sollten die Studienteilnehmer verlangen können, dass die Ergebnisse frei zugänglich werden. Die offene und transparente Veröffentlichung dieser Daten steht im Einklang mit unserer moralischen Verpflichtung gegenüber den Studienteilnehmern - realen Menschen, die in eine riskante Behandlung involviert waren und ein Recht darauf haben, dass die Ergebnisse nach wissenschaftlichen Grundsätzen verwendet werden. Die Einwände der Industrie in Bezug auf den Schutz der Privatsphäre und die Rechte an geistigem Eigentum sollten dies nicht verhindern.

Mit anderen Worten, die Autoren wollen die evidenzbasierte Medizin keineswegs abschaffen, sie wollen sie verbessern. Sie wollen nicht weniger, sondern mehr Rationalität! Ich finde dies durchaus richtig. Wer jedoch hier meint, dass dies mit einer ‚Auferstehung‘ der Homöopathie in Einklang zu bringen ist, hat nicht begriffen, was eine ‚menschenorientierte Medizin‘ bedeutet.

‚Die Evolution wird ihren Weg finden‘, meinen die Homöopathen in ihrer Mail. Hier stimme ich sogar ihnen zu! Bezüglich der Homöopathie hat die Evolution den Weg in vielen Ländern bereits gefunden. In Großbritannien und Frankreich z.B. werden Homöopathika nicht mehr rückerstattet. In Deutschland verhindert das derzeit noch die Homöopathie-Lobby, aber lange wird es wohl auch hier nicht mehr dauern.

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